Johannes Remmel: „Deshalb ist es umso wichtiger, hier mit aller Konsequenz Rechtsstaatlichkeit durchzusetzen“

Antrag der Fraktion von CDU und FDP zur Rechtsstaatlichkeit in Europa

Johannes Remmel (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es ist aus den Wortbeiträgen der Vorredner schon deutlich geworden, dass wir uns hier tatsächlich in einem Dilemma befinden. Überhaupt Rechtsstaatlichkeit einklagen zu müssen, ist für Demokratinnen und Demokraten schon ein gewisses Problem, weil das eigentlich eine Selbstverständlichkeit der europäischen Werteordnung und unserer Staatlichkeit ist. Insofern muss man, wenn man es denn diskutiert, das aber in aller Entschiedenheit tun. Und das ist eben unsere Frage bei dem Antrag, den CDU und FDP gestellt haben.
Ich will noch einmal benennen, um was es tatsächlich geht. Es geht nicht nur um Einschränkung von Freiheitsrechten, nicht nur um Einschränkung von grundsätzlichen demokratischen Gepflogenheiten. Vielleicht hört sich das jetzt für einen Grünen etwas ungewöhnlich an: Da, wo Rechtsstaat nicht existiert, sind auch der Markt und die Ökonomie extrem gefährdet, weil Korruption Tür und Tor geöffnet wird und man sich nicht darauf verlassen kann, dass das wirtschaftliche Handeln am Ende vom Rechtsstaat auch geschützt wird.
Missachtung der Gewaltenteilung, Meinungsfreiheit wird eingeschränkt, Gleichschaltung der öffentlichen Medien, Gleichschaltung der Justiz, Einschränkungen, wie wir aktuell in Ungarn erleben, der Oppositionsrechte, Ermächtigungsgesetze plötzlich auf der Tagesordnung, Diskriminierung und Bekämpfung, jetzt sogar vonseiten der Verfassung in Ungarn, von Menschen mit anderer sexueller Orientierung – das mitten in Europa. Das können und dürfen wir nicht zulassen, nicht nur weil es um unsere Freiheit, um unsere Demokratie geht, sondern auch weil es eine fatale Wirkung nach außen hat.
Wenn wir uns im Globalen mit Autokraten wie Putin, Erdogan oder auch Menschenrechtsverletzungen der Diktatur in China auseinandersetzen müssen – wie wollen wir denn argumentieren mit Blick auf die Ereignisse in Hongkong, mit Blick auf die Menschenrechtsverletzungen bei den Uiguren, wie wollen wir argumentieren bei vielen Auseinandersetzungen mit der Türkei, wenn wir im eigenen Laden die Dinge nicht in Ordnung haben? Deshalb ist es umso wichtiger, hier mit aller Konsequenz Rechtsstaatlichkeit durchzusetzen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Zum Antrag konkret: Das wirft dann Fragen auf. Der Grundtenor – einverstanden, okay. Aber Sie formulieren auch noch in besonderer Weise – unabhängig davon, dass in der Tat die Zeit etwas über den Antrag hinweggegangen ist – durchaus sibyllinisch. Wenn man nicht wohlwollend ist, würde man sagen: Sie formulieren an einer Stelle in Ihrem Antrag: Erst kommt das Fressen und dann die Moral. – So einen Vorwurf will ich Ihnen eigentlich gar nicht machen, aber zumindest ist es missinterpretationsfähig.
Die Formulierung, dass für Nordrhein-Westfalen die mittelfristige Finanzplanung von entscheidender Bedeutung ist, die Programme fortgeführt werden müssen, eine Blockade daher nicht in unserem Interesse ist und dass man das nicht gegeneinander ausspielen darf, ist nicht eindeutig. Sie weisen hier den Blockadeversuch von Polen, Ungarn und Bulgarien nicht mit aller Entschiedenheit zurück. Das fehlt mir in Ihrem Antrag. Deshalb mussten wir hier einen Entschließungsantrag stellen.
Hier ist allein der Versuch, diese Blockade zu diskutieren, meines Erachtens zurückzuweisen und strafbar. Der Versuch ist strafbar. Das eine mit dem anderen zu verbinden, das ist der Versuch der Erpressung. Das muss man mit aller Entschiedenheit zurückweisen.
Sie sagen auch nichts dazu, dass nach wie vor viele Abgeordnete Mitglied der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament sind. Auch hier hätte ich mir Entschiedenheit gewünscht. An dieser Stelle ist Konsequenz notwendig und nicht Lavieren. Deshalb tut es uns leid, dass wir an dieser Stelle einen Entschließungsantrag stellen müssen. Sie hätten noch die Chance, indem Sie diese Passage, die in der Tat auch andere offensichtlich missverstanden haben, einfach zurückziehen. Sie würden dem gemeinsamen Anliegen des Landtags damit einen großen Dienst erweisen. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

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