Johannes Remmel: „Das steht an und muss Klarheit auch für nordrhein-westfälische Bäuerinnen und Bauern zu schaffen“

Antrag der SPD-Fraktion zur Sozialunion

Johannes Remmel (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich könnte es mir jetzt einfach machen und mich in der politischen Gemengelage auf der richtigen Seite positionieren, wie wir das in der Vergangenheit zur Sache auch schon einmal getan haben. Grundsätzlich sind die Forderungen, die die SPD-Fraktion in diesem Antrag aufstellt, richtig; gar keine Frage. Ich frage mich aber, ob die Orientierung an der deutschen Ratspräsidentschaft die richtige Aufhängung ist. Da darf man in der Tat nachfragen. Insofern muss man meines Erachtens die Sachverhalte noch einmal darlegen.
Mitte nächsten Jahres wird Deutschland – und damit sind viele Hoffnungen verbunden – die Ratspräsidentschaft übernehmen. Was aber vielleicht noch wichtiger, öffentlich aber nicht so bekannt ist: Deutschland wird darüber hinaus mit Portugal und Slowenien die sogenannte Trio-Präsidentschaft übernehmen. Das heißt, dass sich diese Länder bis 2021 darauf verständigen müssen, welches Programm in dieser Zeit vom Rat vertreten wird. Da macht es in der Tat Sinn, auch über mittel- und langfristige Projekte miteinander zu diskutieren.
Wir sollten aber realistisch sein, auch wenn ich mir in vielen anderen Bereichen wie auch in der Sozialpolitik durchaus Visionäres vorstellen kann. Das, was Sie in diesem Punkt in Sachen Sozialcharta fordern, bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als den Vertrag von Lissabon neu zu diskutieren; denn der Vertrag von Lissabon regelt diese Dinge abschließend. Das kann man wollen. Wir würden es auch unterstützen. Ich vermute allerdings, dass wir in dieser Legislaturperiode eine Neuverhandlung des Vertrags von Lissabon nicht erreichen werden.
Deshalb macht es Sinn, genauer hinzuschauen, was denn aus der Säule der Europäischen Sozialagenda gegebenenfalls in dieser Förderperiode bzw. in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden kann.
In der Tat meine ich, dass das von Ihnen genannte Projekt das richtige und prioritäre ist – nämlich die Umsetzung der Rahmenrichtlinie für faire Mindestlöhne im Sinne einer europaweiten Angleichung. Hier gibt es die größten Diskrepanzen. Wir liegen zwischen etwas mehr als 1 Euro in Rumänien und 12 Euro in Luxemburg. Das bedarf tatsächlich der Harmonisierung. Hier auch bei der deutschen Ratspräsidentschaft eine gewisse Priorität zu sehen, finde ich wichtig.
Darüber hinaus sollten wir aber auch die jeweiligen konzentrischen Kreise beschreiben. Eine Ratspräsidentschaft – zumal eine, die sich dann auch noch auf längere Zeit mit anderen Ländern zusammen erstreckt – wird vor allen Dingen auch aktuell anstehende Fragen behandeln müssen, zum Beispiel die Frage des Umgangs mit dem Brexit, die Frage, wie ein neuer Haushalt aufgestellt wird, die Frage, wie die europäische Finanzpolitik fortentwickelt, und aktuell die Frage, wie mit dem Mercosur-Abkommen umzugehen ist.
Es müssen natürlich auch die Fragen in Bezug auf die nächsten Förderperiode nicht nur der EFRE-Förderung und nicht nur der Sozialförderung, sondern auch des größten Teils des europäischen Haushalts, der Agrarförderung, beantwortet werden. Das steht an und muss ein Stück vorangetrieben werden, um hier Klarheit – auch für nordrhein-westfälische Bäuerinnen und Bauern – zu schaffen.
Es wird also Prio 1 sein, wenn ich das einmal so beschreiben darf, diese Dinge voranzubringen.
Im weiteren Spektrum folgt dann auch die Sozialpolitik. Hier würde ich angesichts der Herausforderungen, die auch von der designierten Kommissionspräsidentin benannt worden sind, gerade die Bereiche Nachhaltigkeit und Klimaschutz nicht vernachlässigen wollen. Da sollten wir Akzente durch eine deutsche Ratspräsidentschaft einfordern; denn an dieser Stelle werden aus meiner Sicht sowohl französische Vorschläge als auch die deutsche Ratspräsidentschaft und dann auch noch Frau von der Leyen als Kommissionspräsidentin Wirkungsvolles bewerkstelligen und bisher bestehende Blockaden möglicherweise beseitigen können.
In diesem Sinne werden wir uns zu Ihrem Antrag enthalten. Ihr Anliegen wird grundsätzlich unterstützt; aber die Aufhängung passt nicht so ganz. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

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