Eileen Woestmann: „Wenn verschiedene Professionen ihr Wissen und ihr Können miteinander in Einklang bringen, profitieren davon vor allem die Kinder“

Zum Antrag der SPD-Fraktion zur Inklusion in der Kita

Portrait Eileen Woestmann

Eileen Woestmann (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Familien, die Kinder mit Behinderung haben, werden schnell vergessen. Deswegen ist es so wichtig, dass wir hier und heute über das Thema „Inklusion“ sprechen. Es ist gut, dass Sie diesen Antrag gestellt haben. Vor allem ist es gut, dass Sie einen Änderungsantrag gestellt und ihren ersten Antrag damit zwischenzeitlich selbst korrigiert haben.

Lassen Sie uns über die Finanzierung sprechen. Die Frage der Finanzierung von Inklusion in Kitas ist unfassbar komplex. Wenn man sich darin einarbeitet, stellt man schnell fest, dass es nicht so einfach ist.

Die Basisleistung II wurde über den Landesrahmenvertrag zwischen den Landschaftsverbänden Rheinland und Westfalen-Lippe sowie den Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrt verhandelt. Wir wissen alle, dass diese Verhandlungen immer wieder gestockt haben. Umso besser ist es, dass sie jetzt wieder laufen und vereinbart wurde, dass anhand von acht Modell-Kitas eruiert werden soll, wie die Inklusion in Kitas tatsächlich finanziert werden muss.

Wichtig dabei ist aber, zu betonen, dass wir als Landesparlament – auch die Landesregierung nicht – kein Teil der Verhandlungen des Verhandlungsteams des Landesrahmenvertrags sind, wir daher also auf diese Verhandlungen nicht einwirken können.

Ein anderer Punkt, den Sie angesprochen haben, Herr Maelzer, ist die Frage danach, wie es eigentlich mit den heilpädagogischen Kitas weitergeht. Sie haben zu Recht gesagt, dass sie bis 2029 verlängert wurden und bis dahin auf jeden Fall bestehen bleiben können. Das ist eine wichtige Botschaft, damit es keine Versorgungslücke gibt.

Mir ist auch wichtig, zu betonen: Es geht nicht darum, dass 2029 die heilpädagogischen Kitas geschlossen werden, sondern darum, dass sie geöffnet werden, sodass auch Kinder aus Regel-Kitas in diesen heilpädagogischen Einrichtungen betreut werden können. Es ist Teil dieser Verhandlungen, dieser Vereinbarung, dass alle Einrichtungen, die bis 2029 nicht inklusiv betreuen, eine Zielvereinbarung mit den Landschaftsverbänden treffen, um inklusiv betreuen zu können.

Ein weiterer Punkt, den Sie angesprochen haben, bei dem die Landesregierung schon tätig geworden ist, ist die Frage der Investitionsrichtlinie. Da wurde festgelegt, dass Einrichtungen, die einen Platz für Kinder mit Behinderung oder drohender Behinderung ausbauen wollen, zwei Plätze im Sinne der Fördersätze bekommen können und das zugrunde gelegt wird. Damit ist einem weiteren Punkt, den Sie in Ihrem Antrag aufmachen, begegnet worden.

Alle anderen Finanzierungsfragen, die wir haben, werden anhand der acht Modell-Kitas eruiert, die jetzt vereinbart wurden. Wir können diesem Prozess des Herausfindens, wie diese Finanzierung aussehen soll, nicht vorgreifen, sondern müssen abwarten, was dabei herauskommt.

Präsident André Kuper: Frau Kollegin, ich muss Sie einmal stören. Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage aus den Reihen der SPD. Lassen Sie die zu?

Eileen Woestmann (GRÜNE): Ja.

Präsident André Kuper: Dann hat Herr Dr. Maelzer das Wort.

Dr. Dennis Maelzer (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Vielen Dank, Frau Kollegin, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Ich bin eben darauf eingegangen: In der neuen Förderrichtlinie hat es diese Veränderungen und Anpassungen gegeben. Das begrüßen wir hier allgemein. Aber was bedeutet das für den Umgang mit bestehenden Einrichtungen? Ist es dann auch ohne Auswirkungen auf die bisherige Förderung möglich, die Gruppenstärken abzusenken?

Präsident André Kuper: Vielen Dank. – Frau Kollegin.

Eileen Woestmann (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Die Investitionsrichtlinie richtet sich danach, dass neue Kitas gebaut werden und neue Plätze geschaffen werden.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Genau!)

Der Punkt ist tatsächlich: Wie gehen wir damit um, dass die aktuell bestehenden Einrichtungen auch inklusiv werden können? Das sind die Verhandlungen, die im Rahmen des Landesrahmenvertrags zwischen den Landschaftsverbänden und den Spitzenverbänden der freien Wohlfahrt verhandelt werden.

Ich weiß – ich glaube, das ist auch allgemein bekannt –, dass im Rahmen dieser Verhandlungen durchaus auch über die Frage der Absenkung der Gruppengröße bzw. der Erhöhung des Fachkraftschlüssels diskutiert wird. Es ist durch die Basisleistung I auch schon möglich, dass die Einrichtungen wählen können, was sie möchten. Entweder werden die Plätze in den Einrichtungen oder in den Gruppen reduziert, um Kinder mit Behinderungen aufzunehmen, oder es wird mehr Personal eingestellt, um die aktuell bestehende Gruppengröße beibehalten zu können. Aber natürlich ist das gerade mit Blick auf den Fachkräftemangel eine Frage, die sehr schwierig zu beantworten ist und auf die es keine einfache Antwort wie „Ja“, „Nein“ oder „So ist es richtig“ gibt.

