Horst Becker: „Das ist keine Frage der Westgrenze und auch keine Frage der Migration“

Antrag der "AfD"-Fraktion zu grenznahen Kontrollflächen

Horst Becker (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Krauß und auch andere Kollegen haben eben schon darauf verwiesen, dass dieser Antrag eine Geschichte hat – eine Geschichte, die im letzten Jahr im Juli angefangen hat. Es war ein Antrag, der mit „Illegale Immigration an der der NRW-Westgrenze stoppen“ überschrieben war und unter anderem unter Punkt 3 die Forderung hatte, eine Grenzpolizei nach dem Vorbild Bayerns einzurichten.
Nun zitieren Sie aus der Anhörung einzelne Forderungen der GdP und des Bundes Deutscher Kriminalbeamter. Sie lassen aber weg, in welchem Kontext Sie diese Forderungen stellen. Der Kontext ist nach wie vor der, den Sie damals beantragt haben.
Ich kann Ihnen deutlich sagen: Es gibt nichts Richtiges im Falschen. Man muss schon sehen, in welchem Kontext solche Dinge, wie Sie sie da fordern, gefordert werden.
(Beifall von den GRÜNEN und Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD])
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch einiges zu wenigen anderen Punkten sagen.
Zunächst einmal ist es so, dass Haltebuchten sehr massiv ausgebaut werden. Das liegt im Wesentlichen in der Zuständigkeit des Bundes. Die Halteplätze an den Autobahnen werden ausgebaut, auch ganz erheblich in NRW. Insofern sind diese Gelegenheiten in absehbarer Zeit an vielen Stellen zusätzlich vorhanden. Sie sind natürlich nicht nur im grenznahen Raum, an der sogenannten Westgrenze, wie Sie schreiben, zu schaffen, sondern sie sind generell zu schaffen.
Allerdings sind die Halteplätze nicht nur zu schaffen, um – wie Sie wollen – illegale Migration zu stoppen, sondern sie sind aus unserer Sicht sowohl zu schaffen, damit die Lkw-Fahrer halbwegs vernünftige Bedingungen haben, als auch weil eine ganze Reihe von Kontrollen, bei denen ich mich manchmal frage, wie Sie dazu stehen und wie man dazu insgesamt im Haus und auch in den Ministerien steht, stattfinden sollte.
Ich will einige nennen, die nach meiner Ansicht viel zu wenig stattfinden:
90 % der Lkw, die über unsere Autobahnen rollen, haben ausgeschaltete Tempobegrenzer. Sie dürften eigentlich nur 93 km/h fahren, sie fahren aber teilweise erheblich schneller, weil sie die Tempobegrenzer manipuliert haben.
Wir haben viel zu wenige Gewichtskontrollen. Von den Lkw, die nicht leer fahren, sind nach allen Statistiken, die wir alle zusammen kennen, wenn wir uns damit beschäftigen, über 30 % erheblich überladen und schädigen ganz massiv unsere Infrastruktur. Das wird viel zu wenig kontrolliert.
Lenkzeiten werden nach wie vor viel zu wenig überprüft. Dadurch passieren immer wieder Unfälle.
Und es gibt, wie eine Anfrage des Kollegen Klocke und von mir gezeigt hat, ein massives Problem mit abgeschalteten Harnstoffeinspritzungen bei Lkw insbesondere aus dem früheren Ostblock, weil man dort die AdBlue-Beimischung einsparen will.
Das sind jetzt nur einige wenige Themen, ich könnte mehr aufzählen.

Was wir brauchen, ist eine von Bund und Ländern abgestimmte Strategie, um alle Verstöße zu verfolgen, die rund um Lkw-Fahrten auf unseren Autobahnen stattfinden, teilweise verbunden mit erheblicher Unsicherheit für die Pkw-Fahrerinnen und -Fahrer, um dann hinterher in der Zusammenarbeit eine höhere Wirksamkeit zu erzielen. Das ist jedenfalls unsere Meinung zu diesen Problematiken.
Ich weiß – ich kenne das ja noch aus dem eigenen Erleben –, dass dies immer eine Diskussion zwischen dem Innenministerium und Verkehrsministerium, zwischen Bund und Land und den verschiedenen Zuständigkeiten ist. Das ist so. Das ist klar und auch nicht ganz einfach.
Aber das müssen wir zusammen angehen. Das ist keine Frage der Westgrenze und auch keine Frage der Migration, sondern es ist ein allgemeines Problem.
(Beifall von den GRÜNEN und Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD])

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Becker. Wie Sie vielleicht bemerkt haben, hat sich Herr Kollege Vogel jetzt zu einer Kurzintervention gemeldet. – Herr Kollege Vogel, bitte drücken Sie sich ein, dann ist Ihr Mikrofon auch freigeschaltet.

Nic Peter Vogel (AfD): Danke schön. – Das mag Sie jetzt extrem überraschen, aber ich gehe mit fast allem, was Sie gesagt haben, konform, wobei ich dennoch der Meinung bin, dass Sie mit diesen Forderungen, die Sie aufgestellt haben, gerade ein wenig am Thema vorbei sind. Es ist ein interessantes Thema, es ist ein gutes Thema.
Ich bin auch für mehr Kontrollen gerade bei Lkw-Speditionen, was vor allem die Fahrtzeiten angeht, alleine um die Preisspirale nach unten zu begrenzen; denn dann bekommen wir auch wieder mehr Güter auf die Schiene. Aber sind Sie nicht der Meinung, dass gerade explizit dort angefangen werden sollte, wo wir tatsächlich eine massive Bedrohung durch grenzüberschreitende Kriminalität haben? Dazu zähle ich illegale Migration, aber auch den Drogenschmuggel und den Menschenhandel sowie andere Dinge. Sollte man nicht da vielleicht primär anfangen? – Danke.
Horst Becker (GRÜNE): Es war eine Kurzintervention, und ich kann auf diese Kurzintervention auch sehr kurz antworten. Ich bin der Meinung, dass das, was ich eben gesagt habe, richtig ist. Wir sollten uns mit all diesen Fragen intensiv beschäftigen, aber nicht ein Problem an der Westgrenze oder irgendwo anders thematisieren, wie Sie das tun; denn Sie kommen ja letztlich immer zu der gleichen Bedrohung.
Wenn ich mit dem Auto – und das tue ich hin und wieder –
(Henning Rehbaum [CDU]: Was?)
aus dem Rhein-Sieg-Kreis nach Düsseldorf fahre, erlebe ich alleine auf dem Teilstück von Köln nach Leverkusen Dinge, von denen ich nur sagen kann, dass eine der größten Bedrohungen schlafende Lkw-Fahrer sind, die auf ein Stauende zufahren, und nicht das, was Sie schildern.
(Beifall von den GRÜNEN und Lisa-Kristin Kapteinat [SPD])