Herbert Goldmann: „Wir wollen mit dem LEP ein Werk auf den Weg bringen, das den nachgeordneten Planungsebenen für ein Zeitfenster von 15 bis 20 Jahren einen verlässlichen Handlungsrahmen bietet.“

Antrag von CDU und FDP zum Landesentwicklungsplan

Herbert Franz Goldmann (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei allem Respekt für die antragsstellenden Fraktionen von CDU und FDP drängt sich der Eindruck auf, dass sie sich nicht wirklich entscheiden konnten, ob sie sich nun endlich an einer fachlichen Diskussion zum LEP beteiligen wollen oder eher wieder der Versuchung erliegen, vermeintliche Disharmonien auf Regierungs- und Koalitionsseite zu erkennen und –
(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])
getragen von der tiefen Sorge um die heimische Wirtschaft – der Ansicht sind, die Ministerpräsidentin zu einem Machtwort auffordern zu müssen, um einen unterstellten Koalitionsstreit zu beenden.
Ich muss Sie leider enttäuschen. Ihr suggerierter Koalitionsstreit zu den Festlegungen des LEP findet nicht statt, auch wenn Sie sich das anscheinend so sehr wünschen. Ich leide ja mit Ihnen; aber Sie müssen sich noch gedulden. – Das meine ich ironisch; ich sage es lieber dazu.
(Beifall von der SPD)
Mit einer Annahme haben Sie recht: Wir sprechen miteinander, um in den einzelnen Handlungsfeldern des LEP stabile Lösungen zu erreichen. Wir wollen – das ist unser Anspruch als Regierungskoalition – mit dem LEP ein Werk auf den Weg bringen, das den nachgeordneten Planungsebenen für ein Zeitfenster von 15 bis 20 Jahren einen verlässlichen Handlungsrahmen bietet, eine fachliche Bindungswirkung hat und hohe Rechtssicherheit entfaltet.
Bislang waren wir uns mit der FDP einig, dass hierbei Sorgfalt und Klarheit vor Schnelligkeit gehen sollten. Insofern bedanke ich mich für die Klarstellung, Herr Ellerbrock, dass diese Erkenntnis noch besteht und diese Absprache weiterhin gilt.
Mit Interesse habe ich zur Kenntnis genommen, dass die CDU von ihrer bisherigen Position, den aktuellen Entwurf zurückzuweisen, nun Abstand genommen hat und jetzt nur noch einen grundlegend überarbeiteten LEP-Entwurf von der Ministerpräsidentin einfordert. So schlecht scheint der Entwurf also doch nicht zu sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, haben Sie sich eigentlich schon einmal gefragt, ob das permanente Schlechtreden der Zukunftsperspektiven der heimischen Wirtschaft nicht einen größeren Schaden verursacht und eine größere Unsicherheit bei den Unternehmen hervorruft als eine objektive Bewertung und konstruktive Begleitung von Planungsprozessen wie dem des LEP?
(Beifall von den GRÜNEN und Ernst-Wilhelm Rahe [SPD] – Christof Rasche [FDP]: Unglaublich!)
Das sollten Sie vielleicht einmal machen. Ich schließe mich den Aussagen meines Vorredners an. Herrn Ellerbrock klammere ich selbstverständlich aus. Ich habe hohen Respekt vor seinen fachlichen Aussagen.
(Beifall von Dr. Joachim Stamp [FDP])
NRW stünde – das ist nun einmal Fakt – als eigenständiges Land auf Platz 18 der führenden Wirtschaftsnationen. Das heißt: NRW war ein starker Industriestandort, ist ein starker Industriestandort und wird ein starker Industriestandort bleiben. Daran sollten wir gemeinsam parteiübergreifend mitwirken. Bei diesem Anspruch sehe ich zwischen uns auch keinen Dissens.
Zu den von Ihnen angesprochenen Zukunftsperspektiven der heimischen Wirtschaft möchte ich gerne kurz auf die jüngsten Umfragen der Landeswirtschaftsförderung NRW.INVEST vom Dezember des vergangenen Jahres und die Studien von Prognos und Forsa aus diesem Frühjahr eingehen. 94 % der ausländischen Firmen sind mit dem Standort NRW zufrieden. 45 % sagen, sie seien sehr zufrieden. 27 % planen, ihre Investitionen nicht nur zu halten, sondern zu steigern. Der DGB erwartet 500.000 neue Stellen in NRW bis 2020. Prognos erwartet ein jährliches Wirtschaftswachstum von 1,3 % bis 2030. NRW sei der mit Abstand attraktivste Industriestandort für ausländische Investitionen, mit zahlreichen Chancen für die Zukunft. – Ich denke, das spricht für sich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, den demografischen Wandel erwähnen Sie in einem Halbsatz. Sie treffen jedoch keine Aussagen über die zu erwartenden gravierenden Auswirkungen auf teilräumliche Betrachtungsebenen, auf die Wirtschaftsentwicklung und auf den Flächenbedarf in den nächsten beiden Jahrzehnten für alle Siedlungsbereiche. Eine der größten Herausforderungen des Landes blenden Sie in Ihrem Antrag völlig aus.
