Horst Becker: „Naturschutz, Landschaftsschutz und Trinkwassergebiete werden zu Opfern dieser Ausgrabungshysterie“

Antrag der GRÜNEN im Landtag zum Landesentwicklungsplan

Horst Becker (GRÜNE): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wer in den letzten Wochen am Niederrhein war, konnte feststellen: Am Niederrhein herrscht tiefe Sorge und Empörung. Es herrscht Sorge und Empörung, weil befürchtet wird, dass das, was in den letzten Jahren am Niederrhein schon zu viel war, weiter gesteigert wird, nämlich der Abbau und der Raubbau an der Heimat durch Auskiesung.
Wer sich mit dem Landesentwicklungsplan beschäftigt – und das haben die Menschen vor Ort getan –, kann feststellen, dass durch die Änderung, die Sie vorsehen, dieser Raubbau beschleunigt wird und die Sorge berechtigt ist. Sie wollen die Versorgungszeiträume ausdehnen. Allein diese Ausdehnung der Versorgungszeiträume würde dazu führen, dass in den kommenden Jahren 300 Hektar zusätzliche Auskiesungsflächen geschaffen würden.
Nicht nur der Kreis Wesel – aber der mit einem Antrag von CDU und Grünen – hat darauf hingewiesen, dass das ein unhaltbarer Zustand ist und diese Änderung am LEP gegen die Interessen des Kreises Wesel und vieler Kommunen steht. Deswegen fordern sie, dass das zurückgenommen wird.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Bevor der LEP in die Schlussabstimmung kommt und es aus formalen Gründen nicht mehr möglich ist, Abstimmungen zu einzelnen Bereichen durchzuführen, geben wir Ihnen heute Gelegenheit, an dieser Stelle eine Umkehr weg von den verlängerten Versorgungszeiträumen einzuleiten. Gleichzeitig geben wir Ihnen Gelegenheit, einer Wiedereinführung der obligatorischen Konzentrationszonen mit Eignungswirkung zuzustimmen. Die ist nötig, um zu verhindern, dass sich Kiesausgrabungsfirmen bei jeder Gelegenheit einklagen, um abgraben zu können.
Wir eröffnen Ihnen mit diesem Antrag außerdem die Möglichkeit, nicht nur so zu tun, als wollten Sie etwas an den fehlerhaften Möglichkeiten, Bedarf zu ermitteln – indem man einfach den Durchschnitt der letzten Jahre nimmt –, ändern. Vielmehr könnten Sie das in einem Zeitraum tun, in dem nicht in der Zwischenzeit wegen der anderen Änderungen in die Fläche eingegraben wird.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Wir Grünen nehmen zur Kenntnis, dass Sie heute einen Antrag mit Lyrik vorstellen und sagen, dass auch Sie einen Ausgleich wollen. Aber im Beschlussteil kommen Sie zu nichts anderem als Abgrabungskonferenzen, mit denen Sie den Kommunen die Verantwortung zuschieben.
Sie wollen die Ausschöpfung der Rohstoffmächtigkeit. Das führt zu zusätzlichen Wasserproblemen. Aber das eigentliche Problem gehen Sie nicht an: den LEP, der dazu führen wird, dass Naturschutz, Landschaftsschutz und Trinkwassergebiete zum Opfer dieser Ausgrabungshysterie werden.
(Beifall von den GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, ich will noch auf einen Punkt hinweisen, der jedenfalls für uns wesentlich ist und den wir auch aus den Gesprächen vor Ort immer wieder mitgenommen haben: Die Bedarfsermittlung hat sich im Wesentlichen am Bedarf hier in Nordrhein-Westfalen maximal noch an dem benachbarter Bundesländer – auszurichten. Er hat sich jedenfalls nicht an den Niederlanden auszurichten, die selbst eine restriktive Politik gegen die Auskiesung ihrer Heimat betreiben.
(Dr. Günther Bergmann [CDU]: Das habt ihr doch selber eingeführt!)
Wir können es nicht akzeptieren, dass wegen der Exporte dorthin am Niederrhein ein Loch nach dem anderen entsteht und letztlich nur noch eine Seenplatte bleibt. – Schönen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)
Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnugspunkt von
Horst Becker (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal, Herr Minister, ich weise den Vorwurf der Kulissenschieberei aufs Schärfste zurück.
(Zurufe: Och!)
Die Kulissenschieberei ist von Ihnen gekommen. Die Kulissenschieberei ist bei einem Punkt gekommen, an dem Sie diesem Hohen Haus verschweigen, dass die Holländer selber eine absolut restriktive Kiespolitik betreiben und die Initiativen längst nachgewiesen haben, dass der Kies vom Niederrhein nach Antwerpen und Rotterdam in die Häfen geht und nach Übersee exportiert wird. Das ist Kulissenschieberei.
