Gönül Eğlence (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen! Ich muss wirklich sagen: Dass dieser Antrag die Unterschrift der FDP trägt, hat mich tatsächlich überrascht.
Nach dem Lesen des Antrags frage ich mich allerdings nur noch eines: Geht es hier wirklich um Sozialpolitik? Dem Titel zufolge klingt es jedenfalls eher nach Stimmungsmache, auch wenn vorgegeben wird, die kommunale Unterstützung im Blick zu haben.
Es wird deutlich wird, dass es nicht um soziale Gerechtigkeit geht, sondern um die Skandalisierung von Zuwanderung. Das kennen wir sonst von den politischen Rändern. Ja, es gibt Probleme mit organisiertem Missbrauch und sogenannten Schrottimmobilien. Anstatt allerdings die Täter in den Blick zu nehmen, zielt Ihr Antrag mindestens im Titel auf die Opfer ab.
(Zuruf von Susanne Schneider [FDP])
Betroffen sind Menschen, die als EU-Bürger*innen das Recht haben, nach Deutschland zu kommen. Viele hoffen auf Arbeit und ein gutes Leben, landen aber in brüchigen Wohnungen und werden schamlos ausgenutzt. Die Aufgabe wäre, ihre Rechte zu schützen, aber Sie, liebe FDP, ziehen es vor, einen Generalverdacht gegenüber EU-Bürger*innen insbesondere aus Südosteuropa zu formulieren.
(Zuruf von Susanne Schneider [FDP])
Damit stellen Sie letztlich eben doch die europäische Idee infrage.
(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])
Besonders irritierend ist: Sie fordern eine Anpassung der Rechtsgrundlagen zur Arbeitnehmerfreizügigkeit. Ist das ernsthaft die neue FDP-Linie? Ist das dieselbe FDP, die Freizügigkeit und offene Märkte bisher als Grundpfeiler verteidigte? Das liest sich nicht wie Liberalismus, das liest sich eher wie Populismus mit FDP-Logo.
(Beifall von den GRÜNEN)
Auch Ihre eigenen Zahlen sprechen übrigens gegen die Dramatik, die Sie aufmachen. 140.000 Verdachtsfällen unrechtmäßiger Kindergeldzahlungen stehen 421 bestätigte Fällen im Bürgergeldbereich im Jahr 2024 gegenüber. Das wiederum zeigt: NRW hat das Problem erkannt – meine Vorrednerin von der CDU hat es erwähnt –
(Enxhi Seli-Zacharias [AfD]: Ja, ja! Absolut!)
und handelt mit ordnungspolitischen Maßnahmen, mehrsprachiger Aufklärung und ressortübergreifender Zusammenarbeit. Beim Kindergeld greift nämlich das Modell MISSIMO. Daten aus Jobcentern, Familienkassen und Kommunen werden zusammengeführt, sodass unrechtmäßige Zahlungen rasch gestoppt werden.
Auch im Bereich „Integration“ ist Ihr Antrag einfach unsachlich. Das Kommunale Integrationsmanagement KIM ist flächendeckend etabliert, gut finanziert und ermöglicht es Kommunen, eigene Schwerpunkte zu setzen – auch auf Südosteuropa. Zugewanderte erhalten durch das Case Management individuelle und rechtskreisübergreifende Beratung. Das ist echte Unterstützung.
Das Modellprojekt „Südosteuropa“ war bewusst befristet. Kommunen legten Konzepte für die Überführung in die Regelstrukturen vor und erhielten zuletzt noch einmal 5,5 Millionen Euro jährlich. Heute bestehen landesweit starke Strukturen.
(Zuruf von Enxhi Seli-Zacharias [AfD])
KIM-Integrationszentren, Integrationsagenturen und auch die Migrantenselbstorganisationen sind ein Teil dessen.
Wer aber organisierte Ausnutzung wirklich bekämpfen will, der muss Zoll, Wohnraumschutzämter und Sozialbehörden stärken,
(Zuruf von Enxhi Seli-Zacharias [AfD])
kriminelle Vermieter belangen, Ausbeutung auf dem Arbeiterstrich beenden, Kindern Teilhabe ermöglichen. Doch in Ihrem Antrag findet sich nichts dazu – keine Stärkung der Jobcenter; keine Vorschläge für einen besseren Bildungszugang, faire Arbeit oder Gesundheitsversorgung. So bleiben Zugewanderte aus Osteuropa an den Rand gedrängt statt integriert; schutzlos ausgeliefert.
Ihr Antrag ist sozialpolitisch substanzlos und integrationspolitisch brandgefährlich. Deshalb, liebe Kolleg*innen, stimmen wir der Überweisung zwar zu, inhaltlich lehnen wir diesen Antrag aber ab – nicht, weil uns Probleme egal wären, sondern weil wir Lösungen suchen und keine Sündenböcke. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU und der SPD)
