Frank Jablonski: „Wir Demokratinnen und Demokraten in NRW sind nicht nur die übergroße Mehrheit, sondern werden Widerspruch erheben“

Zum Antrag der "AfD"-Fraktion zu einem Polizeieinsatz in Köln:

Portrait Frank Jablonski

Frank Jablonski (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Zu dem AfD-Antrag Drucksache 18/9713 „Erneutes Polizeiversagen in Köln“ werde ich heute sprechen. Ich werde zu den Vorgängen in Widdersdorf sprechen und nicht zu denen in Essen.

Wir haben heute einen Antrag der AfD vorliegen, der die Polizeikolleginnen und Polizeikollegen in NRW diskreditieren soll. Er gehört zu dem Versuch, Schülerinnen und Schüler, die sich für unsere Verfassung einsetzen, einzuschüchtern. Er gehört zu dem Versuch, Lehrerinnen und Lehrer, die dem Grundgesetz und der Landesverfassung NRW verpflichtet sind, zu delegitimieren. Er gehört zu dem Versuch, die demokratische Zivilgesellschaft in unserem schönen Bundesland unter Druck zu setzen.

Zunächst einmal: Das wird der Partei von Björn Höcke in NRW nicht gelingen.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Um was geht es heute eigentlich? Am 16. Juni 2024 hat die AfD ihren Kreisparteitag im Gymnasium Neue Sandkaul in Köln-Widdersdorf abgehalten. Für die nicht ganz Ortskundigen: Köln-Widdersdorf liegt im Bezirk Lindenthal im äußersten Westen Kölns. Ich selbst lebe im beschaulichen Köln-Widdersdorf, einige Straßen vom Gymnasium Neue Sandkaul entfernt, und habe mir am 16. Juni selbst ein Bild vor Ort machen können.

Die Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Neue Sandkaul stehen auf dem Boden des Grundgesetzes und haben von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung und von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch gemacht und riefen zu einer Kundgebung gegen diesen Parteitag auf. Sie rechneten in Widdersdorf, das etwas mehr als 12.000 Einwohnerinnen und Einwohner hat, mit ca. 500 Teilnehmenden.

Aber es kamen mehr – viel, viel mehr. Nach Schätzungen nahmen 4.000 bis 5.000 Menschen an dieser Demonstration teil. Beliebte Bands wie Kasalla und Planschemalöör spielten live ein Konzert, ein Konzert für Demokratie und gegen Rassismus. Kirchengemeinden, die OMAS GEGEN RECHTS und örtliche Sportvereine riefen wie andere zu der Demonstration auf und machten sie zu einer der größten Demonstrationen, die es jemals in Widdersdorf gab.

Die Stimmung an diesem Sonntagvormittag war friedlich, kreativ, weltoffen und laut –

(Sven Werner Tritschler [AfD]: Nein, war sie nicht!)

so, wie es in Köln in Köln häufig der Fall ist. Die Menschen waren zahlreiche Bürgerinnen und Bürger aus dem Viertel

(Sven Werner Tritschler [AfD]: Gelogen!)

und nicht, wie in dem Antrag der AfD suggeriert wird, 5.000 linke bis linksextreme Menschen – was übrigens unschwer auf den zahlreichen Pressefotos, aber auch auf den zahlreichen Fotos in den sozialen Medien zu erkennen ist.

(Andreas Keith [AfD]: Nie im Leben!)

Ja, es gab natürlich auch politisch aktive Menschen aus dem Umfeld des AZ.

(Zurufe von der AfD)

Um es an dieser Stelle aber auch einmal deutlich zu sagen: Nicht jeder Mensch, der einen schwarzen Hoodie trägt, ist ein Linksextremist. Denn dann hätten wir in NRW vermutlich viele Millionen Linksextreme.

(Sven Werner Tritschler [AfD]: Brandstifter! Nennen Sie es beim Namen!)

Das passt aber natürlich nicht in Ihr Weltbild. Was aber in Ihr Weltbild passt, sind Äußerungen in dem Antrag wie – Zitat –, dass die Polizeikolleginnen und Polizeikollegen vor den Rechtsbrechern und ihrer Sitzblockade kapituliert hätten.

Um Sie jetzt alle ins Bild zu setzen: Ich stand in unmittelbarer Entfernung. Es haben sich einige wenige Menschen auf die Straße gesetzt. Diese Sitzblockaden wurden jeweils nach wenigen Minuten aufgelöst.

(Sven Werner Tritschler [AfD]: Das stimmt überhaupt nicht! Es hat zweieinhalb Stunden gedauert!)

Die Polizei war in jedem Moment professionell und hatte die Lage im Griff.

(Zuruf von der AfD)

– Dazu komme ich gleich. – Andere Schilderungen entbehren jeder Realität. Aber wen wundert es?

Alle Zugangsstraßen im Umfeld des Gymnasiums Neue Sandkaul waren frei begehbar, weshalb ich besonders über die folgende Aussage in dem Antrag lachen musste:

„Erst zweieinhalb Stunden nach dem planmäßigen Beginn erreichten die letzten Teilnehmer, die pünktlich angereist waren, das Schulgebäude und der Parteitag konnte beginnen.“

Die AfD-Märchenstunde nimmt ihren Lauf. Ich weiß ja nicht, wie es um den Orientierungssinn von AfDlern bestellt ist.

