İlayda Bostancıeri (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrte Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen! Kollegin Butschkau hat es gerade schon angesprochen: Letzte Woche haben Bundesinnenministerin Faeser und Bundesfamilienministerin Paus das Lagebild „Häusliche Gewalt“ vorgestellt.
So bekannt uns die Zahlen sind: Sie erschüttern uns doch jedes einzelne Mal. Über 70 % der Opfer häuslicher Gewalt sind Frauen, und drei von vier Täter*innen sind Männer. Bei der Partnerschaftsgewalt sieht es noch verheerender aus: Wir hatten im Jahr 2023 155 Femizide zu verzeichnen – 155 Frauen, die von ihrem Partner oder Expartner getötet wurden. Hinter jedem dieser Fälle steht ein Einzelschicksal.
Häusliche Gewalt zieht sich durch jedes Alter, durch jede soziale Klasse durch jede Herkunft und durch jede Religion. Sie hat viele Gesichter und Formen und ist tief verwurzelt in gesellschaftlichen Normen, in Machtverhältnissen und traditionellen Geschlechterrollen. Ich bin mir sicher, dass alle von uns mindestens eine Person kennen, die von häuslicher Gewalt betroffen ist – ob uns das bewusst ist oder nicht.
Gewalt gegen Frauen ist tief in unserer Gesellschaft verankert und ein strukturelles Problem, das wir gemeinsam angehen müssen und das wir in unterschiedlichen Konstellationen im Bund und in den Ländern auch angehen.
Mir persönlich geht das zu langsam; das ist kein Geheimnis. Aber ich kann auch anerkennen, dass die Frauenhilfeinfrastruktur heute besser aufgestellt ist, als sie es beispielsweise vor 20 Jahren war. Da ist Bewegung drin.
In NRW haben wir eine breit aufgestellte und unfassbar engagierte Frauenhilfeinfrastruktur: Frauenhäuser, Beratungsstellen, Notrufnummern, die von Gewalt betroffenen Frauen Schutz und Unterstützung bieten. Wir wissen, dass diese Strukturen oft überlastet sind – dafür müssen wir nur einmal in die Anforderungen der Istanbul-Konvention schauen – und im Moment auch nicht vollends zu unserer Befriedigung finanziert werden können.
Besonders die spezialisierte Unterstützung für besonders vulnerable Personen wie geflüchtete Frauen, Migrantinnen und Frauen mit Behinderung ist weiter auszubauen. Wir nehmen diese Sorgen aus der Frauenhilfeinfrastruktur sehr ernst, und es ist unser Ziel, diese Lücken zu schließen und sicherzustellen, dass jede Frau, die Hilfe sucht, diese auch bekommt.
Gleichzeitig wissen wir alle miteinander – das hat die Kollegin Troles gerade angesprochen – um die aktuelle Haushaltslage und um das Loch, das durch die Steuermindereinnahmen und durch geplante Bundesvorhaben entstanden ist.
Dieser Landesregierung ist es trotzdem gelungen, mit diesen wenigen Mitteln Verbesserungen und einen kleinen Ausbau der verfügbaren Schutzplätze für Frauen und ihre Kinder in den letzten zwei Jahren zu schaffen. Eine effektive Bekämpfung häuslicher Gewalt erfordert die Zusammenarbeit verschiedener Akteur*innen. Dazu gehören neben der Frauenhilfeinfrastruktur auch Justiz, Polizei und das Gesundheitswesen – um nur einige zu nennen.
Netzwerke und Kooperationen auf kommunaler, landesweiter und nationaler Ebene sind hier unerlässlich. Auf Bundesebene wird beispielsweise aktuell am Gewalthilfegesetz gearbeitet. Es hat zum Ziel, Frauen unabhängig von Faktoren wie zum Beispiel finanzieller Background, Aufenthaltsstatus oder Herkunft den Zugang zu Unterstützungsangeboten zu ermöglichen. Diesen Schritt begrüßen wir sehr, und dieses Gesetz ist bitter nötig.
An den demokratischen Fraktionen schätze ich sehr, dass uns der Kampf gegen häusliche Gewalt und gegen Gewalt gegen Frauen eint. Der Weg dahin mag unterschiedlich sein, aber das Ziel ist doch immer dasselbe.
Daher möchte ich an dieser Stelle darum bitten, dass wir weiterhin fair miteinander umgehen. Zu diesem fairen Umgang gehört meiner Auffassung nach auch, nicht einen Antrag mit teils deckungsgleichen Beschlusspunkten zu einem Themenkomplex einzubringen, der gerade mitten im Verfahren ist.
Wir sind im Prozess, den SPD-Antrag und den Entschließungsantrag der schwarz-grünen Koalition aus dem Februar dieses Jahres genau zu diesen Themen zu behandeln. Die Anhörung steht noch an; die Sachverständigen sind bereits geladen.
Lassen Sie uns die Experten*innen dazu anhören und deren wichtige Impulse, sofern möglich, ernsthaft einbeziehen, beispielsweise in der Fortschreibung des Aktionsplans zur Umsetzung der Istanbul-Konvention. Lassen Sie uns dieses in der Regel überlebenswichtige Thema weiter angehen und um die besten Lösungen streiten. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass häusliche Gewalt keinen Platz mehr in unserer Gesellschaft hat.
Den Antrag heute lehnen wir ab. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von
İlayda Bostancıeri (GRÜNE): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen! Noch einmal zwei kurze Punkte zu den Ausfällen der AfD: Zum einen möchte ich betonen – das habe ich in meiner Rede auch gesagt –, dass häusliche Gewalt, dass Partnerschaftsgewalt und dass Gewalt gegen Frauen nicht das Problem von bösen Ausländern ist, dass die das nicht hier in dieses Land gebracht haben, sondern dass sich das durch alle Gesellschaftsstrukturen zieht und dass es ein Problem der Männer ist. So einfach ist das.
(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)
Die Täter sind in aller Regel die Partner oder die Expartner – und die können schwarz, weiß, arm, reich, mit deutschem Pass oder mit einem anderen Pass sein.
Diese Punkte, Herr Loose, die Sie gerade angeführt haben, die in der Istanbul-Konvention stehen, kennen wir durchaus. An denen arbeiten wir. Niemand verschweigt, dass es Zwangsverheiratung gibt. Niemand verschweigt, dass es weibliche Genitalbeschneidung und ‑verstümmelung gibt. Das sind Themen, die der Landesregierung bekannt und wichtig sind. Das sind Themen, an denen wir demokratische Fraktionen auch weiterhin arbeiten. Ich verstehe Ihren Punkt nicht.
Und ich verbitte mir, dass Sie dieses so wichtige Thema dazu nutzen, um weiter Ihre rassistischen Ressentiments zu säen. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)