Hans Christian Markert (GRÜNE): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir beschäftigen uns erneut mit der Änderung des Wasserentnahmeentgeltgesetzes. Dazu gab es mindestens eine Anhörung im Landtag in den letzten zwei Jahren.
Wie für den ordentlichen Kaufmann, so gilt auch für den ordentlichen Haushälter das Prinzip der Kostendeckung. Wie bezahle ich eine bestimmte Leistung oder Maßnahme? Das Problem ist, dass diese Frage in der Vergangenheit viel zu selten selbstverständlich gestellt wurde.
Umzusetzen haben wir eine europäische Maßnahme, nämlich die Wasserrahmenrichtlinie. Dort heißt es – ich will das zitieren – in Art. 9 Abs. 1 Unterabsatz 2: Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, bis 2010 dafür zu sorgen, dass ihre Wasserpreisgestaltung für die Wasserdienstleistungen angemessene Anreize für die Benutzer setzt, Wasserressourcen effizient zu nutzen.
Im Abschlussbericht eines Gutachtens des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2011 führen die Autoren des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung und des Instituts für Infrastruktur- und Ressourcenmanagement der Universität Leipzig dazu aus – Zitat mit Genehmigung der Präsidentin –:
„Die Verpflichtung auf einen angemessenen Anreiz meint mehr als nur eine kostendeckende Gebührenpolitik. Sie verlangt zugleich, dass die Politik der ‚Wasserpreise‘ verursachergerecht auszurichten ist, weil nur so der von der WRRL geforderte angemessene Anreiz zu effizienter Ressourcennutzung bereitgestellt werden kann.“
So Prof. Dr. Erik Gawel und andere in Ziffer 3 Seite 1 des Gutachtens.
Die Wasserrahmenrichtlinie sollte – das haben Vorgängerregierungen unterschiedlicher politischer Farben so entschieden – durch das Wasserentnahmeentgelt finanziert werden.
„Durch den BVerfG-Beschluss zu den Wasserentnahmeentgelten aus dem Jahre 1995 ist ein verlässlicher Rechtsrahmen für die Erhebung wassernutzungsbezogener nichtsteuerlicher Abgaben jenseits der etablierten Benutzungsgebühren“
– Lieber Josef Wirtz, es geht also nicht um klassische Steuern! –
„und Beiträge geschaffen worden, der auch heute noch maßgeblich ist.“
Aktuell wissen wir, dass die Einnahmen aus dem Wasserentnahmeentgeltgesetz soeben ausreichend sind, um die nötigen Maßnahmen durchführen zu können. Aber wir wissen auch: Zukünftig kommen neue Aufgaben hinzu, etwa die zweite Runde der Maßnahmenpläne oder die weitere Reduzierung von Nitratbelastungen in unserem Grundwasser.
Nun wird – Herr Lindner hat es heute Morgen getan, Josef Wirtz hat es eben getan – erneut die Idee diskutiert, bestimmte Wasserentnahmen, bei denen es keine Verschmutzung oder keinen Verbrauch gibt, deutlich geringer zu belasten, also mit 10 %; das wären 0,5 Cent pro Kubikmeter. Dadurch würde es allerdings zu Mindereinnahmen von rund 4 Millionen € kommen, soweit wir die Sümpfungswässer nicht einbeziehen würden.
Und auch in der Sache wäre eine solche Absenkung fragwürdig. Ich erinnere erneut an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1995. Demnach ist die Ermöglichung der Wassernutzung durch den Staat eine individuell zurechenbare öffentliche Leistung, die angesichts der Knappheit der Ressource einen abschöpfungsfähigen Sondervorteil darstellt. Die Abgabe ist nach dem Wert der Nutzung für den Nutzer zu bemessen und in den Haushalt einzustellen. – Genau dies hat die Landesregierung mit Blick auf den vergangenen und den aktuell zu beratenden Haushalt getan.
Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Markert, entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie unterbreche. Herr Kollege Ellerbrock würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.
Hans Christian Markert (GRÜNE): Beim Kollegen Ellerbrock werde ich immer gerne schwach. – Bitte schön, Herr Kollege.
Holger Ellerbrock (FDP): Stark sein heißt, Schwäche zeigen zu können. Schon in Ordnung.
Herr Kollege, Sie stellen hier ein Bild dar, dass Wasserknappheit oder Wasserproblematik besteht. Können Sie mir sagen, wo in Nordrhein-Westfalen ein quantitatives und/oder qualitatives Problem in der öffentlichen Trinkwasserversorgung besteht?
Hans Christian Markert (GRÜNE): Herr Kollege, wir reden heute nicht über die qualitative oder quantitative Beschaffenheit des Trinkwassers, sondern wir reden über die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie. Die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie ist eine von der Europäischen Union auf alle Nationalstaaten übertragene Aufgabe. Verschiedene Vorgängerregierungen und auch wir – ich habe eben versucht, das juristisch und auch historisch herzuleiten – haben sich dafür entschieden, das zu tun, was hier naheliegend ist, nämlich eine entsprechende Gegenfinanzierung über ein sogenanntes Wasserentnahmeentgelt vorzunehmen. Es geht hierbei indirekt sicherlich – da haben Sie recht – auch um den Schutz des höchsten Verbrauchsgutes, das wir haben, nämlich des Trinkwassers, aber es geht vor allen Dingen darum, unsere Flüsse in einer Beschaffenheit zu halten, die es auch nachfolgenden Generationen möglich macht, sie als Flüsse zu erkennen.
Ich komme noch einmal auf den Vorschlag und darauf zurück, was Herr Lindner heute Morgen angesprochen hat und auch was beim Kollegen Josef Wirtz durchklang, nämlich auf die Überlegung, bestimmte Ausnahmen vorzunehmen, also Änderungen vorzunehmen, indem man bestimmten Nutzern entgegenkommt. Wer das tut, wer also bestimmten Nutzern entgegenkommen möchte, der muss als seriöser Kaufmann, von dem ich am Anfang gesprochen habe, zumindest Deckungsvorschläge machen.
Anders ausgedrückt, lieber Josef Wirtz: Wenn Sie bestimmten Nutzern, die den öffentlich-rechtlichen Sondervorteil, von dem das Bundesverfassungsgericht spricht, für sich in Anspruch nehmen, entgegenkommen wollen und auch ehrlicherweise sagen, Sie wollten diese Vorteile sozialisieren, also von der Allgemeinheit tragen lassen, dann gehört zu dieser Aussage auch die Ehrlichkeit, zu sagen, dass Sie das im Zweifel von anderen Wirtschaftsbranchen oder eben, wie Sie das in anderem Zusammenhang getan haben, von den Bürgerinnen und Bürgern zahlen lassen wollen. Wer also Änderungen vornimmt, der muss auch Deckungsvorschläge machen.
Präsidentin Carina Gödecke: Ihre Redezeit.
Hans Christian Markert (GRÜNE): Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss.
Abschließend: Gesetzt den Fall, die Einnahmen des Wasserentnahmeentgeltes übersteigen tatsächlich die Kosten für die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie, dann ist es vor dem Hintergrund der angespannten Haushaltslage aus unserer Sicht besser, zusätzliche Einnahmen beim Ressourcenverbrauch zu generieren, als Sozialleistungen zu kürzen.
In diesem Sinne sehen wir den Beratungen im Ausschuss mit großer Freude entgegen. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)