Gönül Eğlence (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen! Mit Ihrer Erlaubnis möchte ich gerne meiner Rede ein Zitat voranstellen, ein Teil der Urteilsbegründung des OVG Münster:
„Nach Überzeugung des Senats liegen hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass die AfD Bestrebungen verfolgt, die gegen die Menschenwürde bestimmter Personengruppen sowie gegen das Demokratieprinzip gerichtet sind. Es besteht der begründete Verdacht, dass es den politischen Zielsetzungen jedenfalls eines maßgeblichen Teils der AfD entspricht, deutschen Staatsangehörigen mit Migrationshintergrund nur einen rechtlich abgewerteten Status zuzuerkennen. Dies stellt eine nach dem Grundgesetz unzulässige Diskriminierung aufgrund der Abstammung dar, die mit der Menschenwürdegarantie nicht zu vereinbaren ist.“
– Zitat Ende.
Der vorliegende Antrag belegt dies abermals. Als Demokratin kann ich an dieser Stelle nur sagen: Das Grundgesetz und unsere freiheitlich-demokratische Rechtsordnung gelten für alle, sowohl mit seinen Rechten als auch mit seinen Pflichten.
Unsere Gesetze kommen zur Anwendung bei Islamisten genauso wie bei Rechtsextremisten. Die AfD aber will hier natürlich Unterschiede machen: Deutsche ohne Migrationshintergrund sollen anders behandelt als Deutsche mit Migrationshintergrund. Das wissen wir spätestens seit Potsdam und können es in diesem Antrag auch noch einmal nachlesen.
Ganz lapidar wird außerdem im Antrag ein – in Anführungszeichen – Insider aus der BILD zitiert, wonach der Verfassungsschutz – Zitat – „Leute beobachten soll, die schlechte Witze über grüne Politiker machen“. – Damit werden tätliche Angriffe auf Politiker*innen bagatellisiert, und wie ernst die Lage tatsächlich ist, haben wir erst heute Morgen in der Aktuellen Stunde thematisiert.
(Zuruf von der AfD)
Ich weiß auch, dass es weder in Ihr Weltbild passt noch in Ihre Erzählungen, aber niemand hier unter den Demokrat*innen hat Hemmungen bei der Bekämpfung oder gar bei der Benennung von Problemen. Das Problem heißt in diesem Fall „Islamismus“ oder – allgemeiner – „Extremismus“. Es heißt nicht „Migrationspolitik“.
Im Übrigen dürften wir Demokrat*innen uns alle einig sein, dass wir von Parteien, die rechtsextremistische Verdachtsfälle sind, keine Handlungsempfehlungen anzunehmen brauchen.
Der Salafismus und Dschihadismus sind keine importierten Probleme, es sind Ideologien, die im Westen entstanden sind und von sogenannten „Born-again-Muslims“ vertreten werden.
(Zuruf von Sven Werner Tritschler [AfD])
Was Sie nicht verstehen und vermutlich auch nicht verstehen wollen, ist, Migrationspolitik beschränkt sich nicht darauf, Menschen aus dem Land rein- oder rauszulassen. Wie so oft ist es auch hier komplexer. Ich weiß, das fällt Ihnen schwer. Es geht um Gestaltung von gesellschaftlichem Zusammenleben und ist ein stetiger Aushandlungsprozess. Natürlich findet dieser Aushandlungsprozess nicht im luftleeren Raum statt, die Grenzen dessen werden durch unser Grundgesetz und unseren Rechtsstaat gezeichnet.
In einem Einwanderungsland sind die Bedrohungslagen unserer gesellschaftlichen Grundordnung so vielfältig wie die Menschen, die hier leben. In einer Einwanderungsgesellschaft muss es also darum gehen, praktikable Antworten auf unterschiedliche Ursachen von radikalen Ideologien zu finden – egal, ob im Netz, in der Schule oder auf der Straße.
Antidemokratische und radikale Bewegungen kopieren sich übrigens gegenseitig. Ihre Strategien ähneln sich. Während in Hamburg die einen – so haben Sie es in Ihrem Antrag zitiert – die Parole „Wertediktatur“ rufen, lautet die Parole anderswo eben „Meinungsdiktatur“.
Unsere Aufgabe als Demokrat*innen ist es, allen radikalen Bestrebungen entgegenzuwirken. Je nach Ursache, also ob Rechtsextremismus oder Islamismus, sieht die Ansprache anders aus, aber im Kern bleibt sie gleich. Es geht um Resilienz gegen antidemokratische und radikale Einstellungen. Mit politischer Bildungsarbeit, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen für Lehrkräfte und rechtsstaatlichen Mitteln gegen politische Straftaten gehen wir gegen Extremismus vor. Ihren Antrag brauchen wir nicht. – Danke.