Gudrun Zentis: „Sie leben unter uns und mit uns, und wir erkennen sie doch nicht“

Gemeinsamer Antrag zur Grundbildungsoffensive gegen Analphabetismus

Gudrun Zentis (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine beiden Vorrednerinnen haben schon vieles gesagt. Dem kann ich vorbehaltlos zustimmen. Das Bild, das wir fraktionsübergreifend in der Weiterbildung haben, zeigt: Wir sind uns grundlegend einig. – Somit richtet sich mein Dank an die Fraktionen, dass wir für Alphabetisierung und eine Verstärkung der Grundbildung einen gemeinsamen Antrag initiieren konnten.
Es ist schon ausgeführt worden: 1,5 Millionen Menschen in NRW können nicht richtig schreiben, lesen oder rechnen. Sie leben unter uns und mit uns, und wir erkennen sie doch nicht. Wir sind mit Sicherheit diesen Menschen schon begegnet.
Es ist schon erwähnt worden: 2014 gab es den großen Antrag „Breites Bündnis gegen Analphabetismus“. Ministerin Löhrmann hat die Schirmherrschaft übernommen, und der Landesverband der Volkshochschulen hat das „Alphanetz“ eingerichtet.
Alphabetisierung und Grundbildung müssen wir zusammen denken und zusammen angehen. Lesen, Schreiben und Rechnen reichen allein nicht mehr, um teilhaben zu können und um ein wirtschaftlich eigenständiges Leben zu führen. Bildung ist der Weg zum Erfolg.
Wie wir während der Ausschussreise in Kanada gehört haben, sagte jeder Verantwortliche und jede Verantwortliche in den Bildungseinrichtungen, die uns vorgestellt wurden: Jedes Kind kann erfolgreich sein. – Beim Kind fängt die Bildung an. Daraus ergibt sich auch unsere Forderung an das Schulsystem, dass Lehrerinnen und Lehrer besser in die Lage versetzt werden müssen, funktionalen Analphabetismus zu erkennen und zu verhindern.
Wir haben auch hervorragende Bedingungen geschaffen, mit den regionalen Netzwerken und mit den kommunalen Integrationszentren die Grundbildung aufzubauen und den Analphabetismus wirksam zu minimieren. Die Weiterbildung ist hier ein gleichrangiger Akteur zwischen allen.
An vielen Orten gelingt das schon – leider nicht an allen. Da müssen wir hinschauen. Wir brauchen die Familien, die Gesellschaft, die Vereine, die Sportvereine, die sozialen Einrichtungen, aber insbesondere auch die Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen, die den unmittelbaren Zugang zu Auszubildenden und Beschäftigten haben. Sie müssen wir aufmerksam machen und sensibilisieren, um Hinweise für die Lösung dieses Problems zu geben.
Wie leistungsfähig und flexibel Weiterbildung ist, hat sie in diesem Jahr bewiesen. Wir haben mit dem Nachtragshaushalt 2015 500.000 € mehr in die Weiterbildung gesteckt. Das war erstmalig eine Erhöhung für die Weiterbildung nach Wegnahme bzw. Streichung der Kürzungen in 2010. Wir machen es dieses Jahr erneut, indem wir wieder 500.000 € zusätzlich für Alphabetisierung und Grundbildung einstellen. 500.000 € stellen wir zusätzlich für Sprachkurse für Flüchtlinge bereit.
Die Weiterbildung hat kurzfristig reagiert und Kurse angeboten. Ich habe mir diese Kurse und die Träger angesehen. Alle waren sehr zufrieden: die Flüchtlinge, weil sie keine hohen Hürden für den Erwerb der deutschen Sprache mehr hatten, denn sie konnten die Kurse nutzen, und die Träger, weil die Beantragung problemlos ging und vor allen Dingen die Abrechnung nicht sehr aufwendig war. Diesem Beispiel sollten wir folgen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wir haben – das möchte ich betonen – in der Weiterbildung viele große und kleine Träger. Auch diese kleinen Träger müssen wir unterstützten, damit sie gleichrangig teilhaben können. Es ist sehr schwierig, Drittmittel für die Weiterbildung zu akquirieren. Deshalb brauchen wir auch hierbei Unterstützungsagenturen.
Die vielen bestehenden Fördertöpfe müssen besser koordiniert werden. Deshalb noch ein-mal die ganz zielgerichtete Bitte an den Bund, dass man hier mehr Kooperation braucht. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Zentis.

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