Gönül Eğlence: „Lehrkräfte leisten deutlich mehr Arbeit als die bloße Wissensvermittlung“

Zum Antrag der SPD-Fraktion zur Lehrerarbeitszeit

Portrait Gönül Eglence

Gönül Eğlence (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen! Im Titel des vorliegenden Antrags liest man den Satz – ich zitiere mit Erlaubnis –: „Lehrkraft-Sein ist mehr als Unterricht“. Ich stimme diesem Satz auch in gewisser Weise zu, würde ihn aber ein bisschen anders formulieren, und zwar so: Lehrkräfte leisten deutlich mehr Arbeit als die bloße Wissensvermittlung; Anerkennung dafür erhalten sie hingegen nicht immer.

Die Herausforderungen dabei sind vielfältig. Sie sprechen in Ihrem Antrag zum Beispiel die Digitalisierung des Schul- und Lernlebens an. Hinzu kommen Schülerinnen und Schüler im Quereinstieg, deren Integration in das Regelsystem nach wie vor viel zu häufig als Sonderfall betrachtet und so behandelt wird.

Gleichzeitig gibt es auf der anderen Seite beispielsweise Super-Eltern, die jeden Schritt des Schullebens ihrer Kinder via Messengerdiensten bei Lehrkräften abfragen,

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Furchtbar!)

oder umgekehrt systemferne Eltern, die auch im übertragenden Sinne kaum erreichbar sind.

All diese und noch weitere Herausforderungen belegen die Belastungszustände von Lehrkräften. Hierbei sind sich wohl die meisten von uns einig. Ebenfalls herrscht ein gewisser Konsens darüber, dass das Deputatsmodell auch aus rechtlicher Perspektive nicht mehr zeitgerecht ist.

(Beifall von den GRÜNEN und Matthias Kerkhoff [CDU])

Wir sehen aber auch – das ist einfach so, Frau Engin –, dass das im Antrag vorgeschlagene Hamburger Modell nicht die richtigen Antworten liefert. Zum Beispiel ist die Faktorisierung beim Hamburger Modell nicht überzeugend. Für neue Aufgaben steht kein zusätzliches Zeitbudget zur Verfügung. Die Schulleitungen müssen Budgetanteile an anderer Stelle einsparen, zum Beispiel durch größere Lerngruppen, verkürzte Stundenanteile oder sogenannte Selbstlernzeiten der Schülerinnen und Schüler.

(Zuruf von Dilek Engin [SPD])

Daher ist die Überlastung der Lehrkräfte in Hamburg tatsächlich sogar höher als in den anderen Bundesländern. Die Hansestadt verfügt – so haben wir in der Anhörung gelernt – über den bundesweit höchsten Anteil an Lehrerinnen und Lehrern, die nicht in Vollzeit arbeiten. Gleichzeitig werden auch der erhöhte Mehraufwand an Grundschulen durch die eben beschriebene Elternarbeit oder Faktoren wie der Sozialindex nicht berücksichtigt.

Kommen wir zu dem, was wir aus meiner Sicht wirklich brauchen, nämlich eine Arbeitszeiterfassung, die sich an der Realität der Lehrer*innen orientiert

(Dilek Engin [SPD]: Das haben wir doch gesagt!)

und Bedingungen schafft, die Qualität für Lehrkräfte und auch für Schüler*innen sicherzustellen, und zwar so schnell wie möglich. Darum sehen wir die Lösungen vor allem in der Entlastung von außerschulischen Tätigkeiten, die sich bei den Lehrer*innen stapeln. Genau das haben wir in unserem Fachkräfteantrag aufgegriffen.

Wir brauchen Personal in der Schule, von multiprofessionellen Teams im pädagogischen Bereich bis hin zu Verwaltungshilfen oder Alltagshelfer*innen, das die Lehrkräfte entlastet, damit diese sich auf die Qualität des Unterrichts konzentrieren können. Hierbei besteht übrigens auch die Chance, dass sie über den Seiteneinstieg langfristig in der Schule bleiben.

Es braucht also ein solides und gut durchdachtes Modell, damit wir nicht die nächste Sau durch die Schule jagen, und das braucht eben Zeit.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Hierbei sehe ich – wie eingangs gesagt – nicht Hamburg als Modell. Das ist auch in der Anhörung deutlich geworden. Aufschlussreich hingegen fand ich unsere Ausschussreise nach Finnland. Das dortige Arbeitszeitmodell fand ich spannend: Es gibt eine Grundvergütung, Arbeitszeit und Extras on top.

Aber ja: Es braucht eine Überarbeitung des Deputatsmodells. Gespräche müssen geführt werden, und sie werden geführt. Hamburg ist allerdings nicht die Antwort darauf.

(Dilek Engin [SPD]: Das ist doch gar nicht die Forderung in unserem Antrag!)

Darum lehnen wir Ihren Antrag ab. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

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