Horst Becker: „Diese Regierung muss langsam raus aus dem Wollen-Modus“

Antrag der Fraktion der SPD zum Braunkohlegebiet-Strukturwandel

Horst Becker (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte mir eigentlich überlegt, zu sagen: Es ist gut, dass wir heute über den Strukturwandel reden – ein Strukturwandel, der unweigerlich kommen wird, und von dem schon lange klar ist, dass er unweigerlich kommen wird.
Wir alle wissen, dass er unter anderem aus Gründen des Klimawandels kommen muss. Wenn wir ehrlich sind, wissen wir aber auch, dass wir schon seit einigen Jahren im Strukturwandel sind. Die Zahl der Arbeitsplätze im Braunkohletagebau hat schon deutlich abgenommen, und die Bedeutung des Braunkohletagebaus hinsichtlich der Arbeitsplätze hat stark nachgelassen.
Herr Bombis, insofern sind Sie etwas hinter den Antrag und dessen Diktion zurückgefallen. Ich will an dieser Stelle gerne etwas dazu sagen. Die Frage, ob man Strukturwandel gestalten kann oder ob Strukturwandel sozusagen über einen kommt, hängt zunächst ganz wesentlich davon ab, ob man anerkennt, dass der Strukturwandel auf einen zukommt und dass es tatsächlich den Bedarf gibt, sich zu verändern.
Da kann man nicht immer weiter an alten Strukturen festhalten; denn das verhindert – das haben wir schon an anderen Stellen des Landes gesehen – den Strukturwandel, so wie er angemessen wäre. Deswegen geht die ewige Leier der Versorgungssicherheit – das AgoraGutachten hat längst etwas anderes nachgewiesen – an dieser Stelle fehl.
(Stefan Kämmerling [SPD]: Davon steht hier aber nichts drin!)
–  Sie haben dazu nichts gesagt, sondern er hat dazu etwas gesagt.
Ich will abweichend von meinem Manuskript direkt etwas zur regionalen Struktur der ZRR sagen. Es ist durchaus infrage zu stellen, ob die drei Schwerpunkte, so wie sie jetzt zu einem Gebiet verbunden sind, idealtypisch zu einem richtigen Gebiet verbunden sind. Es ist ein wesentliches Motiv, dass man die Bereiche Energiesicherheit, Versorgungssicherheit und Chemische Industrie räumlich damit verbunden hat. Ob es am Ende des Tages reichen wird, eine solche Positionierung vorzunehmen, wenn man GRW-Mittel bekommen will, halte ich zumindest für zweifelhaft.
Vorweg: Wir werden diesem Antrag heute zustimmen, weil wir der Meinung sind, dass GRW- Mittel auch in diese Region gehören, und zwar über die Steinkohleabbaugebiete hinaus. Das ist doch der eigentliche Punkt: Das war ein Steinkohleabbaugebiet und nicht ein Braunkohleabbaugebiet.
Schauen Sie sich an, wie sich die Lausitz positioniert, wie sich die räumliche Konzentration darstellt und wie sich die Bedürfnisse von strukturschwachen Gebieten überhaupt darstellen. GRW – das ist ein Mittelansatz für strukturschwache Gebiete. Ob das gesamte in Rede stehende Gebiet ein strukturschwaches Gebiet ist, kann durchaus in Zweifel gezogen werden. Ob die räumliche Abgrenzung also dazu geeignet ist, tatsächlich GRW-Mittel zu bekommen, darf man durchaus infrage stellen. Es ist jetzt aber so, wie es ist, und wir haben die ZRR in der heutigen räumlichen Abgrenzung.
Ich will deutlich machen, dass die räumliche Abgrenzung das eine oder andere Problem zeitigt. Wenn wir heute über Verkehrswege reden, zum Beispiel in der ZRR, dann stellen sich einige Fragen: Meinen wir solche Verkehrswege, die sich auf die drei Oberzentren zubewegen? Meinen wir Verkehrswege, wie sie zum Beispiel in der Lausitz diskutiert werden, mit schnellen Zugverbindungen? Oder meinen wir beispielsweise einen vollständigen dreigleisigen Ausbau der Strecke Köln – Aachen, was strukturell für die Region wichtig wäre? – Das ist unklar. Das wird in den drei Teilräumen sehr unterschiedlich behandelt.
Das geht sogar so weit, Herr Herter, dass beispielsweise Aachen den Ausbau der A 1 als besondere Maßnahme für das Rheinische Revier in ein Positionspapier aufgenommen hat. Mit Verlaub, das ist einfach – Entschuldigung – gaga. Genauso gaga ist es, die in unserer Regierungszeit gemeinsam vorangetriebene Realisierung des RRX jetzt plötzlich als Maßnahme des Rheinischen Reviers anzugeben, obwohl wir sie ohnehin gefördert bekommen. Genauso dumm ist es – Entschuldigung, ich sage das einfach mal so –, den Exzellenzcampus Aachen jetzt plötzlich als Maßnahme für das Rheinische Revier aufzuschreiben.