(Sven Werner Tritschler [AfD]: Seien Sie vorsichtig!)

Aber ich kann Ihnen versichern: Jeder, der Widdersdorf kennt, weiß, dass man Widdersdorf in zweieinhalb Stunden mindestens fünfmal fußläufig vom einen bis zum anderen Ende durchqueren kann.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

So viel zur Orientierungslosigkeit der AfD und ihrer eigenen Wahrheit.

Unverschämt ist aber etwas anderes. Der örtlichen Polizei wird in dem Antrag ihre Integrität abgesprochen. Ihr werden eine unprofessionelle Arbeit und politisch willkürliches Agieren unterstellt. Zum einen ist das einfach falsch und offensichtlich von Ideologie getragene Hetze. Zum anderen ist es aber auch immer hilfreich, mit den Menschen vor Ort zu sprechen.

Deshalb habe ich als direkt gewählter Abgeordneter in Köln-Lindenthal Silvester 2023/2024 eine Nachtfahrt an der Wache Köln-Weiden mitgemacht.

(Zuruf von Sven Werner Tritschler [AfD])

Ich konnte mich mit zahlreichen Kolleginnen und Kollegen in dieser außergewöhnlichen Nacht austauschen, habe Einsätze begleitet und viele Gespräche geführt. Diese Kolleginnen und Kollegen waren sehr offen und konsequent. Sie waren professionell, sehr besonnen und standen ganz klar – man könnte auch sagen: zu 100 % – hinter unserer Verfassung. Diesen Polizisten ihre Integrität abzusprechen, ist eine bodenlose Frechheit und schlicht unanständig.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Wir danken der örtlichen Polizei für ihren Einsatz am 16. Juni.

Aber warum fand dieser Parteitag eigentlich in Lindenthal statt? Es gab bereits 2023 einen Versuch, einen Parteitag in diesem Bezirk abzuhalten, der gescheitert ist.

Lindenthal ist ein besonderer Bezirk, nicht nur in Köln, sondern in ganz NRW. Bei der letzten Wahl, die uns unmittelbar in NRW und Köln betroffen hat, der letzten Landtagswahl, gab es in Lindenthal nicht nur die höchste Wahlbeteiligung in ganz NRW, sondern gleichzeitig das schlechteste Ergebnis für rechtsextreme und rechtsradikale Parteien in ganz NRW.

(Beifall von der CDU)

– Ja, da kann man auch mal applaudieren. – Mittlerweile ist bundesweit durch die Presse gegangen, dass die AfD auch und gerade da, wo sie in Wahlen desaströse Ergebnisse erzielt, versucht, die demokratische Mehrheit zu verunsichern, einzuschüchtern und unter Druck zu setzen.

(Dr. Martin Vincentz [AfD]: Sie müssen doch einfach mal die Gewalt verurteilen! Das wäre nicht schlecht! – Andreas Keith [AfD]: Das sind doch seine Freunde!)

Und aus gegebenem Anlass, weil wir das heute schon als Thema hatten, gehen beste Grüße an das Jugendzentrum anyway in Köln.

Zur Erinnerung: Diese Demo wurde von den Schülerinnen und Schülern selbst organisiert. An dieser Stelle geht ein herzliches Dankeschön an diese jungen Menschen, die unsere Demokratie verteidigen.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

So etwas missfällt der AfD natürlich. Deshalb sprach sie in der Kleinen Anfrage 18/3987 vom 14. Juni 2024 davon, dass – Zitat – „die Schüler durch die Lehrer entsprechend gegen die AfD instrumentalisiert“ worden sind.

(Sven Werner Tritschler [AfD]: Es gibt Beweise dafür!)

„Deshalb ist davon auszugehen, dass der Lehrkörper massiv die Schüler gegen die AfD aufhetzt.“

Hier werden direkt in einem Abwasch Schülerinnen und Schüler und Lehrerinnen und Lehrer diskreditiert und unter Druck gesetzt.

Das werden wir nicht zulassen. Dagegen leisten wir als Demokratinnen und Demokraten Widerstand.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Meinungsfreiheit schließt Widerspruchsfreiheit nicht aus. In diesem Land herrscht Demonstrations- und Meinungsfreiheit, und man kann nahezu alles sagen.

Natürlich darf man in diesem Land sagen, dass Atomkraft eine günstige Energieerzeugung darstellt – aber es ist halt falsch. Natürlich darf man in diesem Land sagen, dass der Klimawandel nicht menschengemacht ist – aber es ist halt falsch und dumm. Natürlich darf man in diesem Land sagen, dass Frauen in die Küche gehören – aber es ist halt falsch und dumm und frauenverachtend.

(Beifall von der SPD und Arndt Klocke [GRÜNE])

Natürlich darf man in diesem Land sagen, dass nur ausgewählte Menschen zu Deutschland gehören – aber es ist halt falsch und dumm und rassistisch.

Sie können Widerspruch nicht ertragen. Machen Sie sich auf noch wesentlich mehr Widerspruch gefasst.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Wir, die Demokratinnen und Demokraten in NRW, sind nicht nur die übergroße Mehrheit, sondern werden Widerspruch erheben, von Widdersdorf bis Steinfurt, von Olpe bis Aachen, und zwar gemeinsam. Wir lehnen diesen Antrag ab.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

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