Hans Christian Markert: „Soziales, Ökonomisches und Ökologisches gleichberechtigt gemeinsam denken“

Antrag von CDU und FDP zum Abfallwirtschaftsplan

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Hans Christian Markert (GRÜNE): Ja, Herr Präsident, da haben Sie in der Tat recht. Es ist aber auch nicht das erste Mal, dass ich die Ehre habe, an meinem Geburtstag hier sprechen zu dürfen. Das ist offensichtlich so vom Präsidium angelegt, dass ich meinen Geburtstag immer hier in großer Runde feiern darf. Das ist wirklich sehr schön.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Tagen haben wir viele Nachrichten aus New York bekommen. Es ging um die Nachhaltigkeitsziele, die die Weltgemeinschaft sich auf die Fahnen geschrieben hat.
Nachhaltigkeit ist letztendlich auch, wenn wir über Abfallpolitik reden, das entscheidende Thema. Soziales, Ökonomisches und Ökologisches gemeinsam denken – darum geht es –, und zwar gleichberechtigt gemeinsam denken.
Wir haben als grüne Fraktion derzeit eine Ausstellung vor unseren Fraktionsräumen vom Eine Welt Netz NRW. Da kann man einen Einblick gewinnen, wie die Weltgemeinschaft mit dieser Thematik umgeht. Das Schlagwort „Buen Vivir“ – „Gutes Leben“ – findet sich beispielsweise in den neuen ecuadorianischen und kolumbianischen Verfassungen. Da geht es darum, die Grundversorgung aller in Harmonie mit der Natur zu einem zentralen Ziel zu entwickeln. Angestrebt wird ein Kreislauf von Produktion und Reproduktion.
Dieser Kreislaufgedanke ist das Gebot der Stunde, wenn wir über Abfälle reden. Denn es geht um Ressourcen. Abfälle sind nicht länger einfach zu verbrennende oder wegzuschmeißende Dinge, sondern Abfälle sind die Rohstoffe der Zukunft. Darum geht es, und darüber müssen wir in der Abfallpolitik viel stärker als in der Vergangenheit reden.
Wenn man sich allein vorstellt, dass bei dem täglichen Griff auf dem Bahnhof zu den Pappbechern, wenn man mal eben einen Kaffee mitnehmen will, für diesen einen Pappbecher ein halber Liter Trinkwasser verbraucht wird, dann wird die Dimension unseres ökonomischen Handelns mit den großen ökologischen Wirkungen konkret. Wenn man sich überlegt, dass 50 % der Lebensmittel, die wir anbauen, gar nicht erst bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern landen, sondern angebaut werden und dann schlicht und einfach untergeflügt, verbrannt oder vernichtet werden, dann wird die Dimension klar, was „Buen Vivir“ – „Gutes Leben“ – eigentlich meint, wenn wir in Kreisläufen denken.
Wenn das der Maßstab unserer Abfallpolitik ist, dann haben wir in Nordrhein-Westfalen die große Aufgabe bei der Novelle des Landesabfallgesetzes eigentlich noch vor uns. Schon jetzt sagt das Kreislaufgesetz des Bundes, also unser nationales Abfallrecht, dass wir die stoffliche Nutzung unserer Abfälle in den Vordergrund stellen müssen. Das ist eine Abkehr von der rein thermischen Verwertung. Die stoffliche Nutzung, der Lebenszyklus von unseren Abfällen, von unseren Produkten, von unseren Bedarfsgegenständen muss sich deutlich verlängern.
Das ist ein Thema, das man natürlich auch bei der Bewertung des Abfallwirtschaftsplans mit einbeziehen muss. Der Abfallwirtschaftsplan muss eben nachhaltig sein, dann muss er ökonomisch, dann muss er sozial und dann muss er ökologisch sein.
Ich finde den Punkt, den Kollege Meesters eben angesprochen hat und der auch in den Anhörungen eine große Rolle gespielt hat, sehr wichtig, nämlich die Frage des Prinzips der Nähe. Wie setzen wir eigentlich diese europarechtliche Vorgabe um? Wie schaffen wir es, dass die Abfälle einer Region tatsächlich in einer Region verwertet, entsorgt oder weiter genutzt werden? Darin besteht die Herausforderung.
Darum ist auch der Ansatz mit den Entsorgungsregionen grundsätzlich richtig. Das haben in den Anhörungen viele Vertreter genauso bestätigt. Die Frage ist, wie wir die Entsorgungsregionen stricken und wie wir das möglichst gerecht machen, sodass dabei beim Gebührenzahler auch eine landesweite Gerechtigkeit entsteht. Das ist im Grunde genommen die große Herausforderung.
Meine Damen und Herren von der CDU, ich habe den Eindruck, dass in der abfallpolitischen Diskussion zu sehr die Kreise im Vordergrund stehen, die nie eine Entsorgungsanlage gebaut haben. Es ist der Kreis Heinsberg und auch der Rhein-Kreis Neuss, die für sich in Anspruch nehmen, die Abfälle, die in diesen Kreisen entstehen, marktwirtschaftlich am günstigsten in anderen Regionen zu entsorgen, wo solche Anlagen gebaut worden sind. Das führt natürlich in der Tat zu einer Schieflage. Dann ist es tatsächlich günstig, den Abfall in Heinsberg zu entsorgen, weil man nie eine Entsorgungsanlage finanzieren musste. Die Leute allerdings, die dort wohnen, wo dann verbrannt wird, zahlen für die Verbrennung ihres eigenen Abfalls – das kommt erschwerend hinzu – einen höheren Preis.
(Beifall von den GRÜNEN)
Deswegen ist für mich und für meine Fraktion bei der Bewertung des Abfallwirtschaftsplans unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten auch die Gebührengerechtigkeit – der soziale Aspekt – richtig. Darum habe ich immer gesagt – ich komme, Herr Präsident, auch an meinem Geburtstag hoffentlich noch halbwegs rechtzeitig zum Ende –, dass für mich die Gebührengerechtigkeit aufs Land bezogen wichtig ist. In Bielefeld und Aachen, im Bergischen Land und an der holländischen Grenze müssen sozial vergleichbare faire Abfallgebühren vorherrschen. Das muss der Maßstab bei der Bewertung sein.
Herr Deppe, Ihr Antrag kommt in der Tat etwas zu früh.
(Zuruf von Henning Höne [FDP])
Wir hatten erst vor einigen Wochen eine Anhörung, die noch nicht ausgewertet ist. Am Ende werden wir bei der Auswertung der Anhörung sehen, wie die Regionen tatsächlich gestrickt sind. Ich habe den Eindruck, dass der Abfallwirtschaftsplan eine gute Diskussionsgrundlage ist, auf der sich weiter zu diskutieren lohnt.
Die grundsätzliche Frage einer modernen Kreislaufwirtschaft werden wir dann demnächst bei der Diskussion über das neue Landesabfallgesetz besprechen können. In diesem Sinne: Buen Vivir!
(Beifall von den GRÜNEN)

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