Jan Matzoll: „Uns verbindet, dass wir der Innenstadt als soziales Zentrum unserer Städte eine entscheidende Rolle zusprechen“

Zum Antrag der FDP-Fraktion zum stationären Einzelhandel

Portrait Jan Matzoll

Jan Matzoll (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei unserem grünen Kommunalkongress vor knapp drei Wochen habe ich einen Workshop moderiert, der sich mit der Potenzialen urbaner Produktion zur Belebung der Innenstädte beschäftigt hat.

Tim Rieniets, Professor für Stadt- und Raumentwicklung, war als Experte dabei und hat einen für mich sehr einprägsamen Satz gesagt: Es gebe nur noch eine einzige Sache, die alle Menschen einer Stadt verbinde, egal, wo sie in dieser Stadt wohnten, ob sie viel oder wenig Geld hätten und was sie sonst im Leben machten. Diese eine verbindende Sache sei die Innenstadt. Die kenne jeder, da sei jeder mal gewesen. – Tim Rieniets hat damit etwas sehr Wahres gesagt.

Der Influencer Levi Penell, der Castrop-Rauxel zur schönsten Stadt der Welt ausgerufen hat – zu Recht übrigens –, kommt in seinem kurzen Liebeslied an Castrop-Rauxel auch nicht ohne den Bezug zur Innenstadt aus:

„Die schönste Stadt auf dieser Welt, die Menschen nett, die Altstadt fetzt. Oh Castrop-Rauxel, dir gehört jetzt mein Herz.“

Darüber, ob Levi Penells Beschreibung der Castroper Innenstadt der Realität entspricht, kann man sicherlich streiten. Es unterstreicht aber auch noch einmal popkulturell, welche zentrale Rolle Innenstädte auch heute noch spielen.

(Beifall von Tim Achtermeyer [GRÜNE] und Anna Teresa Kavena [SPD])

– Vielen Dank.

Daher auch vielen Dank an die FDP-Fraktion, dass wir heute über Ihren Antrag und damit über die Zukunft der Innenstädte sprechen können.

Da wir den Antrag in den Ausschuss verweisen, bietet sich auch nach heute noch ausreichend Gelegenheit, über die Details des umfangreichen Antrags zu sprechen. Auf einige Aspekte möchte ich allerdings schon heute eingehen, und ich fange mit den Forderungen an, bei denen wir keinen Dissens haben.

Die urbane Logistik stärken und dabei keine Scheuklappen aufsetzen, sondern offen neue Modelle ausprobieren, die den Menschen in den Mittelpunkt stellen – hier ist noch ganz viel Luft nach oben.

Die bestmögliche Versorgung der Innenstädte und Ortsteile mit 5G und Glasfaser: Hier sind wir bereits auf einem guten Weg. Die Genehmigungsfreiheit von Mobilfunkmasten war hier zum Beispiel ein ganz wichtiger Schritt der schwarz-grünen Landesregierung.

Zur Ehrlichkeit gehört aber auch: Die Forderung nach 5G und Glasfaser betrifft ganz NRW und ist kein spezifisches Thema nur für die Innenstädte.

Die Bauordnung weiterentwickeln, um auch im Bestand einen neuen Nutzungsmix bürokratiearm und vor allem auch bezahlbar zu ermöglichen: Auch hier sind wir einer Meinung und haben mit der Anpassung der Landesbauordnung bereits Hürden abgebaut.

Stichwort: Hürden abbauen bzw. Bürokratieentlastung. Auch hier sind wir grundsätzlich einer Meinung. Ihr Vorschlag liest sich aber ehrlich gesagt ein bisschen wie: „Wir bauen erst mal neue Bürokratie auf, um bürokratische Hürden zu identifizieren“. Dieser Umweg ist nicht hilfreich.

An anderen Stellen kommen wir nicht zusammen. Das Thema „Sonntagsöffnungen“ ist gerade von der SPD adressiert worden.

Lieber Kollege Dietmar Brockes, auf dem IHK-Handelstag in Gelsenkirchen haben wir über das Für und Wider der Sonntagsöffnungen diskutiert.

(Dietmar Brockes [FDP]: Eine breite Unterstützung gab es da!)

Hier sind wir weiterhin anderer Meinung als die FDP-Fraktion und glauben nicht, dass ein weiteres Aufweichen des freien Sonntags an der Entwicklung der Innenstädte auch nur irgendetwas ändern würde.

Darüber hinaus beinhaltet der Antrag zahlreiche Forderungen, die vor allem kommunal umgesetzt werden müssen. Natürlich können wir an der einen oder anderen Stelle darüber sprechen, wo das Land hier sinnvoll unterstützen kann oder wo ein verbesserter Rahmen – zum Beispiel bei den City-Managern – nützlich sein könnte.

Wir müssen an dieser Stelle aber auch den Elefanten im Raum ansprechen. Ohne bessere finanzielle Rahmenbedingungen für Kommunen in unserem Land verpuffen all Ihre Ideen in der Realität kommunaler Nothaushalte. Eine umfassende, von Land und Bund getragene Altschuldenlösung ist eine zentrale Voraussetzung, damit unsere Städte und Gemeinden bei der Transformation der Innenstädte wieder ins Handeln kommen, wieder zu Akteurinnen des Wandels werden können.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Uns verbindet aber als demokratische Fraktionen in diesem Hause, dass wir der Innenstadt als soziales Zentrum, als Begegnungszentrum unserer Städte und Orte auch in Zukunft eine entscheidende Rolle zusprechen.

In diesem Sinne freue ich mich auf die weiteren Beratungen. Der Überweisung in den Ausschuss stimmen wir gerne zu. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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