Gönül Eğlence: „Politik muss wieder als verlässliche Partnerin an der Seite von Bildungseinrichtungen wahrgenommen werden“

Zum Antrag der FDP-Fraktion zu vakanten Ausbildungsplätzen

Portrait Gönül Eglence

Gönül Eğlence (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen! Uns liegt ein Antrag der FDP-Fraktion vor, und sie fordert darin eine Lehrkräfteoffensive. Ich gebe zu: Ich war bei der Lektüre des Antrags ein wenig erstaunt.

Die Forderung nach einer Vereinfachung des Seiteneinstiegs oder einem Ausbau des Praxisbezugs in der Lehrer*innenausbildung finde ich beispielsweise ausgesprochen richtig und wichtig. Ich frage mich allerdings, warum Sie diese Maßnahmen nicht schon in der vorigen Legislaturperiode ergriffen haben, als Sie selbst die Bildungsministerin gestellt haben.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Das ist richtig!)

Wie dem auch sei: Alle Punkte des Antrags finden sich im schwarz-grünen Zukunftsvertrag wieder. Deshalb hat Ministerin Feller bereits in den Sommerferien eine Arbeitsgruppe zur Unterrichtsversorgung eingesetzt. Derzeit werden Gespräche mit relevanten Akteur*innen dazu geführt.

Lassen Sie uns an dieser Stelle rekapitulieren, woher wir kommen. Tatsache ist: Der Lehrkräftemangel ist nicht im Mai dieses Jahres plötzlich und unangekündigt über uns hereingebrochen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Nein, allein im vergangenen Jahr hatten wir über 4.000 unbesetzte Lehrer*innenstellen.

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

Ich helfe Ihrem Gedächtnis gerne mit ein paar konkreten Zahlen auf die Sprünge: Waren in Nordrhein-Westfalen zu Beginn der abgelaufenen Legislaturperiode, im Jahr 2017, noch 1,9 % der Stellen unbesetzt, sind es jetzt 2,7 %. In konkreten Zahlen heißt das: Es waren am ersten Juni dieses Jahres rund 4.369 Stellen nicht besetzt. Vor fünf Jahren hingegen waren es noch 2.945 unbesetzte Stellen. Wir halten also fest: Das Problem ist während Ihrer Regierungsphase nicht kleiner geworden, sondern deutlich angewachsen.

Aber lassen Sie uns die Vergangenheitsbewältigung beiseitelegen. Sie fordern in Ihrem Antrag außerdem eine schnelle Umsetzung der Eingangsbesoldung. Das sehen wir genauso, aber auch da muss ich Ihnen leider sagen: Sie kommen zu spät. Die Umsetzung ist bereits in Arbeit, die Verbändeanhörung eingeleitet und der Plan zur schrittweisen Anpassung erstellt.

Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Frau Kollegin, es besteht der Wunsch nach einer Zwischenfrage seitens des Kollegen Professor Pinkwart.

Gönül Eğlence (GRÜNE): Im Anschluss vielleicht.

(Heiterkeit von den Grünen und Prof. Dr. Andreas Pinkwart [FDP] – Beifall von den Grünen)

Sie stellen Anträge zu bereits in Arbeit und in Umsetzung befindlichen Maßnahmen. Ich hätte mir stattdessen mehr Kreativität von Ihnen gewünscht. Es geht in der Debatte nämlich um so viel mehr. Ich habe in den vergangenen Jahren eine Bildungsorganisation geleitet, die an sogenannten Brennpunktschulen zusätzliches Lehrpersonal zum Einsatz gebracht hat. Wie Schulen, Schulleitungen, Lehrpersonal und weitere Akteur*innen Herausforderungen durch Kreativität und Flexibilität lösen, weiß ich daher aus erster Hand.

Schade ist nur, dass diese Potenziale in den vergangenen Jahren unter Ihrer Führung des Hauses allzu oft verschenkt wurden. Ich habe miterlebt, dass junge Menschen, insbesondere während der Hochphasen der Pandemie, von Tätigkeiten in Bildungseinrichtungen zunehmend abgeschreckt gewesen sind. Das Chaos der vergangenen zwei Jahre hat das Image von Schule als Arbeitsort massiv geschädigt.

Man muss sich vorstellen, dass wir von einer Generation sprechen, die engagiert und hochmotiviert ist, aber aus Angst vor Zermürbung nicht mehr von einem Einsatz in Schule zu überzeugen ist. Als erstes müssen wir also dieses Vermächtnis rückgängig machen. Politik muss wieder als verlässliche Partnerin an der Seite von Bildungseinrichtungen wahrgenommen werden.

Ich bin also gespannt, mit welchen Innovationen Sie in den Ausschuss kommen werden und freue mich auf die Diskussionen dazu. Wir sind jedenfalls offen für jede gute und neue Idee. Noch ein letzter Satz: Das Recht auf Bildung ist ein hohes Gut, und wir sind alle miteinander verpflichtet, dieses zu gewährleisten. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Frau Kollegin, ist jetzt vielleicht der Anschluss gegeben?

Gönül Eğlence (GRÜNE): Nein.

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