Horst Becker: „Das ist ein Teil der Entwicklung, die an uns vorbeigegangen ist“

Antrag der "AfD"-Fraktion zu FORD in Köln

Horst Becker (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es jetzt wieder mit einem Antrag zu tun, der versucht, alle Vorurteile, die die Partei AfD hier in den letzten Monaten und Jahren in dieses Parlament ausgegossen hat, wieder in einen Sachverhalt hineinzudichten, der nichts damit zu tun hat.
Zunächst einmal – das will ich an dieser Stelle bei allem Respekt vor der Firma Ford sagen – ist die Krise von Ford nicht die Krise dieses Landes, sondern es ist die Krise einer verfehlten Modellpolitik. Wer sich mit der Fragestellung von Ford auseinandersetzt, wird feststellen, dass es ein ähnliches Problem wie bei Opel gibt und gab, nämlich dass sich dieser Konzern, aus den USA gesteuert, nicht mit den europäischen Trends und den weltweiten Trends insbesondere bei kleineren Fahrzeugen hinreichend auseinandergesetzt hat, sondern einige Trends verschlafen hat.
Wer sich die Modellpalette anguckt, der weiß, dass die letzte große Innovation bei Ford der Dreizylindermotor war, der ziemlich sparsam und trotzdem sehr spritzig ist. Ansonsten wurde vieles verschlafen.
Zum Beispiel bei der Hybridtechnologie ist Ford sehr rückständig; bei der Elektrotechnologie will man bis 2028 genügend Fahrzeuge auf den Markt bringen. Die Entwicklung ist ja ganz woanders. VW zum Beispiel will im nächsten Jahr eine erhebliche Plattformmenge in den Markt stoßen und wird bis 2020 mindestens fünf verschiedene Modelle in Großserie haben – übrigens auch mit einem Modellkasten ähnlich wie bei den Benzinern und den Dieseln. Dieser Modellkasten wird inzwischen sogar an andere verkauft, und zwar hier Nordrhein-Westfalen an die Firma e.GO. e.GO hat erklärt, nach dem e.GO Life werden die nächsten Fahrzeuge zusammen mit VW auf dieser Plattform gebaut.
Was zeigt uns das? – Das zeigt uns genau wie der Effekt, dass China sich sicherlich nicht danach richten wird, was hier im Landtag Nordrhein-Westfalen beschlossen wird, dass tatsächlich Entwicklungen da sind, die Strukturbrüchen gleichen, die aber nicht dadurch aufzuhalten sind, dass wir mit dem Fuß aufstampfen und sagen, dass wir beim Alten bleiben.
Jeder, der sich da nicht mit bewegt und sich ein Stück weit innovativ verhält, wird ein erhebliches Problem haben. Dabei ist überhaupt nicht entscheidend, ob wir sagen, bis 2030 muss eine Umstellung bei Neufahrzeugen erfolgen oder ob das zwei Jahre früher oder fünf Jahre später ist als in Norwegen. Dort sind inzwischen über die Hälfte der Autos E-Fahrzeuge. Entscheidend ist vielmehr, dass man sich auf den Weg macht und dass man tatsächlich auch kooperiert.
Wer hätte vor drei oder vier Jahren gedacht, dass BMW und Mercedes tatsächlich zusammen Entwicklungen vorantreiben, weil sie diesen Brüchen anders nicht Herr werden? Wer hätte gedacht, dass diese Firmen beim autonomen Fahren zusammenarbeiten? Wer hätte gedacht, das Ford mit StreetScooter – der Ausgründung aus Aachen, die in Düren produziert – den Work XL produziert, übrigens auch einen Teil der Menge von 15.000 Work XL auf dem Chassis von Ford?
Das sind alles Kooperationen, die in diesen Strukturbrüchen, die wir nicht verhindern können, tatsächlich stattfinden. Das heißt, wir müssen unsere Unternehmen durch Innovationen – das ist ein beliebtes Wort – zukunftsfähig aufstellen und dürfen nicht rückständig auf das Gestern beharren.
 (Beifall von den GRÜNEN)
Lassen Sie mich noch ein wenig zu Batterien und dem Hype um Batteriewerke sagen. Es ist bezeichnend für die deutsche Automobilindustrie, dass sie in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer wieder Förderungen auch für die Batterietechnik genoss. Diejenigen, die sich mit dem Thema auseinandersetzen, wissen, dass Smart bereits kurz nach der Jahrtausendwende in London und später auch in Berlin Fahrzeuge mit Elektrotechnik fahren ließ.
Trotzdem haben sie diese Entwicklungen sehr lange nicht weiter forciert. Firmen wie Mercedes und BMW haben mit Bundeszuschüssen in diesem Bereich geforscht und haben das vor anderthalb, zwei Jahren eingestellt, um es jetzt wieder neu zu beginnen.
Es ist meine persönliche Überzeugung, dass wir nun an einem Punkt sind, wo wir zwar Batteriewerke noch nach Nordrhein-Westfalen bekommen werden. Die eigentlich innovativen Produkte sind jedoch die Zellen. Ob wir hier tatsächlich noch konkurrenzmäßig Zelltechnik hinbekommen oder ob wir die Batterien hier nur noch großserienmäßig zusammenbauen, ist eine große Frage in der Zukunft. Ich bin skeptisch, dass es uns gelingt, die Zelltechnologie, die in Korea, in China und zum kleinen Teil in Japan bei Panasonic stattfindet, hier Nordrhein-Westfalen anzusiedeln.
Wer jetzt nicht den Schwung zu Elektrofahrzeugen und in der Perspektive in 10, 15 Jahren auch zu Wasserstofffahrzeugen schafft, der sorgt dafür, dass diese Arbeitsplätze aus Deutschland verschwinden. Jeder, der das leugnet, ist von gestern und sorgt dafür, dass Arbeitsplätze verschwinden und nicht hierbleiben. – Schönen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Becker. Auch Sie haben sicherlich bemerkt, dass eine Kurzintervention von Herrn Kollegen Loose angemeldet wurde. Ich schalte Herrn Kollegen Loose das Mikro frei.

