Hedwig Tarner: „Es geht voran mit einer nachhaltigen Stadtentwicklung und mehr Wohnraumprojekten vor Ort“

Zur Aktuellen Stunde auf Antrag der SPD-Fraktion zu Wohnraumförderung

Portrait Hedwig Tarner

Hedwig Tarner (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Rängen! Ich lenke den Blick jetzt auf ein ganz konkretes Problem und stelle Lösungen vor. Ich bin es leid, dass Sie immer nur skandalisieren und nichts zur Problemlösung anbieten.

(Sarah Philipp [SPD]: Die Leute sind es leid, dass sie keine Wohnung finden!)

Wer mehr Wohnraum will, ruft oft nach mehr Bauland, wobei Bauland dann mit neuen Flächen gleichgesetzt wird – frisch aus der landwirtschaftlichen Nutzung heraus. Für diese Fantasielosigkeit zahlen wir einen hohen Preis. Fläche muss erschlossen werden. Der Landwirtschaft und dem Natur- und Artenschutz gehen ihre Grundlagen verloren.

Als Sprecherin für Stadtentwicklung will ich ökologisch, ökonomisch und zügig umsetzbare Alternativen aufzeigen und ihre Umsetzung in Nordrhein-Westfalen forcieren. Als Mitglied des Regionalrates für das Münsterland höre ich immer wieder die Hilferufe aus den Kommunen. Bei den Novellierungen des Regionalplans ist der Verteilungskampf um die Fläche heftig.

Neben der heute hier bereits diskutierten Wohnraumförderung hat das Land verschiedene Werkzeuge bereitgestellt, um Bauland zu mobilisieren. Unter dem Titel „Bau.Land.Leben“ gibt es zahlreiche Angebote:

Das Liegenschaftsmanagement: Für jede Landesfläche wird die passende Nutzung gesucht.

Das Programm „Bau.Land.Partner“: Hier werden sich in privaten Händen befindende Brachflächen oder ungenutzte Flächen wieder zu Bauflächen entwickelt.

Oder der Baustein „Bau.Land.Partner+“: Er hilft weiter, wenn Standorte mit Altlasten belastet sind und die Wiederherstellung als unwirtschaftlich gilt.

„Bau.Land.Bahn“: Dabei werden Flächen, die von der Bahn nicht mehr genutzt werden, mobilisiert.

„Bauland an der Schiene“, eines meiner liebsten Programme, bietet die Möglichkeit, Flächen an Bahnhaltepunkten zu mobilisieren. Das ist doppelt gut, weil auch die Vermeidung von Verkehr mitgedacht wird.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Weiteres ist die kooperative Baulandentwicklung. Im Rahmen der Kooperation können Kommunen mithilfe von Rahmenverträgen Prozesse beschleunigen. Neben Flächen für den Wohnungsbau kann damit auch der Strukturwandel vorangetrieben werden.

Aus dem Aufgabenkatalog des Koalitionsvertrags haben wir die Verordnung zur Baulandmobilisierung umgesetzt. Damit werden 95 Kommunen mit angespannten Wohnungsmärkten – die haben wir in der Gebietskulisse festgelegt – für den Zeitraum bis Ende 2026 Handlungsinstrumente an die Hand gegeben, um mehr und schneller Bauland zu erschließen und so dem massiven Wohnraummangel vor Ort zu begegnen.

Wir haben drei Werkzeuge. Einmal ist es das gemeindliche Vorkaufsrecht für Flächen. Zweitens ist es, dass außerhalb von den Festlegungen des Bebauungsplans gebaut werden kann. Das Dritte ist das gemeindliche Baugebot. Es fällt uns allen immer schwer, das auszusprechen.

Betrachten wir jetzt unsere Flächenziele in Nordrhein-Westfalen. Unser Ziel ist es, den Flächenverbrauch zeitnah auf 5 ha pro Tag und perspektivisch auch weitergehend durch konkrete Maßnahmen zu reduzieren.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU])

Zu den Maßnahmen gehören unter anderem flächenschonendes Bauen, die Nutzbarhaltung vorhandener Industrie- und Gewerbeflächen, Flächenrecycling und die bessere finanzielle Ausstattung des Verbandes für Flächenrecycling und Altlastensanierung.

Es ist klar: Wer die Wohnungskrise bewältigen will, muss kreativ werden. Nur ein Mehr an Geld und Fläche ist nicht die Lösung.

Anhand vieler guter Projekte lässt sich das belegen: Wohnen in ehemaligen Kaufhäusern, Aufstocken von Gebäuden, Wohnprojekte für Jung und Alt. Ich nenne als Beispiel das Mehrgenerationenwohnprojekt WiGe in Warendorf, das bezahlbaren Wohnraum für Singles, Paare und Familien, für Alt und Jung anbietet. Dabei ist ein Drittel geförderter Wohnungsbau, zwei Drittel sind frei finanzierter Wohnungsbau.

Wohnen in ehemaligen Kaufhäusern. Als vielversprechend erweisen sich Mischkonzepte, die in Paderborn und anderen Städten ausprobiert werden. Im unteren Geschoss ist Einzelhandel, oben Gastronomie, Hotels oder andere Dinge.

Ganz spannend finde ich das Modellprojekt „Leben im Dorf – Leben mittendrin“, Beispiel ist eine Verbandsgemeinde aus dem Westerwald. Die einbezogenen Dörfer haben seit mehr als zehn Jahren keinen einzigen Quadratmeter Freifläche im Außenbereich für Wohnen ausgewiesen. Sie haben es geschafft, die Innenentwicklung in ihrem Ort voranzutreiben. Junge Familien erhalten Möglichkeiten, auf Brachflächen, auf Flächen, auf den Scheunen stehen, zu bauen. Es ist keine weitere Fläche nötig.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ich könnte Ihnen im Weiteren zahlreiche soziale Projekte für bedürftige und benachteiligte Gruppen wie Pflegewohnungenbewohner oder das Modell verlässliche Nachbarschaft nennen. Das sind ganz viele Dinge, die wir anbieten, damit die Probleme gelöst werden.

Mein Fazit. Sie fragen: „Wohin geht es mit der öffentlichen Wohnraumförderung in Nordrhein-Westfalen?“ Ich sage: Es geht voran mit einer nachhaltigen Stadtentwicklung und mehr Wohnraumprojekten vor Ort.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)