Jan Matzoll: „Hier erwartet die Wirtschaft Rückendeckung von der Politik, die sie von der FDP wiederholt nicht bekommt“

Zum Antrag der FDP-Fraktion zur Wirtschaftspolitik

Portrait Jan Matzoll

Jan Matzoll (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Nordrhein-Westfalen geht es wirtschaftlich wieder aufwärts. Das RWI rechnet für das Jahr 2024 mit einem Wachstum von 0,5 %. Das ist noch immer nicht gewaltig. Allerdings wächst die Wirtschaft in NRW damit wieder stärker als im Bundesdurchschnitt.

Ich will das überhaupt nicht auf die Landesregierung oder auf die Bundesregierung beziehen. Das ist ausreichend hin und her diskutiert worden.

Es ist aber wichtig, den Fakt zu sehen, und zwar nicht deshalb, weil wir zufällig in Nordrhein-Westfalen leben oder weil ich mich als Mitglied einer regierungstragenden Fraktion besonders über gute Nachrichten für NRW freue – das tue ich natürlich; das ist gar keine Frage –, sondern es ist deshalb so wichtig, weil NRW das industrielle Herz Europas ist. Wir brauchen eine starke, innovative und durch Mitbestimmung und Tariftreue geprägte Industrie nicht nur, um unsere Klimaziele zu erreichen, sondern auch, um Vorbild und Vorreiter der Transformation zu sein.

Deshalb ist es über rein ökonomische Indikatoren hinaus so unfassbar wichtig, dass es unserer Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen gut und gerade den produzierenden Betrieben wieder besser geht.

Daher bin ich der FDP trotz aller inhaltlichen Differenzen sehr dankbar, dieses Thema immer wieder auf die parlamentarische Bühne zu heben, auch wenn – und da stimme ich Kollege Stinka zu – heute wenig Zeit ist, über diesen umfangreichen Antrag zu sprechen.

Mir ist auch völlig klar, dass die sehr komplexe Wirtschaftssituation nicht allein durch einen kurzfristigen Blick auf das Wirtschaftswachstum zu erklären oder zu steuern ist. Wir könnten uns sehr viele Debatten hier sparen, wenn es so einfach wäre.

Schauen wir auf das Beispiel thyssenkrupp, mit dem wir uns seit Monaten bzw. bezüglich der Transformationsherausforderung seit Jahren beschäftigen. Falls die Transformation unserer Stahlbranche nicht gelingt, hätte das Dominoeffekte, die wir mit keiner wirtschaftspolitischen Maßnahme abfedern könnten. Das hätte Auswirkungen weit über Duisburg und das Ruhrgebiet, weit über Nordrhein-Westfalen und Deutschland hinaus.

Deshalb ist es völlig richtig, sich weiter damit zu beschäftigen, wo Politik Rahmensetzung und Förderung anzupassen hat, um die Transformation nicht zu gefährden und sie bestenfalls aktiv zu unterstützen. Aber leistet der FDP-Antrag das wirklich? – Jetzt hätte ich ein lautstarkes „Ja“ aus den Reihen der FDP-Fraktion erwartet, aber so überzeugt ist man vom eigenen Antrag wohl auch in der FDP nicht.

(Widerspruch von der FDP)

Spoiler: Nein, der FDP-Antrag leistet es nicht. Der Antrag umfasst 15 vorgeschlagene Maßnahmen, die ich jetzt nicht alle einzeln durchgehen möchte bzw. zeitlich auch nicht durchgehen kann. Viele Punkte sind bereits umgesetzt bzw. in Arbeit und müssen nicht andauernd wiederholt werden,

(Lachen von Dietmar Brockes [FDP])

insbesondere dann nicht, wenn sie lediglich davon ablenken sollen, dass es die FDP ist, die im Bund eine sachliche Debatte über die Schuldenbremse verhindert

(Lachen und Zuruf von Ralf Witzel [FDP]: Oh!)

und bei einer umfassenden Kraftwerksstrategie der Bremsklotz der Bundesregierung ist.

(Ralf Witzel [FDP]: Was für eine absurde Wahrnehmung!)

Hier erwartet die Wirtschaft Rückendeckung von der Politik, die sie von der FDP wiederholt nicht bekommt.

(Beifall von Michael Röls-Leitmann [GRÜNE] und Dr. Christian Untrieser [CDU] – Zuruf von der FDP: Sondern?)

Ich möchte auf zwei Punkte aus dem FDP-Antrag eingehen.

Erster Punkt. Sie fordern eine Entlastungsallianz. Ernsthaft? Was ist das denn bitte für eine Wenn-ich-mal-nicht-weiterweiß-gründe-ich-einen-Arbeitskreis-Mentalität? Mitten im Prozess der Bürokratieentlastung und der Planungsbeschleunigung, also der Umsetzung des Bund-Länder-Pakts, einfach das Verfahren umwerfen und neue Bürokratie schaffen – das soll die Lösung sein?

(Zuruf von Franziska Müller-Rech [FDP])

Wir sind wir doch gemeinsam mit den Verbänden aus der Wirtschaft und den kommunalen Spitzenverbänden schon viel weiter.

Zweiter Punkt. Es gibt keinen Antrag der FDP zur Bürokratieentlastung ohne die Forderung nach der Absenkung von Umweltstandards und Beteiligungsrechten. Dass das gerade in Zeiten der Transformation, des Wandels und multipler Krisen genau die falsche Antwort ist, habe ich Ihnen von dieser Stelle schon mehrfach entgegengerufen.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Die Absenkung von Umweltstandards und Beteiligungsrechten führt doch noch nicht einmal zum gewünschten Ziel der Planungsbeschleunigung, sondern sorgt für Rechtsunsicherheiten und langwierige Klageverfahren.

Der Antrag der FDP-Fraktion löst keine Probleme, sondern verschärft diese teilweise noch. Wir lehnen ihn daher ab. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, Dr. Christian Untrieser [CDU] und Bianca Winkelmann [CDU])

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