İlayda Bostancıeri (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen! Im vorliegenden Antrag der SPD wird unter anderem das Thema „Hitze als Krisenszenario für unterschiedliche Personengruppen“ behandelt.
Es werden die laut LZG besonders gefährdeten Personengruppen benannt: ältere Menschen, Menschen mit Vorerkrankungen, Menschen, die Medikamente einnehmen, Schwangere, Säuglinge und Kinder, Menschen mit geringen sozioökonomischen Ressourcen, sozial isolierte Menschen mit regelmäßigem Alkohol- und Drogenkonsum sowie Menschen, die im Freien arbeiten oder intensiv Sport treiben. Allein diese vermutlich nicht abschließende Aufzählung zeigt doch, wieso wir dieses Thema intersektional angehen müssen.
Die SPD konstruiert daraufhin aber recht wirr, muss ich sagen, Geschlechterungleichheiten in Bezug auf Klimafolgen.
(Thorsten Klute [SPD]: Was?)
– Ja. Schauen Sie sich den Antrag noch einmal an. Und verstehen Sie mich nicht falsch:
(Alexander Vogt [SPD]: Aber?)
Diese Geschlechterungleichheiten gibt es tatsächlich, aktuell vor allem an Orten, die von dauerhafter Dürre bedroht sind. Dort bricht durch die Dürre die Wirtschaft zusammen. Es folgen Hungersnöte. Es brechen Gesellschaftsstrukturen zusammen. Durch Arbeitsverlust und Zukunftssorgen kommt es auch zu mehr häuslicher Gewalt. Und Frauen sind aufgrund ihrer gesellschaftlichen Position stärker armuts- und gewaltgefährdet. Doch wir befinden uns in NRW, und der Antrag soll auch auf NRW abzielen.
Teilweise wird auch mit starken Klischees gearbeitet. Es ist manchmal ein bisschen schwierig, aus dem Antrag schlau zu werden. Sie sagen: Männer sind risikobereiter; deswegen engagieren sich mehr Männer im Katastrophenschutz, und deswegen leiden alle Männer deutlich häufiger unter Klimafolgen. – Das lässt sich im Sachzusammenhang wirklich schwer erklären. Es findet sich auch teilweise in den Fußnoten nicht wieder, die Sie in dem Antrag aufgeführt haben.
Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Frau Kollegin, es fällt mir schwer, Sie zu unterbrechen. Deswegen mache ich es jetzt. Mittlerweile liegen zwei Wünsche auf Zwischenfragen vor, einmal von dem Kollegen Bakum von der SPD und einmal von dem Kollegen Loose von der AfD. Würden Sie sie zulassen?
İlayda Bostancıeri (GRÜNE): Von der SPD lasse ich sie gerne zu, von der AfD nicht. Und es ist ganz aufregend: Das ist meine erste Zwischenfrage.
Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Die Aufregung schwindet gleich.
(Heiterkeit von der SPD)
İlayda Bostancıeri (GRÜNE): Das ist okay.
Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Herr Bakum, bitte schön.
Rodion Bakum (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Dann bin ich auch sehr freundlich. Vielen Dank, werte Kollegin, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Eine halbe Bemerkung vorab: Die Aussagen stammen von der Landesregierung, nicht von uns.
Ich möchte aber von Ihnen wissen: Ist es konstruiert, dass das Robert Koch-Institut herausgefunden hat, dass hier in Deutschland Rentnerinnen und alleinstehende Frauen auf dem Wohnungsmarkt bezüglich Wohnungen mit besserem Hitzeschutz benachteiligt sind? Ist das aus Ihrer Sicht konstruiert?
İlayda Bostancıeri (GRÜNE): Nein.
Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Bitte schön, Frau Kollegin. Jetzt dürfen Sie erwidern.
İlayda Bostancıeri (GRÜNE): Danke, Herr Präsident. Entschuldigung; ich habe schon erwidert. – Vielen Dank, Herr Kollege, für die Zwischenfrage. Nein, das ist natürlich nicht konstruiert. Ich möchte da auch gar nicht falsch verstanden werden. Ich glaube nur, dass teilweise die Geschlechterfolgen im spezifischen Sinne konstruiert sind.
Denn es geht um viel mehr als um Geschlecht. Wir müssen das Thema vollumfänglich betrachten. Geschlecht kann eine Rolle spielen, wenn es um den Wohnungsmarkt und um andere Themen geht. Aber es kann auch Themen geben, die Klima, Gesundheit und Klimaanpassungsmaßnahmen betreffen, bei denen das Geschlecht weniger eine Rolle spielt.
Vielleicht habe ich mich so schon richtig ausgedrückt. Aber wir werden ja auch in den Ausschüssen noch weiter darüber diskutieren.
