Horst Becker: „Insgesamt geht es auch um Standortfragen bei Forschung, bei Universitäten und bei Hochschulen“

Antrag der SPD-Fraktion zur Einsetzung einer Enquetekommission "Digitalisierung der Arbeitswelt"

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Horst Becker (GRÜNE): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Künstliche In­telligenz oder Industrie 4.0 sind zwei Begriffe, die je nach Betrachtung irgendwo zwischen Heilsbotschaft oder Katastrophenszenario wahrgenommen werden. Sie werden nicht zuletzt gerade während der CEBIT auch in den Medien hoch gehandelt. Herr Kollege Bell, nicht nur in der „Zeit“, sondern auch in der „Süddeutschen“ und in der „FAZ“ konnte man in den letzten Tagen immer wieder große Artikel zu diesem Thema lesen.
Unternehmen versprechen sich Effizienzsteigerungen, Prozessbeschleunigungen, mehr Fle­xibilität bis hin zu selbstoptimierten Vorgängen und auch intelligente Wartung ihrer Maschi­nen. Produkte sollen immer spezifischer auf Kunden zugeschnitten werden können, Produk­tionsvorgänge in Echtzeit gestaltet und verwaltet werden.
Studien zeigen aber, dass die grundsätzlichen Überlegungen und die grundsätzliche Bereit­schaft zur Implementierung oft nicht sehr konkret sind. 87 % der Teilnehmer an einer Studie zu diesem Thema haben erklärt, dass sie in den nächsten Jahren künstliche Intelligenz in die Produktion einbringen wollen, aber gleichzeitig haben 72 % dazu überhaupt noch keine de­taillierten Pläne.
Auf der Unternehmensseite stehen folgende Fragen im Vordergrund: Ersetzen nicht Vermitt­lungsplattformen das klassische Verhältnis von Auftraggeber und Auftragnehmer? Reißen solche Plattformen nicht die Wertschöpfung immer mehr an sich? Sind Unternehmen in den USA, in China und in Indien nicht schon viel weiter bei der Umsetzung von künstlicher Intelli­genz in die Produktionsprozesse?
Die sogenannten Erstanwender also sind in den USA mit 25 %, in China mit 23 % und in Indien mit 19 % besonders stark vertreten. China, um das noch hinzuzufügen, hat im letzten Jahr durch den Staatsrat einen sogenannten Entwicklungsplan für die künstliche Intelligenz der nächsten Generation beschlossen, der eine dreistufige Entwicklungsstrategie zur Errei­chung der Weltvorherrschaft bis zum Jahr 2030 als Ziel festgelegt hat.
Alleine in der Stadt Pingxiang, nahe Peking, wurden 5 Milliarden Dollar in einem Fonds zur Unterstützung der KI-Industrie an diesem einen Standort bereitgestellt. Deutschland wiede­rum liegt bisher weltweit im Mittelfeld. Es stellt sich die Frage, ob wir insgesamt in diesen Prozessen mithalten können.
Wenn es nach Professor Wahlster von dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz geht, ist das so. Er ist der Meinung, dass zwar ein Rückstand in der Auswertung von Konsumentendaten besteht und Europa da zu Recht zurückhaltend ist, aber beispiels­weise bei Werkzeugmaschinenbau, Medizintechnik und Agrarmaschinen und auch Haus­haltsgeräten sei Deutschland genauso führend wie bei der Sensorik, die im Zusammenhang mit KI-Robotern und KI-basierten Produktionsplanungssystemen von entscheidender Bedeu­tung sei.
Es gibt also zur Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie und damit auch der NRW-Industrie sehr unterschiedliche Stimmen.
Aber die Arbeitnehmerseite ist mindestens genauso wichtig. Wie viele Arbeitsplätze und wel­che werden wegfallen? Welche Folgen hat das Crowdsourcing, also die Entkoppelung von bisher normalen Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnissen? Welche Folgen entstehen für die Existenzsicherung, für Sozialsysteme, für das Arbeitsrecht, für Renten und vieles mehr? Wel­che Auswirkungen hat KI auf Anzahl, Struktur und Entwicklung von Arbeitsplätzen insgesamt sowie auf die Notwendigkeit von Weiterbildung?
Wir können also zusammenfassen: Insgesamt geht es auch um Standortfragen bei For­schung, bei Universitäten und bei Hochschulen.
Meine Damen und Herren, wer sich mit Gewerkschaften unterhält, merkt schnell, dass es erhebliche Sorgen gibt. Nicht umsonst und nicht zufällig führen der DGB und die IG Metall zu diesen Themen zurzeit große Kongresse durch.
Die Arbeitnehmerfragen, die Fragen also, wie die einzelnen Menschen in der Zukunft von diesen Entwicklungen betroffen sind, sind wichtige Fragen auch für unsere Menschen in NRW. Insofern kann diese Kommission jedenfalls aus grüner Sicht wichtige Beiträge zur Pro­duktions- und Arbeitswelt in Nordrhein-Westfalen leisten. Wir werden der Einrichtung zustim­men, und ich freue mich auf die Zusammenarbeit.
(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)