Sie sind insgesamt wenig konkret, Herr Pinkwart. Gestern habe ich auf die Fragestellung, was denn diese Landesregierung mache, vernommen, dass am Freitag mittelfristige und langfristige Maßnahmen vorgestellt würden. Die kennen wir alle nicht. Vielleicht ist das ist eins zu eins das 42-Seiten-Papier der ZRR. Darum bin ich gespannt darauf, das zu hören. Jedenfalls stellt sich die Frage, was eigentlich die Aufgabe dieser Landesregierung ist.
Sie haben gestern ausgeführt, dass die Landesregierung zunächst nur sagen kann: Der Fahrplan kann nur sein, dass wir die Kommission arbeiten lassen. Dabei kommt die Kommission hoffentlich zu einem Ergebnis, das für alle betroffenen Teile – für die Bürger, die Arbeitnehmer, die Wirtschaft und auch für unsere Umwelt – verantwortbar ist. Das ist die Aufgabe. – Ja, das ist die Aufgabe der Kommission, aber Aufgabe dieser Landesregierung wäre es, dazu Vorschläge zu machen und sie hier im Parlament mit uns zu diskutieren.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Was ich jetzt seit Monaten höre, sind immer nur Schlagworte: Wir wollen Innovation, wir wollen Entfesselung, wir wollen ein Batteriewerk. – Wenn man dann konkreter wird, findet sich von alledem nichts.
Das Papier der ZRR beinhaltet die Forderung auf Ausweitung des GWR-Gebiets – meine Damen und Herren von der SPD, das ist auf Seite 16 des Papiers nachzulesen – sowie andere Forderungen. So wird beispielsweise gefordert, für diesen Raum möglicherweise eine einheitliche Sonderzone einzurichten. Das ist ein bisschen anders formuliert, aber das ist faktisch genau das, was gefordert wird.
Ich nenne das Stichwort „planerische Erleichterungen“. Sie reden immer von Entfesselung, aber an dieser Stelle wird nichts entfesselt. Es wird nichts dargestellt, wodurch sich planerische Erleichterungen ergeben könnten. Sie gehen nicht hin und erklären dem Landtag und der Region, wie Sie zwischen Bund, Land, Regionalräten, Kreisen und Kommunen in der vertikalen Struktur diese Aufgaben lösen wollen. Sie erklären überhaupt nicht, wie Sie zu einem Batteriezellwerk kommen wollen.
Wer gestern den „Tagesspiegel“ und den „Spiegel“ gelesen hat, der konnte feststellen, dass Herr Altmaier auf einem ganz anderen Weg ist. Wir haben die ganze Zeit etwas vom zukunftsweisenden Batteriewerk für Euskirchen gehört; Tesla war da zuletzt in Rede. Vorher war ein asiatisches Unternehmen in Rede, und das ist inzwischen in Gera.
Herr Altmaier spricht von 1 Milliarde Euro für ein Batteriezellwerk, für ein Forschungswerk in der Lausitz. Wo sind Sie da? Ich höre Sie nicht. Sie reden immer: „Wir wollen, wir wollen“, aber Sie können nicht. Sie tun nichts!
(Zuruf von Ministerpräsident Armin Laschet)
–  Herr Laschet, wenn das Quatsch ist, dann gehen Sie hier an das Rednerpult und sagen Sie, was Sie dafür getan haben. Dann lerne ich mal die Fakten kennen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Aber nein, Sie sagen immer nur: Sie wollen, Sie wollen. – Sie sind jetzt seit eineinviertel Jahren am Wollen. Gehen Sie endlich mal zum Machen über, oder gehen Sie wieder in die Opposition! Das Wollen reicht nicht mehr!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von der CDU)
Sie sind jetzt lange genug dran, und ich sage Ihnen: Diese Regierung muss langsam raus aus dem Wollen-Modus und rein in den Arbeitsmodus kommen, damit diese Region tatsächlich eine Chance hat.
(Zuruf von der FDP)
Das Einzige, wo Sie konkret sind, ist immer wieder die Leier: Die Braunkohle muss länger verstromt werden.
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Entschuldigung, das war Ihre Entscheidung!)
Genau das wird den Strukturwandel …
(Zurufe von der CDU und der FDP)
Genau das wird den Strukturwandel…
(Unruhe – Glocke)
verhindern und nicht befördern. Sie sind immer wieder nur im Rückwärtsgang statt im Vorwärtsgang.
(Unruhe)
Ich sage Ihnen deswegen noch einmal: Sagen Sie diesem Parlament am Freitag, was Sie zum Strukturwandel vorschlagen. Wenn Sie das nicht tun, müssen Sie sich genau die Vorwürfe gefallen lassen, wie ich sie Ihnen gerade gemacht habe.
(Beifall von den GRÜNEN) 

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