Christian Loose (AfD): Danke. Sie sagten, wir dürfen nicht beim Alten bleiben, Herr Becker. 1888 gab es das erste Elektroauto in Deutschland von der Firma Flocken. Im Jahre 1900 gab es das erste Hybridfahrzeug. Die Batterietechnik ist grundlegend seit 200 Jahren erforscht. Das Nokia 3110 – ein alter Knochen – hatte vor 20 Jahren eine Akkukapazität von 1.000 Milliamperestunden, ein iPhone 5 von 1.500 Milliamperestunden nach 15 Jahren.
Die Industriestrompreise sind in Deutschland 25 % höher als in den wichtigsten konkurrierenden Märkten. Mit dem Kohleausstieg geht es noch weiter nach oben. Bereits in den Dreißigerjahren des letzten Jahrhunderts fuhren prozentual gesehen mehr Elektroautos in Deutschland als heute. Die DDR hatte vor 30, 40 Jahren bereits Elektroautos.
Das alles sind alte Techniken. Dahin wollen Sie anscheinend wieder zurück – in die Dreißigerjahre des letzten Jahrhunderts. Das ist Ihr Ziel.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Loose. (Zuruf von der AfD)
Herr Becker, Sie kennen die Spielregeln. Wenn Sie mögen, dürfen Sie antworten, (Unruhe – Glocke)
und einen Teil des Hauses könnte es auch interessieren. (Zuruf: Sie sind auch von 1888!)

Horst Becker (GRÜNE): Wenn ich freundlich wäre, würde ich sagen „Und täglich grüßt das Murmeltier“, weil Sie mit den frühen Elektrofahrzeugen kommen.
Aber ich will Ihnen gerade zu dem gewählten Beispiel mit den 1.500 Milliamperestunden bei Apple – das übrigens bei den neueren Apple-Geräten so nicht stimmt – und dem Vergleich zu Nokia etwas sagen.
Wenn Sie das mit Geräten von Huawei und anderen vergleichen würden, würden Sie feststellen, dass dort die Akkudichte bedeutend höher liegt, zwischen 3.500 und 4.000 Milliamperestunden. Da Sie sich so mit diesen Beispielen rühmen, will ich Ihnen das nur entgegenhalten.
Ich will Ihnen auch sagen, dass sich selbstverständlich gerade bei den Elektro- und den Hybridfahrzeugen eine ganze Menge geändert hat. In Berlin, einer Großstadt, in der sehr viel gebremst und angefahren wird, werden Sie feststellen, dass dort im Taxibetrieb inzwischen über 35 %, nahezu 40 % Hybridfahrzeuge fahren.
Wenn ich dort gewesen bin, habe ich mich regelmäßig mit den Taxifahrern darüber unterhalten. Die Fahrzeuge werden von ihnen sehr gelobt, ob uns das passt oder nicht, weil sie inzwischen haltbarer sind als die Diesel von Mercedes. Das passt hier vielen nicht, ist aber eine Tatsache.
Das ist ein Teil der Entwicklung, die an uns vorbeigegangen ist. Das ist ein Beispiel dafür, dass wir in Zukunft genauer hingucken müssen und nicht immer auf gestern beharren dürfen. Wir müssen uns auch ein Stück weit auf das einlassen, was weltweit passiert.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

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