Ich sage Ihnen das bei einem weiteren Punkt. Es ist Kulissenschieberei, wenn Sie das auf den RVR schieben. Die Bindungswirkung geht von diesem LEP aus.
(Dietmar Brockes [FDP]: Nein!)
Sie streichen die obligatorischen Konzentrationszonen, und Sie verlängern die Versorgungszeiträume. Wenn das so egal wäre, wie Sie eben gesagt haben, müssten Sie es ja nicht tun. Sie machen es, weil Sie mehr Abgrabungen zulassen wollen. Das ist Ihre Strategie! Das ist die Strategie der FDP und auch der CDU!
(Beifall von den GRÜNEN)
Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Hovenjürgen?
Horst Becker (GRÜNE): Selbstverständlich, außerordentlich gerne, von diesem Kollegen so- wieso. Das ist eine Vorlage.
Vizepräsident Oliver Keymis: Kollege Hovenjürgen.
Josef Hovenjürgen (CDU): Lieber Kollege, wenn Sie sich so freuen, will ich dieser Freude auch gerne entsprechen. Stellen Sie doch dem Hohen Haus mal da, warum bis heute gerade Ihr Kollege Tönnes im RVR keine Grabungskonferenz durchgeführt hat, nicht mit den Menschen vor Ort gesprochen hat. Warum hat es den Dialog nie gegeben? Warum ist der RVR der einzige Bereich, der keine Grabungskonferenz durchgeführt hat?
(Beifall von der CDU und der FDP)
Horst Becker (GRÜNE): Herr Hovenjürgen, ich danke Ihnen außerordentlich für diese Zwischenfrage, weil sie mir Gelegenheit gibt, jetzt etwas ausführlicher zu antworten. Sie wissen vielleicht nicht, dass ich 25 Jahre sowohl dem Bezirksplanungsrat als auch dem Regionalrat Köln angehört habe und mich in dieser Zeit mit diesen Fragen – untere anderem mit Vorgebirge – sehr intensiv beschäftigt habe. Ich sage Ihnen in aller Ausführlichkeit und Klarheit, dass ein Fehlen der obligatorischen Konzentrationszonen mit Eignungswirkung, also genau das, was Sie jetzt streichen,
(Bodo Löttgen [CDU]: Nein, das haben wir nicht gestrichen! Das ist falsch!)
dazu führen wird, dass sich jedes Unternehmen, das das möchte, einklagen kann. Da nützt Ihnen keine Abgrabungskonferenz irgendetwas.
(Widerspruch von der CDU – Unruhe – Glocke)
Da nützen Ihnen keine Gespräche irgendetwas. Das ist die Rechtslage. Und das ist auch schon in verschiedenen Fällen an anderen Stellen passiert.
(Zurufe von der CDU)
–  Ich sehe, dass Sie ertappt sind.
Sie schaffen damit ein Scheunentor für sich hereinklagende Abgrabungsunternehmen. Das wissen Sie ganz genau. Genau deswegen bauen Sie das Potemkinsche Dort RVR auf, in dem übrigens Sie, Herr Hovenjürgen, jemand sind, der die Mehrheit mit gestaltet. Gestalten Sie die Mehrheit! Sie haben nämlich dort die politischen Mehrheiten. Machen Sie das doch! Sie wollen sich immer hinter einem Planer verstecken und machen das nicht.
(Zurufe von Josef Hovenjürgen [CDU])
Jetzt sage ich Ihnen in Beantwortung Ihrer Zwischenfrage noch eines, weil ich sehe, wie Sie reagieren und wie Sie ertappt sind.
In Beantwortung Ihrer Zwischenfrage: Wir werden ja sehen, was passiert. Die Beschleunigung des Kiesabbaus am Niederrhein steht unweigerlich vor der Tür und wird in den nächsten Jahren sichtbar werden.
(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])
Wenn diese Planungen dieser Landesregierung zum LEP an dieser Stelle berücksichtigt werden
(Zurufe)
und Sie davon nicht Abstand nehmen, wird das passieren. (Beifall von den GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, noch etwas zu der Frage Nationalismus, weil das ja wunderbar ist. Man kann auf der einen Seite sagen, man braucht für die heimische Wirtschaft die Rohstoffe, und auf der anderen Seite nicht zur Kenntnis nehmen, dass diese Rohstoffe im Moment überwiegend exportiert werden.
Beides geht nicht. Heimat schützen, Rohstoffe exportieren und sie zugleich in der heimischen Wirtschaft haben wollen, das geht nicht zusammen.
(Dietmar Brockes [FDP]: Unglaublich!)
Lassen Sie mich noch einen letzten Satz an die AfD richten. Ich bin immer sehr begeistert davon, wie Sie sich hier so aufplustern und hinterher Videos machen. Das Video von Herrn Loose wird am Niederrhein der Renner. Das verspreche ich Ihnen.
(Beifall von den GRÜNEN)

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