Ich fahre in meiner Rede fort. Ein bisschen unklar bleibt in dem Antrag manchmal – daraus werde ich nicht so richtig schlau –, was mit „Geschlecht“ gemeint ist. Sie verwenden es synonym sowohl für das biologische als auch für das soziale, selbstbestimmte Geschlecht. Im Englischen unterscheiden wir ja zwischen „sex“ und „gender“. Hier ist es ein bisschen unpräzise.
Sie sagen, zu den Folgen von Klimaeinwirkungen auf Menschen mit unterschiedlicher Geschlechtsidentität in Deutschland fehlten Studien. Die Landesregierung solle – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten aus dem Antrag –
„die Geschlechterperspektiven auf die Klimakrise und ihre gesundheitlichen Wechselwirkungen, Klimagesundheit, systematisch wissenschaftlich […] untersuchen. Dabei müssen auch queere Personen und Personen mit diverser Geschlechtsidentität Beachtung finden.“
Mir fehlt – das bleibt für mich ein bisschen offen –, warum das ein NRW-spezifisches Thema ist.
(Rodion Bakum [SPD]: Die Landesregierung hat so geantwortet!)
Bei alldem sei gesagt: Ich finde die Idee löblich, und ich begrüße auch die Initiative der SPD, mehr in Richtung Klimaschutz und Klimaanpassung zu gehen.
Ich finde bei allem Lob und aller Kritik, dass der Antrag ein bisschen unausgegoren wirkt und nicht stringent begründet ist. Ich habe das Gefühl – wir haben einige der Fußnoten überprüft –, dass die im Antrag aufgestellten Behauptungen sich teilweise nicht in den Quellen, die Sie genannt haben, wiederfinden.
(Zuruf von der CDU: Oh! Oh!)
Zum Abschluss möchte ich noch einmal sagen, dass ganz selbstverständlich die gesamtgesellschaftliche sozial-ökologische Transformation auch geschlechtergerecht erfolgen muss. Das ist klar. Damit beschäftigt sich beispielsweise auch der Vierte Gleichstellungsbericht der Bundesregierung. Dort hat man sich diesem Thema noch einmal angenommen. Ich bin mir auch sicher, dass NRW da wichtige Impulse setzen kann.
Ich bin auf die Diskussionen und Debatten im Ausschuss gespannt. Der Überweisung stimmen wir natürlich zu. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Frau Kollegin, ich bin gespannt, ob Sie jetzt wieder aufgeregt sind, weil nun eine Kurzintervention angemeldet ist.
İlayda Bostancıeri (GRÜNE): Die nehme ich von meinem Platz aus entgegen.
Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Die nehmen Sie von Ihrem Platz aus entgegen. Das sieht schon viel gelassener aus. – Die Kurzintervention ist von dem Abgeordneten Loose, der sich jetzt bitte einmal eindrückt, angemeldet.
(Zuruf: Drücken Sie auf Pause?)
– Eindrücken können Sie sich schon. Erst wenn ich Ihnen das Wort erteile, beginnt die Zeit zu laufen. Und das mache ich jetzt.
Christian Loose (AfD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrte Kollegin, Sie sprechen von Klischees, wenn die SPD im Rahmen des Antrags von Unterschieden bei Geschlechterfolgen im Zusammenhang mit dem Klimawandel spricht. Zudem bemängeln Sie, dass beim SPD-Antrag nicht ganz klar ist, was mit „Geschlecht“ gemeint sei. Nun gut.
Die grüne Heinrich-Böll-Stiftung forderte bereits vor ein paar Jahren eine geschlechtergerechte Klimapolitik. Im Jahr 2019 titelte der FOCUS:
„,Grausame Realität‘: Frauen laut Grünen stärker von Klimakrise betroffen als Männer“
Gerade angesichts der Geschlechterdefinition möchte ich folgende Frage stellen: Ist Tessa Ganserer nun aus Ihrer Sicht genauso stark betroffen wie eine biologisch geborene Frau oder doch weniger stark betroffen, da sie als biologischer Mann geboren ist und sich aktuell nur als Frau fühlt? – Vielen Dank.
(Beifall von der AfD)
Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Frau Kollegin, Sie haben jetzt eine Minute Zeit für die Erwiderung.
İlayda Bostancıeri (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Präsident. Die Minute werde ich sicher nicht ausschöpfen; denn ich möchte mich nicht mit transfeindlichen Ressentiments der AfD beschäftigen.
(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)
Ich freue mich darauf, mich fachlich gemeinsam mit der SPD und den anderen demokratischen Fraktionen mit diesem Antrag auseinanderzusetzen.
(Christian Loose [AfD]: Sie wissen es selber nicht!)
Das werden wir dann in den Ausschüssen, in denen die AfD bekannterweise ohnehin nicht viel mitarbeitet, machen.
(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)