Horst Becker: „Die angekündigten Überbrückungshilfen reichen für diese Branchen hinten und vorne nicht“

Antrag der "AfD"-Fraktion zur Unterstützung der Reisewirtschaft

Horst Becker (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Reaktionen auf die Tatenlosigkeit der Bundesregierung und der Landesregierung in diesem Bereich brechen sich in Demonstrationen und Zuschriften Bahn. Diese Zuschriften und Demonstrationen sind berechtigt – das ist unsere Auffassung. Die Debatte ist auch nicht wirklich neu.
Wir von den Grünen haben Anfang April einen Antrag für einen Rettungsschirm unter anderem für diese Branche gestellt. Der ist von den Koalitionsfraktionen seinerzeit interessanterweise mit dem Hinweis abgelehnt worden, dass sie darauf warten wollten, was aus Berlin komme. – Aus Berlin ist ein Paket gekommen. Es ist ein großes Paket, aber die angekündigten Überbrückungshilfen reichen für diese Branchen hinten und vorne nicht. Das ist eigentlich eine klare Angelegenheit.
Herr Bombis, wenn Sie immer wieder sagen, Sie wollten helfen, ist schon die Frage berechtigt, wie diese Hilfe tatsächlich aussieht, denn allein die Reisebüros sprechen von Umsatzverlusten von rund 20 Milliarden Euro. –Und das ist nur bis heute. Wir haben die Krise für den Tourismus und für die Reisebüros ja noch längst nicht überwunden.
Hinzu kommen Gastronomie, Hotellerie, Veranstaltungsgewerbe, Messebau, Diskotheken, Marktbetreiber, Schausteller, Musiker, Schauspieler usw. Bis heute wartet also diese gesamte saisonabhängige Branche im Dienstleistungssektor darauf, Gehör zu finden.
Ich verweise auch auf die Diskussionen, die wir unter anderem im Wirtschaftsausschuss gehabt haben. Herr Rehbaum als wirtschaftspolitischer Sprecher betont immer wieder, dass er als Reisebusunternehmer wisse, worüber er rede. – Es ist allerdings nicht zu spüren, dass es mit dem Wissen so weit geht, dass irgendwo tatsächlich eine wirkungsvolle Maßnahme durchdringt.
Herr Bombis, wenn Sie stetig wiederholen, die NRW-Koalition wolle, dann kann ich nur sagen, dass NRW in diesem Fall offensichtlich für „Nicht Richtig Wollen“ steht, weil Sie bis jetzt nicht geliefert haben.
(Beifall von den GRÜNEN – Heiterkeit und Zuruf von Ralph Bombis [FDP])
Ich möchte kurz zum vorliegenden Antrag der AfD kommen. Es ist das bekannte Muster: Die AfD versucht wieder einmal, auf einen fahrenden Zug aufzuspringen. In der Substanz hat die AfD, außer populistischen Vereinfachungen, nichts zu bieten. Handwerklich ist das, was Sie anbieten, unterirdisch.
Zunächst wollen Sie, dass sämtliche Reisebüros ihre vertraglichen Betriebsgeheimnisse offenlegen – um nichts anderes handelt es sich nämlich, wenn es um die Provision geht, die die Reisebüros von den Veranstaltern bekommen.
Dann wollen Sie an diese Provision die Unterstützung binden, das heißt, darauf fußend berechnen. Das hat zum Ergebnis, dass der Staat diejenigen, die am Markt aufgrund einer besseren Verhandlungsposition ohnehin im Vorteil sind, zusätzlich bevorteilt.
Das Allerschönste ist: Im Gegenzug für diese marktverzerrenden Hilfen wollen Sie dann auch noch, dass die Reisebüros sich verpflichten, Kurzarbeit zu beantragen und die Arbeiten an dieser Stelle ganz einzustellen.
Spätestens hier wird klar, dass Sie am Ende nicht zuhören, denn die Reisebüros sind nicht unterbeschäftigt. Sie können keine Kurzarbeit beantragen, sie sind nämlich mit Stornierungen und dem eigenen Überleben beschäftigt.
In diesem Zusammenhang würde ich gerne darauf verweisen, dass im Wirtschaftsausschuss bei den Anhörungen zu Fragen des Tourismus vonseiten Tourismus NRW und DEHOGA die Hinweise kamen, dass die beste Förderung, die Sie für den Tourismus in NRW bieten könnten, wäre, das fremdenfeindliche Gerede in diesem Land zu beenden, denn das halte Menschen davon ab, zu uns nach NRW zu kommen. – Schönen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)
Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Abgeordneter Becker, Sie haben angezeigt bekommen, dass erneut eine Kurzintervention der AfD-Fraktion durch Herrn Abgeordneten Loose angemeldet worden ist. – Erneut 90 Sekunden Redezeit; Herr Abgeordneter Loose, Ihre Kurzintervention.
Christian Loose (AfD): Danke, Frau Präsidentin. – Ich muss einhaken, weil Herr Becker anscheinend eine Passage nicht verstanden hat. Wir erstellen nämlich keine populistischen Schauanträge, sondern wir durchdenken das ganze System.
(Lachen – Zuruf: Das ist neu!)
Deshalb haben wir natürlich an einer Stelle darauf abgestellt, dass die Reisebüros nicht die halbe Familie anstellen und daraufhin 80 % ihrer Betriebskosten erstattet bekommen. Stattdessen müssten sie natürlich auf das notwendige Niveau gemessen an dem, was jetzt noch an Arbeit da ist, herunter. Als Basis gilt April und Mai.
Wir haben das übrigens mit den Reisebüros abgesprochen, die sich sofort einig waren und gesagt haben: Ja, klar, sonst stellen einige Cousinen, Cousins, Opas etc. ein. Dann werden alle angestellt, und dann gibt es darauf 80 % Betriebskosten erstattet.
Deshalb gibt es diese Passage; Schadensminderungspflicht nennt man das im juristischen Bereich. Das haben wir eingefügt, weil wir einen sachlich korrekten Antrag einbringen wollten und nicht irgendeinen populistischen Blödsinn, wie es sonst die Grünen gerne machen. Wir sind sachorientiert herangegangen und haben das, was wir beantragen, mit den Reisebüros entsprechend abgestimmt. – Danke schön.
(Beifall von der AfD)
Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Abgeordneter Becker, Sie haben das Wort zur Erwiderung. Wenn Sie sich einmal kurz eindrücken könnten, kann ich Ihnen das Mikro freischalten. – Bitte sehr, Herr Abgeordneter Becker.
Horst Becker (GRÜNE): Schönen Dank. – Sie haben an einer Stelle recht: Wir haben kein gemeinsames Verständnis. – Das stimmt, und das bleibt wahrscheinlich auch weiterhin so.
Ansonsten bleibe ich dabei, dass es aus den Gründen, die ich genannt habe, absoluter Unsinn ist, das an die Provision zu binden.
Im Übrigen möchte ich die Redezeit von Ihnen nicht immer wieder dadurch verlängern, dass ich auf Ihre Kurzinterventionen lange erwidere.
(Beifall von den GRÜNEN)