Hans Christian Markert (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als wir hier vor einigen Tagen schon einmal zu dieser Thematik im Rahmen einer Aktuellen Stunde miteinander diskutiert haben, habe ich zu der Idee der Energieunternehmen mit Atomsparte gesagt, das wäre mal ein Testballon, der dort medienwirksam gezündet würde. Da habe ich bei einigen Kollegen Kopfschütteln oder Stirnrunzeln gesehen. Zwei oder drei Tage später aber war breit in der Presse nachzulesen, dass es in der Tat sehr konkrete zumindest Hinterzimmergespräche mit den Unternehmen gibt und gegeben hat. Offensichtlich ist also doch etwas daran, dass in diesen Fragen miteinander gesprochen wird.
Insofern, Dietmar Schulz: Es ist angesichts der Summen und der Risiken, um die es geht, sicherlich nicht falsch, diese Thematik hier aufzurufen. Doch es wird natürlich nicht richtiger, wenn man das alle paar Tage wiederholt.
Ich glaube, in der Sache sind wir uns – das hat der Beitrag des Kollegen Kufen eben deutlich gemacht – einig. Die großen Gewinne, die mit der Atomtechnologie erzielt worden sind, zu privatisieren, sich das Geld in die Tasche zu stecken und anschließend die enormen Risiken zu sozialisieren, das geht nicht. Das geht natürlich auch aus grüner Sicht nicht;
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
ich will das hier noch mal deutlich sagen. Aber offensichtlich sind wir uns da ja alle einig.
Wer sich die beträchtlichen Risiken, von denen ich eben gesprochen habe, einmal anguckt, der stellt fest, dass die Rückstellungen in Höhe von 30 bis 35 Milliarden €, die die Unternehmen für den Rückbau und die Entsorgung damals gesetzlich anlegen mussten und die sie offensichtlich jetzt ihr Eigen nennen können, bei Weitem nicht ausreichen werden.
Wir kennen Studien, die besagen: Allein die Kosten im Zusammenhang mit Unfällen, die es weltweit in Atomanlagen im Betrieb gegeben hat, gehen in die Hunderte von Milliarden Dollar. – Da wird meistens noch in Dollar gerechnet.
Auf Deutschland bezogen heißt das, dass allein der Versuch des Rückbaus von Asse und des Uranabbaus in Wismar, also die Sanierungsnotwendigkeiten, die da gegeben sind, rund 150 Milliarden Dollar ausmachen. Das sind internationale Zahlen, die jeder einsehen kann.
Wenn man weiß, welch hohe Risiken mit der Atomkraft verbunden sind, dann kann man sich vorstellen, dass es nicht unberechtigt ist, sich Gedanken darüber zu machen, was passiert, wenn die Unternehmen irgendwann möglicherweise nicht mehr existent sind und man dann auch noch dafür geradestehen muss, diese Risiken abzusichern.
Deswegen habe ich hier vor einigen Wochen gesagt: Ja, es ist richtig, sich darüber Gedanken zu machen.
Dietmar Schulz, ich habe mich übrigens nicht der Stiftungslösung angeschlossen – das möchte ich noch mal betonen –, sondern von der treuhänderischen Lösung für diese 35 Milliarden € gesprochen. Ich gehe allerdings davon aus, dass diese 35 Milliarden € bei Weitem nicht ausreichen werden.
Deswegen sind die Unternehmen auch in der Pflicht, ihre Rückstellungen weiter aufwachsen zu lassen, solange sie noch produzieren. Möglicherweise setzen sie ihre Produktion ja bis 2023 fort. Auch am Uranstandort in Gronau produziert man weiter und macht Gewinne. Dann sollte man die Rückstellungen auch noch weiter aufwachsen lassen. Meines Erachtens wäre es aller Ehren wert, mit den Unternehmen darüber ins Gespräch zu kommen.
Dann sollte man eine treuhänderische Lösung vorsehen und sich Gedanken darüber machen, wie man das auf lange Zeit sichern kann – ob da ein Staatsvertrag das Richtige ist oder ob das in der Verfassung geregelt werden muss. Schließlich reden wir bei den Ewigkeitskosten im Zusammenhang mit der Atomtechnologie über Hunderte von Jahren.
Es macht also Sinn, zu reden; es macht Sinn, die Gelder zu sichern; und es macht Sinn, ein Rechtsinstrument zu finden, um das abzusichern. Deswegen werden wir vermutlich demnächst hier auch noch mal miteinander ins Gespräch kommen.
Teile Ihres Antrags finde ich – mit Verlaub; ich will Ihnen da nicht zu nahe treten – für die jetzige Abstimmung als streitige Abstimmung relativ ungeeignet, weil sie ein bisschen ins Spekulative gehen. Beispielsweise sind die Zahlen für den Rückbau in Hamm – darüber haben wir uns vor einigen Monaten ja unterhalten – nach meiner Auffassung vertraglich zunächst einmal geregelt. Wenn Sie meinen, das sei nicht so, fände ich es besser, wenn Sie das substanziell anfüttern würden. Dafür wären Ausschussberatungen möglicherweise ein geeignetes Instrument. Gelegentlich kann man mit einer Kleinen Anfrage Zweifel, die man hat, aufhellen. Ich weiß, wovon ich hier spreche.
Insofern: Lassen Sie uns weiter im Gespräch bleiben. Ihrem Antrag werden wir aus den zuletzt genannten Gründen hier jetzt nicht zustimmen können. Ich sage aber noch mal: Es ist aller Ehren wert und dem Thema angemessen, darüber zu diskutieren. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)