Hans Christian Markert: „Denn der Ursprungspunkt ist die Frage, ob ein Stoff gefährlich ist oder nicht“

Antrag von CDU und FDP zur Entsorgung HBCD-haltiger Stoffe

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Hans Christian Markert (GRÜNE): Liebe Frau Präsidentin! Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! In der Tat ist es ungewöhnlich, dass man noch über Anträge befinden muss, die sich eigentlich durch das – ich sage mal – vermittelnde Vorgehen der Landesregierung bereits erledigt haben.
(Zurufe von der CDU – Lachen von Dietmar Brockes [FDP])
– Ja, Herr Brockes.
(Zurufe von Dietmar Brockes [FDP])
Lieber Dietmar Brockes, lieber Herr Schemmer, und weil eben von Herrn Ellerbrock und Herrn Hausmann vorgetragen worden ist, als hätte der Minister von der Opposition darüber aufgeklärt werden müssen, welche Verhandlungen er geführt hat: Das Verfahren und die Gespräche laufen seit Monaten. Morgen ist die Abstimmung im Bundesrat. Und dass Sie eine Kampagne gestartet haben, die jetzt ein bisschen verpuffen wird und Ihren Ursprungsantrag auf eine …
(Dietmar Brockes [FDP]: Die Kampagnen kommen noch!)
– Lieber Herr Kollege Brockes, wollen wir jetzt zusammen singen, oder wollen wir jetzt miteinander diskutieren?
(Zurufe von der CDU und der FDP)
Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Markert, bevor wir hier singen, würde gerne Herr Kollege Ellerbrock Ihnen eine Zwischenfrage stellen.
Hans Christian Markert (GRÜNE): Nein! – Der Kollege Ellerbrock kann die Frage gleich stellen, aber der Kollege Ellerbrock wird sie dann am Ende meiner vorbereiteten Ausführungen stellen können. Das ist zugesagt. Als ehemalige und gute Kollegen aus dem Umweltministerium haben wir das immer so gehalten, und das wird auch so bleiben.
Um es noch mal ganz klar zu sagen: Mich hat schon gewundert, dass Sie eine Kampagne starten, bei der Sie Ihren Antrag als seriöseste Quelle auf die „Bild“-Zeitung stützen, Herr Hausmann. Eben sagten Sie: Man müsste schon auf einer Baustelle gearbeitet haben, um das Thema durchdringen zu können.
(Zuruf von Ralph Bombis [FDP])
Warum Sie sich dann bei Ihrem Antrag auf die „Bild“-Zeitung stützen, ist etwas, das Sie vielleicht im Ausschuss noch mal erklären können.
(Zurufe von der CDU)
Meine Damen und Herren, worum geht es denn jetzt tatsächlich? – Es geht darum, dass man im März 2016 bei bestimmten Dämmmaterialien, die mit einem bromhaltigen Flammschutzmittel versehen sind, im Verfahren zu der Einschätzung gekommen ist, dass wir bei diesem bromhaltigen Flammschutzmittel umweltschädliche Eigenschaften festzustellen haben und diese Eigenschaften dazu führen müssen, dass wir diese Dämmstoffe in die POP-Verordnung der Europäischen Union einordnen müssen. Die POP-Verordnung regelt das Verbot und die Beschränkung der Herstellung, des Verbreitens und die Verwendung von persistenten und organischen Schadstoffen, von Persistent Organic Pollutants. Hier aufgeführte Abfälle werden als gefährlich eingestuft und unterliegen damit dem abfallrechtlichen Nachweisverfahren für gefährliche Abfälle.
Wenn Sie jetzt so tun, als sei das nur ein Entsorgungsproblem, dann muss man auch sagen, dass das ganze Thema eben zwei Seiten hat. Zum einen ist es ein Problem für das Handwerk. Wir stimmen Ihnen zu, dass man die Handwerker am Ende eines Entsorgungsprozesses mit der Lösung nicht alleine lassen kann. Da sind wir in einem Boot. Das werden wir dann im Ausschuss gemeinsam so festhalten können. Aber es ist auch ein Entsorgungsproblem, ein umweltpolitisches Problem und eine Frage der Gefährlichkeit eines Stoffes. Und deswegen sind wir der Auffassung, dass man die Bearbeitung nicht nur im Bau- und Wirtschaftsausschuss behandeln muss, sondern zuallererst und federführend auch im Umweltausschuss.