Zur Flächenpolitik und dem von Ihnen so heftig attackierten 5-Hektar-Ziel zitiere ich mit Erlaubnis des Präsidenten einmal aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das ist die Drucksache 18/4172 des Deutschen Bundestages vom 3. März 2015, also ganz aktuell. Die Kernaussage lautet:
„Die Bundesregierung hält unverändert am 30-Hektar-Ziel … fest.“
Weiter heißt es dort:
„Die Reduzierung des täglichen Anstiegs der Siedlungs- und Verkehrsfläche … in Deutschland auf durchschnittlich höchstens 30 ha pro Tag findet sich als politische Zielsetzung identisch in der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie von 2002 sowie in der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt …“
Das sagt die Bundesregierung. Aktuell haben wir bundesweit übrigens einen täglichen Flächenverbrauch von 74 ha pro Tag.
Ich zitiere weiter in Auszügen aus der Antwort der Bundesregierung:
„Mehrere Bundesländer haben eigene Ziele zur Umlegung des 30-Hektar-Ziels formuliert. So nennt Rheinland-Pfalz ein Flächensparziel von 1,5 ha/Tag. … In Sachsen existiert ein eigenes, mit dem Ziel der Bundesregierung korrespondierendes Flächensparziel von 2 ha/Tag … Hessen strebt eine Reduzierung der täglichen Flächenneuinanspruchnahme von 3,6 Hektar … an. Niedersachsen nennt im Entwurf zum Landes-Raumordnungsprogramm das Ziel 3 ha/Tag. Baden-Württemberg nennt den Zielwert 3 ha/Tag.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es scheint, dass Nordrhein-Westfalen in der Betrachtung zukünftiger Flächenbedarfe wohl doch nicht so falsch liegt. Ich denke, dass es heute hier auch nicht um ein politisches Lippenbekenntnis geht, sondern um einen verantwortungsvollen Umgang mit einer begrenzten Ressource.
Liebe Kollegen von CDU und FDP, Ihr ganzer Antrag basiert auf einer einzigen Stellungnahme, nämlich der der Clearingstelle Mittelstand, die mehrfach zitiert wird,
(Dietmar Brockes [FDP]: Wer ist denn da alles drin?)
und ein bisschen McKinsey, aber noch nicht einmal das Aktuelle von 2014, sondern von 2013.
(Beifall von den GRÜNEN)
Die Stellungnahme der Clearingstelle ist zweifelsohne wichtig und bedarf einer fachlichen Würdigung sowie einer intensiven Auseinandersetzung. Sie ist aber auch nicht die Bibel.
Aufgabe der Politik ist es, unterschiedliche Nutzungsansprüche an den Raum einem belastbaren Abwägungsprozess zu unterziehen, der den Ansprüchen von Nachhaltigkeit als Leitmotiv und Rechtssicherheit gerecht wird.
Belange der Wirtschaft sind integrale Bestandteile der fachlichen Auseinandersetzung und bedürfen – da bin ich nicht auf Ihrer Seite – keines eigenen Kapitels, um die Wertigkeit der Wirtschaft zu betonen.
(Dietmar Brockes [FDP]: Aha!)
Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Ellerbrock?
Herbert Franz Goldmann (GRÜNE): Ich habe noch zwei Sätze; dann bin ich fertig und stehe ich gerne zur Verfügung. – Achim Vanselow vom Deutschen Gewerkschaftsbund – der DGB wirkt in der Clearingstelle mit; das sollte Ihnen bekannt sein – wird am 23. Februar 2015 in der „Rheinischen Post“ zu dem Entwurf wie folgt zitiert:
„Die Fundamentalkritik, die da jetzt von einigen Seiten kommt, trägt wenig dazu bei, die Landesplanung zukunftsfest zu machen.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dem ist nichts hinzuzufügen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Vizepräsident Oliver Keymis: Eine Schlussfrage lassen wir heute ausnahmsweise einmal zu, weil bald Weihnachten ist.
(Allgemeine Heiterkeit)
Herr Ellerbrock, bitte.
Holger Ellerbrock (FDP): Herr Kollege Goldmann, stimmen Sie denn meiner Einschätzung zu – bei Ihren Ausführungen unterstelle ich ein konstruktives Denken –,
(Herbert Franz Goldmann [GRÜNE]: Danke sehr!)
dass es selbstverständlich ist, dass unsere Aussagen im Landesentwicklungsplan sachlich gerechtfertigt sind, dass wir aber auch dafür verantwortlich sind, dass diese Aussagen vom Empfänger richtig verstanden werden, und es deswegen zwingend notwendig ist, die wirtschaftlichen Belange in besonderem Maße aufzuarbeiten und zu betonen?
Herbert Franz Goldmann (GRÜNE): Da stimme ich Ihnen ausdrücklich zu. Das erklärt letztendlich den relativ langen Zeitraum – es ist angesprochen worden –, in dem die rund 1.400 Stellungnahmen eingegangen sind, deren Auswertung dann zu einer belastbaren Darstellung führen muss. Genau das ist der Anspruch. Es ist wichtig, die einzelnen eingegangenen Einwendungen fachgerecht zu bewerten und dann in einem ja wahrscheinlich zu erwartenden weiteren Entwurf und Auslegungsverfahren für alle Beteiligten rechtssicher zu präsentieren.
(Beifall von den GRÜNEN)