Hans Christian Markert: „Ja, der Verursacher muss zur Kasse gebeten werden, aber das Land muss sich seiner historischen Verantwortung stellen, auch wenn wir Grüne immer gegen Atom-Technologie waren.“

Antrag der Piraten zur Finanzierung der Entsorgung von Atomanlagen

Hans Christian Markert (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor einigen Tagen haben wir uns des schrecklichen Reaktorunfalls in Fukushima erinnert. Die Folgen der dortigen Reaktorkatastrophe sind täglich zu besichtigen. Gerade gestern gingen wieder Meldungen über den Ticker, dass TEPCO erwogen hat, nukleare Abwässer, die sich dort in großer Menge ansammeln, ins Meer abzuleiten. In wenigen Tagen – am letzten Wochenende der vor uns liegenden Osterferien – jährt sich, glaube ich, zum 28. Mal die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. Auch dort können Sie die Folgen dieser verfehlten Technologie besichtigen. Deswegen galt und gilt bis heute für uns: Eine Technologie, die nicht beherrschbar ist, ist politisch auch nicht verantwortbar.
(Beifall von den GRÜNEN)
Deswegen gehört diese Technologie zu Recht auf den Müllhaufen der Geschichte. Atomtechnologie war etwas, was wir Grüne von Anfang an in unserer Parteigeschichte abgelehnt haben.
(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
– Ach, Herr Witzel, Sie können ja gleich noch reden. Vielleicht kommt dann ein bisschen Substanz. Ihre Zwischenrufe sind jedenfalls nicht besonders substanzvoll; aber das sind wir bei Ihnen ja gewohnt.
Atomtechnologie ist also nicht verantwortbar. Weil das so ist, haben wir Grüne uns stets dagegen gewandt. Als wir in Berlin einmal mitregiert haben, haben wir den Ausstieg zunächst beschlossen. Die Regierung Merkel – Herr Witzel, von Ihrer Partei dann mitgetragen – hat Laufzeiten verlängert. Auch dem haben wir uns entgegengestellt. Wir haben uns dann schließlich auch dem Ausstiegskonsens angeschlossen, auch wenn einige wie ich, die fachlich mit dem Thema betraut sind, das alles gerne noch viel schneller erlebt hätten.
Deswegen, liebe Fraktion der Piraten – der Kollege van den Berg hat darauf hingewiesen -, findet sich die atomkritische Haltung in unserem Koalitionsvertrag. Es finden sich eben auch klare Regelungen zu den Kosten bei der Beseitigung der Anlagen des AVR in Jülich und des THTR in Hamm-Uentrop.
Ich will noch einmal die entsprechende Stelle auf Seite 41 des Koalitionsvertrages zitieren, die der Kollege van den Berg eben schon ausführlicher zitiert hat, weil es gerade an der Stelle passt:
„Insbesondere im Hinblick auf die ungeklärte Finanzierung des Rückbaus des THTR werden wir die früheren Betreiber bzw. Rechtsnachfolger und Eigentümer in die finanzielle Verantwortung nehmen.“
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Ellerbrock zulassen?
Hans Christian Markert (GRÜNE): Ja, gleich. – Das ist dann letztendlich auch wohlverstandene Marktwirtschaft, hier das Verursacherprinzip streng anzuwenden.
Allerdings muss man auch berücksichtigen – da ist dann der kleine Dissens -, weil Herr Fehring ja auch den Rahmenvertrag von 1989 angesprochen hat: Das Land Nordrhein-Westfalen ist deswegen in der Verantwortung, weil zu dem Zeitpunkt, als Hamm geplant und gebaut wurde, die damalige Landesregierung dieser Technologie noch ihre Zustimmung erteilt hat. Das heißt, das Land Nordrhein-Westfalen war damals pro Atomkraft. Deswegen gehört es auch ein Stück weit zur politischen Verantwortung, sich jetzt auch der Verantwortung bei der Entsorgung nicht vollständig zu entziehen.
Deswegen: Ja, der Verursacher muss zur Kasse gebeten werden, aber das Land muss sich seiner historischen Verantwortung stellen, auch wenn wir Grüne immer gegen diese Technologie waren und damals die Verantwortung auch nicht hatten, es zu verhindern. Das muss man hier auch klarstellen. Denn es gilt: Pacta sunt servanda. – 1989 ist dieser Rahmenvertrag geschlossen worden.
So, lieber Herr Kollege Ellerbrock, jetzt zu Ihrer Zwischenfrage!
