Gönül Eğlence: „Es gibt jetzt so viel Förderung wie noch nie zuvor“

Zum Antrag der SPD-Fraktion zu Diskriminierungen auf dem Wohnungsmarkt

Portrait Gönül Eglence

Gönül Eğlence (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen! Der Antrag, über den wir sprechen, trägt den Titel:

„Diskriminierung von Alleinerziehenden und Menschen mit Zuwanderungsgeschichte auf dem Wohnungsmarkt entschieden bekämpfen“

Wissen Sie, was ich als Erstes gedacht habe, als ich den Antrag gelesen habe? Warum gerade diese beiden Gruppen, und warum in einem Antrag? Warum nicht auch Menschen mit Behinderung, ältere Menschen oder gar Wohnungslose?

(Beifall von den GRÜNEN und Wilhelm Korth [CDU])

Beispielsweise ist nämlich die Wohnungssuche zu keinem Zeitpunkt so schwierig wie aus der Wohnungslosigkeit heraus. Warum werden diese Menschen also nicht bedacht? Warum ausgerechnet nur dieser kleine Teil beleuchtet wird, bleibt ein Rätsel. Aber ein Schritt nach dem anderen.

(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Weil wir uns dem „Housing First“ schon gewidmet haben!)

Auch die SPD erkennt immerhin an, dass es einen – Zitat aus dem Antrag – „angespannten Wohnungsmarkt“ gibt.

(Sarah Philipp [SPD]: Nichts Neues! – Zuruf von Sebastian Watermeier [SPD])

Die Situation ist meines Erachtens mehr als nur angespannt. Und weil das so ist, wurde beispielsweise die Wohnraumförderung durch die Landesregierung aufgestockt. Es gibt jetzt so viel Förderung wie noch nie zuvor.

Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Frau Kollegin, es besteht der Wunsch nach einer Zwischenfrage von dem Kollegen Watermeier. Lassen Sie die zu?

Gönül Eğlence (GRÜNE): Bitte.

Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Haben Sie jetzt „bitte“ gesagt?

Gönül Eğlence (GRÜNE): Ja.

Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Das war so dezent, das ist gar nicht oben angekommen. – Bitte schön, Herr Kollege.

Sebastian Watermeier (SPD): Frau Kollegin, Sie haben gerade festgestellt: Auch die SPD erkennt an, dass es einen angespannten Wohnungsmarkt gibt. – Ich frage Sie: Haben Sie heute Morgen in der Debatte zum Mieterschutz wahrgenommen, dass der Kollege Brüntrup die relativ geringe Feststellung von einem angespannten Wohnungsmarkt in nordrhein-westfälischen Kommunen mit 18 Kommunen in der Gebietskulisse verteidigt hat? Das ist Ihr Koalitionspartner, das sage ich nur hinterher.

(Heiterkeit von Lisa-Kristin Kapteinat [SPD])

Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Bitte schön, Frau Kollegin.

Gönül Eğlence (GRÜNE): Vielen Dank. – Ich kann nicht für meinen Kollegen sprechen. Ich spreche für mich,

(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Und wir dachten, die Koalition spricht für sich!)

und ich sage: Aus meiner Sicht haben wir gerade eine mehr als nur angespannte Situation.

(Gordan Dudas [SPD]: Das gibt Spannungen in der Koalition! – Zurufe von Tom Brüntrup [CDU] und Wilhelm Korth [CDU])

Und weil das so ist, hat die Landesregierung die Wohnraumförderung so stark aufgestockt. Aber – das wollte ich als Nächstes sagen – ich bin keine Expertin für Bauen und Wohnen

(Sebastian Watermeier [SPD]: Das merkt man gar nicht!)

und werde mich deswegen auf die Punkte konzentrieren, zu denen ich eine Expertise habe.

Damit kommen wir zum nächsten Punkt, der sich mir nicht erschließt. Der Antrag soll federführend in den Ausschuss für Gleichstellung und Frauen – wegen der Alleinerziehenden, nehme ich an – überwiesen werden, obwohl die Beschlusspunkte aus meiner Sicht besser im Ausschuss für Bauen, Wohnen und Digitalisierung aufgehoben wären. Sie haben das aber so entschieden. Mir ist die Logik nicht so richtig klar; es ist also ein Rätsel.

(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Das ist jetzt Ihre Expertise?)

Und es geht noch weiter: Mitberatend soll sich auch der Integrationsausschuss mit dem Antrag befassen. Hierfür hat man die Zielgruppe der Menschen mit internationaler Geschichte mitaufgenommen, nehme ich an. Haben Sie hiermit das Thema „Intersektionalität“ aufgreifen wollen? Ein weiteres Rätsel.

Erlauben Sie mir, etwas Ordnung in Ihre Initiative hineinzubringen, indem ich versuche, einen roten Faden in einen Antrag zu bringen, in dem ich Ihren leider nicht gefunden habe. Wir können festhalten: Wir sind uns einig, dass wir ein Problem im Wohnungsmarkt und insbesondere im Feld des bezahlbaren Wohnraums haben. Deshalb sind seitens der Landesregierung bereits Fördermittelerhöhungen und weitere Instrumente aufgegriffen worden. Weiterführende Vorschläge konnte ich dem Antrag allerdings nicht entnehmen.

Zum Thema „Diskriminierung und Intersektionalität“. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz soll auch vor der Benachteiligung beim Zugang zu Wohnraum schützen. Dass hier die Problematik der Belegbarkeit besteht, ist unbestritten. Dort, wo Schutzlücken bestehen, soll und wird ein Landesantidiskriminierungsgesetz Abhilfe schaffen. Dieses soll nicht nur einzelne Gruppen aufgreifen, wie Sie das gerade tun, sondern alle betroffenen Gruppen – seien sie mehrfach oder einfach diskriminiert – in den Blick nehmen. Das ist nicht nur im schwarz-grünen Koalitionsvertrag so vereinbart und geplant, sondern auch bereits in Arbeit.

Als integrationspolitische Sprecherin und Frau mit internationaler Geschichte vielleicht noch eine Bemerkung zum Schluss: Das Thema „Diskriminierung“ ist auch und vor allem im Bereich des Wohnungsmarkts nicht plötzlich über uns hereingebrochen.

(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Das steht auch nicht im Antrag!)

Gerade für Menschen mit internationaler Geschichte ist das seit Jahrzehnten gelebte Realität.

(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Dann sollten Sie doch dankbar für den Antrag sein!)

Ich kann mich daran erinnern, dass ich, als ich als knapp 19-Jährige auf meiner ersten Wohnungssuche war, tatsächlich gefragt wurde, ob ich Brüder hätte oder von zu Hause weglaufen musste – um nur ein persönliches Beispiel zu nennen.

(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Wenn Sie es doch kennen!)

Anlass, hier aktiv zu werden, gibt es also nicht erst seit, seitdem Schwarz-Grün regiert. Wir sind aber diejenigen, die es jetzt angehen. Wir stimmen der Überweisung zu. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)