Gönül Eğlence: „Mehrsprachigkeit ist kein Problem, sie ist Realität und eine Stärke unseres Landes“

Zum Abschlussbericht der Enquetekommission „Chancengleichheit in der Bildung“

Portrait Gönül Eglence

Gönül Eğlence (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen! Zuvor ganz kurz zum Festhalten, sonst geht so etwas unter: Die AfD-Fraktion hat vorhin referiert, dass sie mindestens die Hälfte der Schülerinnen und Schüler überhaupt nicht in Schulen sehen will. Und wenn sie schon da sind, sind sie so unwichtig für sie, dass man mit ihnen gar nichts machen muss. Ich finde, das müssen wir einmal kurz würdigen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Unser Bildungssystem leistet viel, stößt aber an Grenzen, wenn es um gerechte Chancen für alle geht. Gerade dort, wo Kinder und Jugendliche auf die Unterstützung der Schule und der Gesellschaft am meisten angewiesen sind, entscheidet sich, ob wir als Land wirklich zusammenhalten.

Ein zentrales Ergebnis der Enquetekommission betrifft die Sprache. Der Bericht macht deutlich, was wir längst wissen, aber endlich strukturell anpacken müssen: Mehrsprachigkeit ist kein Problem, liebe Franzi, sie ist Realität und eine Stärke unseres Landes.

(Zuruf von Franziska Müller-Rech [FDP])

Fast die Hälfte der Kinder wächst mit mehr als einer Sprache auf, das ist längst keine Ausnahme. Wir müssen aufhören, Mehrsprachigkeit als Sonderfall zu behandeln.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wenn Kinder in ihrer Herkunftssprache sicher sind, dann lernen sie auch besser Deutsch. Wer beides wertschätzt, öffnet Wege, nicht Grenzen. Darum müssen wir Sprachbildung, herkunftssprachlichen Unterricht und Lehrkräftequalifizierung zusammendenken. Mehrsprachigkeit gehört zur Normalität des Lernens, nicht an den Rand, sondern in die Mitte der Schule.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Der Bericht hebt hervor, wie entscheidend außerdem außerschulische Partner sind: Jugendhilfe, Sportvereine, Kulturinitiativen, Zivilgesellschaft. Sie alle tragen dazu bei, dass Kinder erleben: Lernen kann überall stattfinden. Diese Orte sind oft dort stark, wo das System Schule an seine Grenzen stößt, nämlich in benachteiligten Quartieren bei Kindern ohne familiäre Unterstützung in Phasen des Übergangs.

Wir brauchen stabile Kooperationen zwischen staatlicher Bildungsstruktur und der zivilgesellschaftlichen Welt. Bildung darf nicht an den Schulmauern aufhören, sondern muss ein offenes Netzwerk für Mentoring, Demokratiebildung und kulturelle Teilhabe sein.

Wir haben außerdem gelernt, wie träge unsere Strukturen manchmal sein können: fünf Bezirksregierungen, Schulämter, Schulträger, Ministerium. Wir brauchen eine Verwaltung, die Schule stärkt, statt sie auszubremsen, mehr Eigenverantwortung vor Ort, mehr Vertrauen in Schulleitungen, aber auch klare Unterstützung. Agile Steuerung heißt: Schulen können handeln. Politik gibt den Rahmen dafür vor und ermöglicht Innovation.

Zusammengefasst: Die Kommission hat gezeigt, wo Veränderung nötig ist, nämlich in der Anerkennung von Mehrsprachigkeit. Wir müssen Bildung im Sozialraum denken, um Schulstrukturen beweglicher zu machen. Ich danke allen demokratischen Fraktionen für die konstruktive Zusammenarbeit. – Herzlichen Dank.

Mehr zum Thema

Schule