Dann ist eben angesprochen worden, dass die Müllverbrennungsanlagen möglicherweise nicht in der Lage wären, diese Stoffe zu entsorgen. Ich kann Ihnen sagen, dass zwölf der 16 Hausmüllverbrennungsanlagen waren schon vor der Änderung der Abfallverzeichnisverordnung für den Einsatz entsprechender gefährlicher Abfälle zugelassen. Mittlerweile sind es 14. 14 von 16 Anlagen sind also in der Lage, die Abfälle zu verbrennen, ohne Schaden zu nehmen.
Dann stelle ich noch die Frage – so viel Zeit muss sein, bevor wir uns dann der Ausschussberatung zuwenden –: Wo liegt eigentlich das Problem? – Das Problem liegt nicht in den Verbrennungsanlagen, sondern in der Umsetzung der Beschlüsse des Bundesrates hat sich gezeigt, dass etwa 100 Entsorger – die Annahmestellen also, die den anfallenden Müll für die Weitergabe an die Müllverbrennungsanlagen zum Beispiel durch Vermischung konditionieren – keine Genehmigung für gefährliche Abfälle besitzen. Somit ist es bei der Umsetzung zum Problem an der Schnittstelle zwischen Entsorgungsfirmen und Dachdeckerbetrieben gekommen. Es ist eben nicht ein Problem der Politik und schon lange nicht ein Problem der Entsorgungskapazitäten in Nordrhein-Westfalen.
Stichwort „Entsorgungskapazität“. Wenn ich richtig unterrichtet bin – vielleicht kann der Minister dazu gleich noch einmal etwas sagen –, geht es um 12.000 t der styroporhaltigen Dämmmaterialien, die wir in etwa jedes Jahr verbrennen. Das ist natürlich volumenmäßig eine große Zahl, weil es ein federleichter Stoff ist, aber es geht nur um 12.000 t.
Mit Blick auf die Beratungen im Umweltausschuss, im Wirtschaftsausschuss und im Bauausschuss noch einmal eine kurze Skizze der grünen Position: …
Präsidentin Carina Gödecke: Sie haben aber leider keine Redezeit mehr.
Hans Christian Markert (GRÜNE): Ja. – Nicht die Einstufung als „gefährlich“ hat zu unkalkulierbaren Auswirkungen geführt, sondern die Abwicklungsprobleme zwischen den Entsorgungsfirmen und den Verbrennungsanlagen. Ich will Ihnen direkt sagen: Für uns Grüne reicht ein Jahr Moratorium aus, weil wir dauerhaft der Auffassung sind, …
Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Markert!
Hans Christian Markert (GRÜNE): … Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, dass wir hier auch in Recyclingverfahren hineinkommen müssen. Der Minister und ich haben schon mit einigen Firmen zusammengesessen. Die Zeit werden wir nutzen, um möglicherweise ein Kreislaufsystem …
Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege!
Hans Christian Markert (GRÜNE): … an dieser Stelle zu etablieren.
Jetzt zur Zwischenfrage von Herrn Ellerbrock!
(Beifall von den GRÜNEN)
Präsidentin Carina Gödecke: Das nicht mehr, Herr Kollege Markert. Zwischenzeitlich haben wir Ihnen angezeigt, dass es den Wunsch nach einer Kurzintervention gibt.
Hans Christian Markert (GRÜNE): Gerne.
Präsidentin Carina Gödecke: Es gibt sogar einen zweiten Wunsch nach einer Kurzintervention. Zuerst hat Herr Kollege Ellerbrock für seine Kurzintervention das Wort.
Holger Ellerbrock (FDP): Herr Kollege Markert, Sie haben eben markige Sprüche von sich gegeben, der Minister hätte von sich aus gehandelt. Ich darf Ihnen noch einmal den Zeitablauf vor Augen führen: Bundesratsbeschluss am 25.09., das Gültigwerden der Abfallverzeichnisverordnung am 01.10., Einstufung als „gefährlich“, Kleine Anfrage der FDP; am 11.10. antwortet der Minister: Nein, es handelt sich nur um ein temporäres Problem, er möchte nicht auf den Weg der Bundesministerin einschwenken.
Am 12.11. ergeht ein entsprechender Erlass in Baden-Württemberg; in Nordrhein-Westfalen ergeht ein Entspannung versprechender Erlass am 25.10. Der Antrag von FDP und CDU kommt etwas später.
