Hans Christian Markert: „Das oberste Ziel in der Abfallpolitik ist nicht das Recycling, sondern die Vermeidung.“

Antrag der CDU zur Erhöhung der Recyclingquote

Hans Christian Markert (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal, lieber Herr Kollege Deppe, freut es mich außerordentlich, dass Sie als CDU-Fraktion mit diesem Antrag offensichtlich erkannt haben, dass konsequenter Umweltschutz nicht nur ein Kostenfaktor ist, sondern selbst zu Wertschöpfung sowie Arbeitsplatzbeschaffung und -sicherung beitragen kann.
Wenn wir hier und heute über den ökologischen Abfallwirtschaftsplan und damit auch über Prinzipien der Kreislaufwirtschaft reden, dann sprechen wir anders als sonst – was viel zu oft geschieht – nicht über nachgelagerten Umweltschutz, sondern über prozessorientieren Umweltschutz.
Wenn ich Ihre offensichtliche Vorliebe für anglizistisches Neudeutsch – Stichwort: Benchmarking – berücksichtige, dann reden wir über „Cradle to Cradle“ – „von der Wiege zur Wiege“ –, statt von „End of the Pipe“.
Der Kollege Löcker hat zu Recht darauf hingewiesen, dass nicht nur der Hausmüllabfall eine Rohstoffquelle der Zukunft ist. Er ist zu schade für die Verbrennung. Gestern hat der Präsident des BDE – das ist der Bundesverband der Deutschen Entsorgungsindustrie – noch einmal daran erinnert, dass er davon ausgeht, dass bis 2050 damit zu rechnen sei, dass rund 60 Müllverbrennungsanlagen in Deutschland stillgelegt sein werden. Wenn man weiß, dass wir im Moment gut 70 haben, kann man sich die Dimension dessen, was er ausgeführt hat, ziemlich gut vorstellen.
Insofern geht es hier um eine Rohstoffquelle. Am besten wäre es, diese Rohstoffquellen gleich einer neuen Produktverwertung zuzuführen, also beispielsweise biologische Abfälle, aber auch andere industrielle Abfälle sofort wieder in die Neuproduktion bestimmter Produkte einzuführen. Ich finde, das ist spannend. Es wird in der Tat dazu führen, dass wir weniger Verbrennung brauchen. Das sollten übrigens auch diejenigen berücksichtigen, die in Müllverbrennungsanlagen immer noch Energieerzeugungsanlagen der Zukunft sehen. Wenn wir diese Entwicklung ernst nehmen, müssen wir uns auch überlegen, dass ein Weg, bei dem wir die Müllverbrennungsanlagen als Heizkraftwerke betrachten, am Ende dazu führen würde, dass wir immer noch mehr Müllimporte bekämen, was sicherlich auch einem gesteigerten Recyclingansatz bzw. Vermeidungsansatz zuwiderlaufen würde.
Dankenswerterweise haben Sie in Ihrem Antrag die Abfallhierarchie nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz und der europäischen Rahmenrichtlinie angesprochen. Allerdings wundert es mich ein wenig, dass Sie sich vor allen Dingen in Ihrer Rede, aber auch im gesamten Antrag sehr stark auf einen einzelnen Punkt kaprizieren. Wenn Sie tatsächlich Quoten im Auge haben und ein Benchmarking bei Quoten erreichen wollen, hätten Sie dies in den letzten Jahren bei der Erstellung des neuen Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes stärker einbringen können. Dann wären wir in dieser Hinsicht bereits weiter.
Allerdings sind Quoten eher Ziele. Spannend ist doch die Frage, wie wir diese Ziele – ganz gleich, wie hoch wir uns diese setzen – tatsächlich erreichen und welche Instrumente wir wählen, um diese Ziele zu erreichen. Das führt uns dann bei Stichworten wie „Verlängerung der Produktverantwortung“ tatsächlich von der Produktion bis zur Entsorgung, nach dem Motto „Cradle to Cradle“.
Dann sind wir bei der Frage, wie wir den Produktzyklus verlängern können. Mein Vorschlag lautet an der Stelle, wir sollten darüber diskutieren, wie wir Gewährleistungsrechte für Produkte verlängern. Denn dann wäre die Produktverantwortung automatisch länger, und die Langlebigkeit der Produkte würde automatisch gefördert werden.
Das oberste Ziel in der Abfallpolitik ist übrigens nicht das Recycling – das geht oft unter –, sondern die Vermeidung.
(Beifall von den GRÜNEN)
Denn Abfälle, die gar nicht erst entstehen, müssen wir auch nicht verbrennen.
(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Das ist wie bei den Daten!)
Darüber sollten wir auch gemeinsam diskutieren.
Lieber Kollege Deppe, wir haben uns vor einigen Tagen bei der IHK in Düsseldorf darüber ausgetauscht, wie Ihr Antrag vor dem Hintergrund der anstehenden Novelle des Abfallwirtschaftsplans in die abfallpolitische Diskussion passt. Ich möchte Ihnen auch hier noch einmal sagen: Ich hätte mir, wie gesagt, gewünscht, dass Sie mit diesen Vorschlägen früher gekommen wären. Schließlich haben Sie in den letzten Jahren die Umweltminister im Bund gestellt. Aber besser spät als nie. Ich gehe davon aus, dass wir spannende Debatten vor uns haben, und bin gespannt, wie Sie in den Ausschussberatungen Ihre Forderungen vielleicht noch ein bisschen konkretisieren werden.
(Zuruf von Thomas Kufen [CDU])
Wir werden uns jedenfalls in diese fundierte Debatte einbringen und hoffen auf konstruktive Beratungen im Ausschuss. Der Überweisung in denselben werden wir selbstverständlich zustimmen. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

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