Gönül Eğlence (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen! Bei der Änderung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes geht es um mehr als nur einen technischen Eingriff. Mit dem Flüchtlingsaufnahmegesetz werden Geflüchtete den Städten und Gemeinden zugewiesen. Der Verteilungsschlüssel zielt darauf ab, Gerechtigkeit und Ausgewogenheit zwischen den Gemeinden sicherzustellen. – Das ist der technische Teil.
Der nichttechnische Teil lautet: Es ist unser gemeinsames Anliegen und unsere Pflicht, jenen, die Schutz vor Verfolgung und Krieg suchen, eine sichere Zuflucht zu bieten. Die Unterbringung und Integration von Geflüchteten in unseren Städten und Gemeinden geht uns alle an.
Mit dieser Gesetzesänderung werden wir die Errichtung neuer Landeseinrichtungen erleichtern und zusätzliche Unterbringungsplätze bereitstellen.
Der besondere Teil dieser Änderung sieht eine wichtige Anpassung vor: Künftig werden Unterbringungsplätze in Landeseinrichtungen zu 100 % auf die Aufnahmequote der jeweiligen Gemeinde angerechnet.
Mit diesem Schritt entlasten wir nicht nur Gemeinden finanziell und organisatorisch, sondern setzen auch ein Zeichen: Wir unterstreichen unser Bekenntnis zu Solidarität und Integration.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich an dieser Stelle noch etwas zum allgemeinen Diskurs sagen. Kürzlich habe ich in der Bahn einen jungen Syrer kennengelernt; nennen wir ihn Jamal. Jamal erzählte mir, ohne zu wissen, dass ich Politikerin bin, seine Geschichte. In perfektem Türkisch berichtete er, dass er die letzten acht Jahre in der Türkei verbracht habe. Der ungesicherte Rechtsstatus für Geflüchtete und die zunehmend gefährlich werdende politische Situation in der Türkei veranlassten ihn, sich zu Fuß auf den Weg nach Europa zu machen. In Deutschland ist er seit einigen Monaten. Nach der Anerkennung seines Asylantrags wartet er jetzt darauf, endlich einen Deutschkurs machen zu können.
Dieser junge Mann ist 25 Jahre alt. Als andere mit der ersten Liebe oder der Berufswahl beschäftigt waren, hat er im Alter zwischen 17 und 25 Jahren um sein Überleben gekämpft und zwei gefährliche Fluchtwege auf sich genommen. Jetzt versucht er einen Neuanfang.
In der Migrationsdebatte wird viel über Pull-Faktoren gesprochen.
Tatsächlich aber brauchen wir mehr Debatte und Handlung bei den Themen „Push-Faktoren“ und „Integration“.
Nach dem Angriffskrieg auf die Ukraine herrscht nun ein terroristischer Krieg gegen Israel. In Syrien, in der Türkei und zuletzt in Marokko hat es schwere Erdbeben gegeben, und im Nahen Osten spitzt sich die Sicherheitslage weiter zu.
Grenzschließungs- und Abschiebungsdebatten werden diese Realitäten nicht wegreden können.
(Beifall von den GRÜNEN)
Denn Jamal hat gute Gründe für seine Flucht. Ihm und anderen müssen wir ermöglichen, anzukommen.
Wir stärken mit der Änderung im Flüchtlingsaufnahmegesetz nicht nur Landeseinrichtungen in unseren Gemeinden; wir bieten durch Unterbringung und Vermeidung von Obdachlosigkeit die Grundlage für genau dieses Ankommen.
Geflüchtete lassen häufig zerstörte Brücken hinter sich. Wir alle haben die gemeinsame Aufgabe, für jene, die unsere Hilfe benötigen, neue Brücken zu bauen. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)