Ich weiß gar nicht, was Sie dagegen haben, dass ich den Minister dafür gelobt habe, dass er die Ohren aufgemacht hat für eine Argumentationskette der FDP.
Im Übrigen: Nach meinen Kenntnissen bleibt die Federführung beim Bauausschuss, und zwar aus folgendem Grunde: Wir sind Antragsteller. Sie mögen viel wollen, aber durchsetzen können Sie es nicht.
(Beifall von der FDP und der CDU)
Zusammen mit meinen Kollegen bin ich sicher, dass wir dieses für das Handwerk so wichtige Problem nach wie vor hier beim Bauausschuss belassen.
Ich finde es schade, dass durch Ihren Wortbeitrag eine eigentlich konsensuale Denkrichtung zwischen Ministerium und Opposition so an die Seite gerückt wird.
(Beifall von der FDP und der CDU)
Wir waren froh damit und haben das auch entsprechend gewertet. Wenn Ihr politisches Karo so klein ist, dass Sie das nicht ertragen können, ist das Ihr Problem. Das ist jedenfalls nicht unser Problem.
(Beifall von der FDP und der CDU)
Hans Christian Markert (GRÜNE): Lieber Herr Ellerbrock, Sie haben uns in den vergangenen 24 Stunden schon dreimal frohe Weihnachten gewünscht. Deswegen will ich jetzt auch weihnachtsmilde sein. Vorhin hatten Sie aber nicht nur gesagt, dass es ein Anliegen der FDP sei, auf das der Minister eingegangen sei, sondern dass es sozusagen die Bedingung dafür gewesen sei, dass der Minister überhaupt gehandelt habe. So viel Selbstverliebtheit wollte ich der FDP dann bei aller Liebe für liberale Ideen nicht zugestehen.
Herr Ellerbrock, ich will noch einmal daran erinnern, dass es bei der Einstufung in das Abfallverzeichnis am 4. März dieses Jahres, also bei der Übertragung der POP-Ansätze in das nationale Recht, darum ging, dass Expertinnen und Experten zu dem Ergebnis gekommen sind, dass die bromhaltigen Flammschutzmittel in Bezug auf Umwelt und Gesundheit als gefährlich im Sinne des europäischen Rechts einzustufen sind.
Ich plädiere dafür, das Ganze im Umweltausschuss federführend zu behandeln, weil der Ursprung im März dieses Jahres eine Einstufung als gefährlicher Stoff im umweltrechtlichen Sinne war.
(Widerspruch von Josef Hovenjürgen [CDU])
Denn der Ursprungspunkt ist die Frage, ob ein Stoff gefährlich ist oder nicht. Für uns Grüne bleibt er auch trotz des Moratoriums ein gefährlicher Stoff. Wenn wir jetzt vorübergehend einen Entsorgungsweg zugunsten des Handwerks schaffen, um ihm dieses Problem nicht aufzubürden, dann sind wir zusammen. Das kann aber nicht die Dauerlösung sein. Die Dauerlösung in einem modernen umweltorientierten und nachhaltig wirtschaftenden Land muss darin bestehen, die Kreislaufwirtschaft zu stärken. Das haben wir übrigens, lieber Kollege Ellerbrock und lieber Kollege Brockes, gemeinsam so in der Enquetekommission zur Nachhaltigkeit der Chemie festgehalten,
(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])
dass wir Kreislaufideen, wo immer es möglich ist, stärken wollen.
Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.
Hans Christian Markert (GRÜNE): Hier ist es möglich. Deswegen werden wir diesen Weg auch konsequent anpacken. Seien Sie versichert: Wir als Grüne werden das eine Jahr Moratorium sehr konstruktiv und zugunsten des Handwerks, aber auch zugunsten der Umwelt und der Gesundheit der Menschen nutzen.
Denn das Problem mit den Dämmstoffen …
Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Markert!
Hans Christian Markert (GRÜNE): … wird in 20, 30 Jahren noch viel größer sein; denn im Moment verpacken wir unsere Häuser ja noch mit Styropor.
Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Markert. Die zweite Kurzintervention hat sich zwischenzeitlich erledigt, sodass ich Ihnen für den Redebeitrag danke und Sie jetzt gerne das Redepult verlassen können.
Hans Christian Markert (GRÜNE): Das ist aber lieb. Ich wünsche trotzdem allen frohe Weihnachten. – Danke.
(Beifall von den GRÜNEN)