Gönül Eğlence: „Diesem gefährlichen Populismus gegen eine Gruppe müssen wir klar entgegentreten“

Zum Antrag der "AfD"-Fraktion zu Silvester

Portrait Gönül Eglence

Gönül Eğlence (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen! Auf knapp sechs Seiten legt uns die AfD einen als innenpolitisch getarnten Antrag vor, der am Ende aber vor allem eine Anklage ist.

Die Anklageschrift steht fest: Nichtintegrierte migrantische Männer greifen den Staat an. In der Nebenanklage stehen der Vorwurf der politischen Korrektheit und mindestens Blindheit gegenüber der Realität im Raum. Die Hauptangeklagten sind in der Welt der Antragsteller*innen Ausländer – egal ob mit oder ohne deutschem Pass. Die Nebenangeklagten sind natürlich der öffentlich-rechtliche Rundfunk, die Altparteien – so werden sie im AfD-Sprech genannt – oder wie wir anderen sagen würden: die demokratischen Parteien.

Die Antragsteller*innen selbst sind natürlich in Personalunion Ankläger*innen und Richter*innen zugleich. Auch das Urteil können wir bereits nachlesen: Die Integration sei gescheitert. So ist es im Antragstext zu lesen.

Wo Ideologie tatsächlich auf Wirklichkeit trifft, erkennt man den Reflex, bei jedweder Problematik die Migrationsdebatte zu eröffnen; nicht aber im Erfolgsfall. Der renommierte Migrationswissenschaftler Professor Jochen Oltmer spricht dabei von einem Mechanismus der Skandalisierung, die in verlässlicher Regelmäßigkeit auftrete. Er begründet dies damit, dass das Thema „Migration“ in großen Teilen der Öffentlichkeit oft kritisch gesehen werde.

Diesem gefährlichen Populismus gegen eine Gruppe, meine Damen und Herren der demokratischen Fraktionen, müssen wir klar entgegentreten. Wir müssen die vielfältigen Ebenen der Debatte auseinanderhalten und die Debatten führen, die wirklich entscheidend sind.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Zur Wirklichkeit gehört auch, dass Kriminalität nicht kulturalisiert oder gar ethnisiert werden kann. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, aber ich sage es noch einmal für alle zum Mitschreiben: Es gibt keinen wissenschaftlich belegten Kausalzusammenhang zwischen Gewaltbereitschaft und Migrationsgeschichte.

(Beifall von den GRÜNEN)

Auf die eigentlich nennenswerte Wirklichkeit hierbei wies Prof. Karim Fereidooni – Rassismusforscher der Ruhr-Universität Bochum – unmittelbar hin. Der Anteil der neu eingestellten Polizist*innen in Berlin etwa lag zuletzt bei 37 %; in NRW sind es übrigens 15 %. Damit ist diese Gruppe auch diejenige, die zur Aufklärung solcher Straftaten beiträgt.

Schlussendlich können wir also festhalten, dass dieser migrationspolitische Antrag abermals nicht nur die rechtspopulistische Motivation der Antragsteller*innen zeigt, sondern wie so oft auch sachlich falsch ist. Daher stimmen wir bei inhaltlicher Ablehnung der Überweisung zu. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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