Eileen Woestmann: „Wir dürfen nicht wegschauen“

Zum Antrag der FDP-Fraktion zu Therapieplätzen für Kinder

Portrait Eileen Woestmann

Eileen Woestmann (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Wer sich mit dem Thema „Therapieangebote für Kinder und Jugendliche“ auseinandersetzt, wird unweigerlich mit Dingen wie Kassensitz, Zuständigkeit für die Vergabe von Kassensitzen, Vergabeverfahren und vielem mehr konfrontiert. Eines ist dieses Thema ganz bestimmt nicht: einfach.

Nichtsdestotrotz sind Ihr Antrag und auch der Wunsch nach ausreichend Therapieplätzen für Kinder und Jugendliche, die sexualisierte Gewalt erlebt haben, nachvollziehbar und teilweise auch richtig.

Ja, wir brauchen mehr Plätze für Psychotherapie – übrigens nicht nur für junge Menschen. Bei vielen Betroffenen braucht es Zeit, bis sie für eine Therapie bereit sind. Das kann manchmal erst nach Wochen, Monaten oder Jahren der Fall sein. Aber wenn man bereit ist, dann sollte es definitiv auch die Möglichkeit geben, ein therapeutisches Angebot nutzen zu können.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Bei Kindern und Jugendlichen hat das Angebot eine ganz besondere Bedeutung. Das Trauma, das Kinder durch sexualisierte Gewalt erleiden, muss therapeutisch gut begleitet werden, damit diese Betroffenen die Chance bekommen, das Erlebte, so gut es geht, zu verarbeiten, damit sie mental für ihr Leben gestärkt werden.

Aber für Therapie braucht es auch Sicherheit, ein Umfeld, das die betroffenen Personen positiv begleitet, und natürlich auch einen Therapeuten oder eine Therapeutin.

Ich kann Ihnen wirklich nicht verübeln, liebe FDP, dass Sie in Ihrem Antrag verschiedenste Themen ansprechen und auch in Teilen vermischen, denn man könnte meinen, dass am Ende das Ziel der Weg sein soll. Aber leider ist dieses ganze Verfahren – wie schon gesagt – alles andere als einfach.

Die Bedarfsplanung für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten wurde vor rund 20 Jahren auf Bundesebene festgelegt. Wie auch andere Bedarfsplanungen auf Bundesebene – wie beispielsweise der Bundesverkehrswegeplan – sind diese Planungen heute nicht mehr ganz so aktuell.

Die Bedarfsplanung für Therapieplätze ist ein Bundesthema. Liebe Opposition, Sie können sich auf eine weitere Rede freuen, in der ich mit dem Finger nach Berlin zeige: Erst muss die Bedarfsplanung auf Bundesebene stehen, und dann können wir hier im Land die Ärmel hochkrempeln. Auch Sie, liebe FDP, sind Teil der parlamentarischen Mehrheit im Bundestag und der Bundesregierung.

Das, was wir hier im Land umsetzen können, wurde bereits angegangen. Dazu gehören auch die von Ihnen genannten Kinderschutzambulanzen. 22 Kinderschutzambulanzen gibt es in ganz Nordrhein-Westfalen, und wenn man sich die Karte einmal anschaut, dann stellt man fest, dass das Netz doch relativ dicht ist.

Natürlich geht es immer besser– gar keine Frage –, aber: Gestern im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu Lügde war Frau Claus, die Unabhängige Beauftragte, zu Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs als Sachverständige geladen. Auch hier wurde einmal mehr deutlich: Gerade im Bereich „sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche“ muss der Maßstab „Klasse statt Masse“ gelten.

Es muss Orte geben, an denen sich Expertinnen und Experten mit dem Thema auseinandersetzen und diese als Ansprechpartner*innen zur Verfügung stehen. Natürlich müssen wir perspektivisch dahin kommen, dass die Fahrwege für betroffene Kinder und Jugendliche nicht lang sind.

Wir finden es gut, dass Sie diesen Antrag zur weiteren Beratung in den Fachausschuss überweisen. So können wir das Thema in der gebotenen Ausführlichkeit und Tiefe noch einmal behandeln. Es ist wichtig, dass wir über das Thema „sexualisierte Gewalt“ hier im Land sprechen. Nur wenn wir immer wieder darüber reden, werden wir alle immer weiter sensibilisiert.

Uns allen muss klar sein: Wir alle kennen Betroffene, die sexualisierte Gewalt erfahren oder erfahren haben. Wir dürfen nicht wegschauen. Wir müssen Kinder und Jugendliche unterstützen und hinsehen, denn ich bin mir sicher: Uns alle hier eint der Wunsch, dafür zu sorgen, dass es gar nicht erst dazu kommt, dass Kinder und Jugendliche Psychotherapie aufgrund einer sexuellen Gewalterfahrung benötigen.

Dafür hat sich Nordrhein-Westfalen auf den Weg gemacht, und nein, dieser Weg ist nicht einfach. Aber es ist ein wichtiger Schritt, hier immer wieder über das Thema „sexualisierte Gewalt“ zu sprechen und es so präsent zu halten.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Weil ich dieses Thema so wichtig finde, freue ich mich auf die Debatte im Fachausschuss, wo wir gerne noch einmal gemeinsam überlegen können, was notwendig ist, um dieses Ziel zu erreichen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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