Wir sehen natürlich, dass schon jetzt eine ganze Menge passiert ist. Trotzdem möchte ich nicht von der Hand weisen, dass es immer noch eine ganze Menge Herausforderungen gibt. Ich finde es superwichtig, dass wir bei dieser Frage nicht nur darauf gucken, das Ganze verwaltungstechnisch auf die Beine zu stellen, sondern natürlich auch Eltern und Kinder mitdenken. Eltern und Kinder sind nämlich gerade bei der Frage danach, wie Kinder mit Behinderung betreut werden, superzentral, und mir ist bekannt, dass viele Eltern – und das ist auch in der Anhörung herausgekommen – ein ganz großes Vertrauen in die heilpädagogischen Kitas haben, weil sie dort das Gefühl haben und die Erfahrung machen, dass ihre Kinder gut betreut werden, dass sie dort ein Setting haben, in dem sie sich entwickeln können und in dem sie die Förderung bekommen, die sie brauchen.

Wenn wir über Förderung sprechen, ist es natürlich unerlässlich, dass wir auch über Fragen der Therapie sprechen. Auf der einen Seite kann man es begrüßen, dass Kinder inzwischen einen individuellen Anspruch auf Therapie haben. Auf der anderen Seite gab es durchaus auch Vorteile, wenn Therapie direkt in der Gruppe stattgefunden hat, weil das für die Kinder teilweise angenehmer war, da sie beispielsweise nicht an eine gewisse Uhrzeit gebunden waren.

Fakt ist, dass Therapie, die in Einrichtungen stattfindet, nicht unbedingt stigmatisierend sein muss. Ich konnte bei einem Besuch einer Kita in Unna sehr plastisch erleben, wie schön Therapie in den Gruppenalltag einbezogen wird und wie unbedarft Kinder mit Therapien und mit Kindern mit Behinderung umgehen. Ich glaube, dass wir daran sehen können, wie einfach Kinder die Frage von Inklusion definieren.

(Beifall von den GRÜNEN und Klaus Voussem [CDU])

Wir brauchen aber natürlich …

Präsident André Kuper: Frau Kollegin, ich muss noch einmal stören. Es gibt den Wunsch nach einer weiteren Zwischenfrage.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Ich war es nicht!)

Eileen Woestmann (GRÜNE): Ja.

Präsident André Kuper: Okay. – Bitte schön.

Silvia Gosewinkel (SPD): Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Danke, Frau Woestmann. Ich habe mich gerade gefragt, wie Sie es landespolitisch unterstützen werden, dass Therapien in den Einrichtungen möglich sind. Sie haben ja gerade sehr richtig ausgeführt, dass das partizipativ sehr gut ist. Ich frage Sie das deshalb: Unterscheiden Sie hier zwischen den Inklusionskindern und den Regelkindern? Wie wollen Sie das landespolitisch unterstützen? Das ist die Frage.

Präsident André Kuper: Frau Kollegin zur Antwort.

Eileen Woestmann (GRÜNE): Ich bin mir ehrlicherweise nicht sicher, ob ich die Frage richtig verstanden habe. Geht es darum, dass Therapie auch in Regel-Kitas möglich ist, wenn dort inklusive Kinder betreut werden? Ist das die Frage?

(Silvia Gosewinkel [SPD]: Aber auch Regelkinder!)

Durch den individuellen Anspruch auf Therapie ist es nicht mehr so, dass der Therapeut, die Therapeutin in der Einrichtung einfach mit beschäftigt wird und dadurch Teil der Gruppe ist und die Therapie nebenherläuft. In der Regel ist es so, dass der Therapeut, die Therapeutin in die Kita kommt, das zu einer gewissen Uhrzeit stattfindet und die Einrichtung die Räume bereitstellt, damit die Therapie stattfinden kann.

Mir ist bewusst, dass es für die Regel-Kitas oder für Kitas prinzipiell natürlich eine Herausforderung ist, wenn sie das auch noch in den Gruppenalltag integrieren müssen. Das war in der Kita, in der ich in Unna war, auch Thema. Das war eine Regel-Kita, in der Kinder mit Inklusionsbedarf betreut werden. Ich sehe, dass die Therapie einfach in den Gruppenalltag mit eingebunden wird. Dann sind natürlich nicht alle Kinder Teil dieser Therapiestunde, sondern vielmehr begleiten einzelne Kinder das inklusiv betreute Kind und partizipieren dadurch an dieser Therapie. Das inklusiv betreute Kinder hat aber keine Sonderrolle, weil es allein aus der Gruppe gezogen würde, sondern erfährt gleichzeitig mit zwei oder drei anderen Kindern diese Therapieeinheit als extra Betreuungseinheit.

Fakt ist aber – und das ist natürlich ein wichtiger Punkt, den Sie gerade angesprochen haben –: Für Inklusion brauchen wir Fachkräfte, und diese Fachkräfte brauchen natürlich auch das entsprechende Wissen zum Umgang mit Behinderungen. Genau deshalb ist es sehr gut, dass es aufgrund der aktuellen Personalverordnung möglich ist, dass jetzt schon multiprofessionelle Teams in den Kitas arbeiten. Wir wissen nämlich: Wenn verschiedene Professionen ihr Wissen und ihr Können miteinander in Einklang bringen und sich ergänzen, dann profitieren davon vor allem die Kinder.

Natürlich stellt uns der Fachkräftemangel vor eine große Herausforderung, denn natürlich lebt Inklusion am Ende davon, dass anwesende Fachkräfte sich um die Kinder kümmern und auf die Bedarfe der Kinder eingehen können. Ich glaube aber trotzdem, dass hier und auch in der Debatte im Fachausschuss letzte Woche deutlich geworden ist, dass im Bereich „Inklusion“ schon eine ganze Menge läuft. Deswegen werden wir diesen Antrag ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

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