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Bitte schön.
Holger Ellerbrock (FDP): Herr Kollege, ich lese gerade den Bericht des Wissenschaftlichen Komitees der Vereinten Nationen zur Untersuchung der Auswirkungen der atomaren Strahlung. Im Abschlussbericht heißt es – Zitat -: Die in Fukushima frei gewordene Strahlung hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung. Es gab und gibt kein erkennbares höheres Krebsrisiko. Auch für die Zukunft rechnet also dieses Komitee nicht mit statistisch nachweisbaren Gesundheitsfolgen durch Fukushima. – Das ist eine Aussage, die von diesem UNO-Komitee gemacht worden ist.
Sie hatten eben sehr auf Fukushima abgehoben. Es dauerte ja etwas länger, bis ich die Zwischenfrage stellen konnte. Ist Ihnen dieser Bericht ganz bekannt?
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Herr Kollege Markert.
Hans Christian Markert (GRÜNE): Lieber Kollege Ellerbrock, wenn man sich mit Fachpolitik beschäftigt – das tun Sie ja gelegentlich auch -, dann …
(Zurufe)
– Bei Ihrer Zwischenfrage hat man jedenfalls bei diesem Thema Zweifel daran, dass Sie sich mit der Materie etwas intensiver auseinandergesetzt haben.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wenn man sich mit den Fragen auseinandersetzt, dann liest man viele Berichte. Man unterhält sich auch mit Strahlenmedizinern. Ich kann mich gut erinnern, als ich noch nicht Mitglied dieses Parlamentes war, da wollten Sie ja auch mal vom Niederrhein nach Kalkutta segeln, weil der Kiesabbau so eine wunderbare Sache gewesen ist. Ich kann mich erinnern, dass Sie als einer der Letzten hier noch aufgetreten sind, die die Folgen des Klimawandels bezweifelt haben.
Offensichtlich treten Sie jetzt hier wieder auf und bezweifeln die Folgen der nuklearen Reaktorkatastrophe von Fukushima und die Unverantwortbarkeit der Nukleartechnologie.
Es gibt einen breiten gesellschaftlichen Konsens aller ernst zu nehmenden Parteien, jedenfalls aller ernst zu nehmenden jetzt noch im Bundestag vertretenen Parteien. Vielleicht ist das auch einer der Gründe, warum Sie da derzeit nicht vertreten sind. Denn diesen Konsens, dass die Nukleartechnologie politisch nicht zu verantworten ist, haben wir, meine ich, vor einigen Jahren gemeinsam gefasst. Das war auch gut so.
(Beifall von den GRÜNEN)
Jetzt noch mal zum Antrag der Piratenfraktion! Ich will Ihnen ganz ehrlich sagen: Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Wir haben unsere Konsequenzen als Landesregierung frühzeitig gezogen. Wir stehen zu der Verantwortung. Wir werden den Verursacher dieser Technologie und den Verursacher für die Kosten beim Rückbau einer unverantwortlichen Technologie auch zurate ziehen. Es ist klar. Es mussten Rücklagen gesetzlich gebildet werden. Mir liegen keine Informationen vor, dass das Unternehmen das derzeit nicht gemacht hat. Wenn dem so sein wird, wird die Landesregierung darauf achten, dass das auch umgesetzt wird.
Im Übrigen kann ich auch nur empfehlen, dass Sie sich als Opposition in Zukunft Themen heraussuchen, bei denen Sie die Landesregierung vielleicht glaubwürdiger infrage stellen können als ausgerechnet bei diesem Thema. Vielleicht wird Ihnen das ja irgendwann auch gelingen.
(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)
Bei diesem Thema bedarf es jedenfalls keiner ewigen Wiederholung von Anträgen dieser Art. Wir haben erst vor wenigen Wochen darüber gesprochen. Insofern wird es nicht richtig, wenn Sie die gleichen Anträge immer wieder stellen oder alte Anträge einer nicht mehr im Landtag vertretenen Fraktion wiederholen.
Wir werden unsere Hausaufgaben machen. Für uns bleibt es dabei: Die Atomtechnologie ist Teil der Geschichte, der wir uns stellen müssen, der wir uns auch finanziell stellen müssen, aber das Verursacherprinzip gilt. Deswegen werden wir das Unternehmen auch daran erinnern. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

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