Horst Becker: „Die Verkürzung von zwei Monaten auf einen Monat verhindert keine jahrelangen Verfahren“

Zum Entwurf der Landesregierung zum Landesplanungsgesetz - zweite Lesung

Horst Becker (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal fange ich damit an, wo der Kollege Deppe recht hat. Die Verfahren dauern lange; sie gehen teilweise über zwei Jahre, teilweise auch länger.

Nicht recht hat er damit, dass das daran liegt, dass es Erörterungstermine bzw. Fristen von zwei Monaten gibt. Die Verkürzung von zwei Monaten auf einen Monat verhindert keine jahrelangen Verfahren.

Jahrelange Verfahren werden durch ordentlich ausgestattete Behörden und ordentliche Beteiligungen verhindert, und zwar im Vorfeld und nicht dadurch, dass Sie Fristen verkürzen. Zwar sagen Sie in Bezug auf die Naturschutzverbände, dass sie in den Verfahren im Vorfeld beteiligt sind und insofern Zeit genug gehabt hätten. Die Verfahren werden aber nicht nur von Naturschutzverbänden begleitet. Sie wissen genauso gut wie ich, dass es auch Bürgerinitiativen gibt und dass es an verschiedenen Stellen ganz verschiedene Gruppen gibt, die sich beteiligen wollen. Diese Gruppen – übrigens auch Träger öffentlicher Belange – sind nicht alle in der Lage, innerhalb von vier Wochen qualifizierte Stellungnahmen abzugeben – und das möglicherweise sogar noch, wenn diese vier Wochen teilweise oder ganz in den Ferien liegen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist aus meiner Sicht insbesondere bei der Neuaufstellung oder der wesentlichen Änderung von Regionalplänen ein absolutes Entmachten der öffentlichen Beteiligung.

Sie haben gesagt, da es nur marginale Änderungen seien, sei der Punkt so spät gekommen. Ich habe eher umgekehrt den Eindruck, dass es hier im Haus eine deutliche Mehrheit gibt, die es deswegen so spät behandelt, weil eben nicht deutlich werden soll, dass in diesen Dingen die öffentliche Beteiligung deutlich zurückgeschraubt wird.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf: Quatsch!)

– Das ist überhaupt kein Quatsch. – Meine Damen und Herren, Sie reden davon, dass der Ausgleich der Meinungen von Ihnen jetzt beibehalten werde. Aber Sie verschweigen dabei, dass die Erörterungstermine, die bisher ein ganz wesentlicher Bestandteil zum Ausgleich der Meinungen und zum Erörtern gewesen sind, gestrichen worden sind und nur noch optional stattfinden. Die Vorschrift, dass man sie durchzuführen hat, um den Ausgleich der Meinungen herbeizuführen, ist nicht mehr vorhanden.

Die Erörterungstermine können optional vom Regionalplanträger vorgegeben werden. Das heißt: Die Mehrheit des Regionalrates Köln, die genau diese Stellungnahme verfasst hat, würde dann in Zukunft darüber entscheiden, ob es optional tatsächlich überhaupt noch zu einem solchen Erörterungstermin kommt. – Auch das ist eine klare Beschneidung von Rechten und höhlt den Willen zum Ausgleich der Meinungen, den Sie auf dem Papier noch stehen lassen, in der Tat aus.

Meine Damen und Herren, auch die Arbeiten der Regionalratsfraktionen werden erschwert. Ich weiß, wovon ich rede. Ich habe dieser Strafkolonie der Demokratie über 25 Jahre angehört, und zwar erst dem Bezirksplanungsrat und dann dem Regionalrat.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Ich weiß ganz genau, was dort passiert. Sie gehen hin und sagen, dass die fristgemäß eingegangenen Stellungnahmen über das Ergebnis von Erörterungen auch der Behörde, nicht mehr in Gänze den Regionalratsfraktionen, vorgelegt werden müssen. Das ist gekoppelt mit Begrifflichkeiten wie „abwägungsrelevante Unterlagen können weitergegeben werden, aber auch Beschränkungen auf einzelne Aspekte der Stellungnahmen sind von der Behörde möglich“ eine deutliche Einschränkung der Kompetenzen der Regionalratsfraktionen und insofern auch eine Entdemokratisierung.

Auch bei den Änderungen der Abweichungsbefugnisse bei den Braunkohleplänen erschweren Sie die Bürgerbeteiligung.

Das wird ganz deutlich den Ministerien in die Hand gegeben, und es stellt sich die Frage, wer denn eigentlich für die Kriterien zur Abweichung und Beschleunigung der Vorhaben und der Vorgaben verantwortlich ist. Das kann die Zivilgesellschaft sein. Ihr Gesetz lässt es beispielsweise aber auch zu, dass das Ministerium das mit der Landesregierung oder – das könnte man polemisch auch sagen – mit der Landesregierung und RWE abstimmt.

Auch die Experimentierklauseln sind letztlich so angelegt, dass das Ministerium eine Entscheidung vorgeben kann. Eine Entscheidung mit dem Parlament ist nicht vorgesehen, es sei denn, eine Ausschussmehrheit legt das fest.

Alles in allem kann ich nur sagen, so wie es auch die Sachverständige getan hat: Es ist an dieser Stelle ganz deutlich nötig, dass Sie Ihre Gesetze schärfen, dass Sie Ihre Gesetzesbegründung auch in diesem Punkt nachbessern. Selbst wenn der einzige positive Punkt, nämlich die digitalen Möglichkeiten, von uns begrüßt wird, ist der Rest doch so schlimm, dass wir ihn ablehnen werden.

An die Kollegen der SPD: Zu sagen, es stimmt nicht mit allem überein, dann aber zuzustimmen, offensichtlich in der Hoffnung, dass man diese Instrumentarien selber nutzen kann, geht meiner Meinung nach deutlich an dem vorbei, was Sie sich ansonsten beim Thema „Bürgerbeteiligung“ auf die Fahnen schreiben. Insofern vertreten wir da unterschiedliche Positionen, und die werden wir auch weiterhin vertreten.

Ich sage Ihnen voraus: Dieses Gesetz wird die Sommerpause 2023 auf keinen Fall überstehen. – Schönen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN )

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