Hans Christian Markert: „Umweltschutz hat Vorrang vor Gewinnstreben und persönlichem Nutzen“

Antrag der CDU zur "Blauen Plakette"

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Hans Christian Markert (GRÜNE): Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Manchmal stimmt die Choreographie eines solchen Plenartages sowohl mit Blick auf die Tagesordnung als auch auf den Plenartag insgesamt. Wir haben uns eben über Kinder- und Jugendpolitik unterhalten. Jetzt reden wir über Luftreinhaltung. Dazu habe ich heute Morgen im Bus eine nette Begegnung gehabt. Ein kleiner Junge sagte zu seiner Mutter, während der Bus am Stau vorbeifuhr: Juhu, Mama, der Bus überholt die Autos! – Da möchte man sagen: Freie Fahrt für aufgeweckte Kinder.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
Da bin ich auch schon beim Thema. Das ist nämlich eine Perspektive, die wir auch einnehmen sollten, wenn wir über Luftreinhaltungspolitik reden: die Perspektive der Kinder, Herr Rasche und Herr Deppe. Das ist eine wichtige Frage. Denn wir haben doch in den letzten Jahren festgestellt: Alle Anstrengungen zur Luftreinhaltung, die alle Umweltminister und ‑ministerinnen parteiübergreifend auf den Konferenzen beschlossen haben und die wir in unseren Städten umgesetzt haben, haben letztlich nicht dazu geführt, dass wir einen großen Schritt nach vorne gegangen sind.
Betroffen von den hohen Emissionswerten bei Stickoxiden – übrigens genauso wie bei den Feinstaubwerten – sind Kinder. Es sind im Übrigen, Herr Deppe, auch die Menschen an den vielbefahrenen Straßen. Dort leben die Menschen mit kleinem Portemonnaie, und dort findet der meiste Verkehr und damit auch die größte Luftschadstoffbelastung statt. Und wenn Sie sagen, Herr Deppe, die CDU ist der Anwalt der Dieselfahrer, so sind wir Grünen der Anwalt der kleinen Leute und der Kinder.
(Christof Rasche [FDP]: Deshalb unterbinden Sie auch jede Umgehungsstraße! Ist das richtig?)
– Wissen Sie, Herr Rasche: Umweltschutz hat Vorrang vor Gewinnstreben und persönlichem Nutzen. – Das kennen Sie noch, nicht? Das stammt aus den Freiburger Thesen aus den 70er-Jahren.
(Zuruf von Christof Rasche [FDP])
Die FDP war doch schon mal weiter. Und Herr Lindner wollte die FDP neu aufstellen.
(Zuruf von Christof Rasche [FDP])
Ich merke, Sie sind da angekommen, wo die FDP seit Ende der 70er-Jahre ist: bei den Kieler Thesen, streng an der Seite der Schadstoffverursacher, aber nicht an der Seite der Betroffenen. Deshalb: Gehen Sie also erst mal in sich, bevor Sie sich Sorgen um die grüne Zukunft machen! Machen Sie sich erst mal über Ihre eigene Zukunft Gedanken, und lesen Sie mal in alten Werken nach!
Wie sagte schon der schottische Autor Alexander Smith: „Heute ist immer anders als gestern.“ Da kann ich dem großen schottischen Autor nur recht geben.
(Christof Rasche [FDP]: Wenn man Zitate verwendet, ist man nicht klug! – Vereinzelt Beifall von der FDP)
– Herr Rasche, stellen Sie Zwischenfragen! Darauf kann ich Ihnen Antworten geben.
(Zuruf von der SPD: Das muss aber nicht sein! Das können wir uns sparen!)
Aber die Frage, die ich an Sie stelle, lautet: Was ist Ihr Beitrag dazu, dass sich in Zukunft die Luftschadstoffe in unseren Innenstädten reduzieren? In 58 von 127 Messstellen ist im vergangenen Jahr die Schadstoffbelastung überschritten worden. Sechs Städte sind deswegen von der Deutschen Umwelthilfe verklagt worden. Uns droht ein europäisches Vertragsverletzungsverfahren, das übrigens alle Bürgerinnen und Bürger zahlen müssen. Was ist Ihr Beitrag zum Umweltschutz und dazu, dass alle Bürgerinnen und Bürger zahlen müssen? Das ist die Frage an Sie:
(Christof Rasche [FDP]: Das habe ich eben genannt. Aber Ihre Traumtänzerei!)
– Bei „Traumtänzerei“ fällt mir ein: Wir haben heute Morgen schon über Panama Papers und anderes gesprochen. Herr Lindner war nicht da. Da habe ich auch manchmal über Traumtänzereien bei Ihnen nachgedacht. Aber das ist ein anderes Thema.
Herr Rasche, Sie haben eben das Ranking der Wirtschaftskraft von 0,0 % in Nordrhein-Westfalen angesprochen. Wissen Sie, was Wirtschaftsfachleute als Grund dafür ansehen? Nordrhein-Westfalen hat parteiübergreifend zu lange auf alte Techniken gesetzt. Wir brauchen Innovation, wir brauchen moderne Technik, auch in der Fahrzeugflotte. Darum geht es.
Wenn heute das Kraftfahrtbundesamt feststellt – das können Sie in der „Süddeutschen Zeitung“ noch mal nachlesen –, dass fast alle großen Automobilhersteller getrickst und betrogen haben, haben sich die Umweltministerinnen und -minister auf Ihrer Sonderkonferenz zu Recht folgende Fragen gestellt: Wie können wir diesen Skandal aufklären? Wie können wir sichtbar machen, warum es zu diesen Überschreitungen gekommen ist? Wie können wir moderne Techniken nach vorne bringen?
Dazu kann – nicht: muss – die blaue Plakette, das müssen Sie in dem Protokoll nachlesen, vielleicht ein Instrument sein – ein Instrument für besonders innovative, für moderne Fahrzeuge. Daran sollten wir gemeinsam arbeiten, …
Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.
Hans Christian Markert (GRÜNE): … damit die Kinder in Zukunft gut durchatmen können und auch die Menschen mit kleinem Portemonnaie, die an vielbefahrenen Straßen wohnen, in Zukunft guten Gewissens dort leben können. Das sollte ein gemeinsames Anliegen sein.
Machen Sie sich weniger Gedanken über die Zukunft der Grünen! Machen Sie innovative Anträge, denen man vielleicht auch mal zustimmen könnte. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

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