Eileen Woestmann: „Kinderschutz funktioniert vor allem dann, wenn Multiprofessionalität als Ressource angesehen wird“

Zum Haushaltsgesetzentwurf 2026 - zweite Lesung - Familie, Kinder und Jugend

Portrait Eileen Woestmann

Eileen Woestmann (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Wenn die SPD mit dem Mantra der Koalition startet, möchte ich gerne mit dem Mantra der SPD starten, nämlich: Wir leben in einer Apokalypse. Die Welt geht unter, und niemand außer der SPD auf einem weißen Pferd wird uns retten.

(Beifall von den GRÜNEN und Matthias Kerkhoff [CDU] – Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Ich fürchte, jetzt muss ich Reitstunden nehmen!)

Zumindest ist das so, solange Sie in der Opposition sind; denn wenn Sie regieren, machen Sie Politik auf Kosten der Ärmsten, Stichwort „Bürgergeld“, oder auf Kosten der Jungen, Stichwort „Rente“. Aber na ja, so ist das wohl, wenn man nicht regiert und Opposition ist.

(Zurufe von Kirsten Stich [SPD] und Stefan Zimkeit [SPD])

Ich habe hier letztes Jahr gestanden und darüber gesprochen, wie wichtig es ist, dass wir gemeinsam regieren. Es standen Neuwahlen im Raum, die Ampelregierung war geplatzt, und es wurde sich auf Bundesebene viel gestritten. Die Hoffnung war im Raum, dass es jetzt besser wird. Und Spoiler: Es wurde nicht besser. Auf Bundesebene wird sich weiter gestritten wie die Kesselflicker, und einen gemeinsamen Weg kann man gerade nicht sehen. Das ist nicht gut, weil es Unsicherheiten im ganzen Land entstehen lässt.

Das ist in Nordrhein-Westfalen sehr klar anders, und das ist gut so. Ich möchte hier überhaupt nicht sagen, dass bei uns immer alles harmonisch ist und Friede, Freude, Eierkuchen gilt, aber wir streiten hinter den Kulissen. Wir finden vor allem immer wieder Einigungen, Kompromisse und gehen immer und immer wieder aufeinander zu. Ja, das ist anstrengend. Aber es lohnt sich, weil wir das den Menschen in diesem Land schuldig sind.

Weil wir uns einig sind, legen wir gemeinsam klare Prioritäten auf Kinder, Jugend und Bildung. Natürlich würde ich als Fachpolitikerin sagen, dass immer noch mehr und noch mehr Geld da hineinfließen kann. Das ist doch logisch und nachvollziehbar. Aber seriöse Politik ist eben nicht ein Wünsch-dir-was, sondern bedeutet, im Rahmen des Möglichen das Beste herauszuholen.

Ich finde, das ist im Einzelplan 07, Kinder, Jugend und Familie, tatsächlich gelungen. Das liegt auch daran, dass wir eine Ministerin haben, die sich sehr klar für diesen Bereich einsetzt. Wir haben eine Landesregierung, die klare Prioritäten setzt. Wir haben vor allem eine Koalition, die immer und immer wieder die Kraftanstrengung unternimmt, dass diese Prioritäten auch durchgezogen werden.

Kommen wir konkret zu den Inhalten. Die Haushaltslage ist weiter angespannt, das lässt sich nicht von der Hand weisen. Das ist im Bund so, das ist im Land so, und das ist auch in den Kommunen der Fall. Dennoch ist es aufgrund von moderat besseren Steuerschätzungen gelungen, Kürzungen, die 2025 vorgenommen wurden, für 2026 zurückzunehmen. Das ist ein gutes Signal. In Zeiten, in denen öffentliche Haushalte unter Druck stehen, unterstreichen die zusätzlichen Mittel, wie groß die Bedeutung der Arbeit für Familien, für Kinder und vor allem für die soziale Infrastruktur vor Ort ist.

Wenn man diese Woche die Zeitung aufgeschlagen hat, hat einen die Schlagzeile fast schon angeschrien: „Ein Kind gehört zur Mutter – außer, sie ist lesbisch.“ Mit dieser Schlagzeile möchte ich gerne starten, weil es tatsächlich eine Schlagzeile ist.

Es geht darum, wie viel Leid lesbischen Müttern auch hier in Nordrhein-Westfalen zugefügt wurde, indem ihnen ihre Kinder vor vielen, vielen Jahren weggenommen wurden. Wir sind Gott sei Dank inzwischen in einer anderen Situation. Diese Überzeugung gilt bei Weitem nicht mehr. Dennoch muss man hervorheben, dass es für Regenbogenfamilien noch immer nicht einfach ist, Familie zu leben.

Das fängt damit an, dass es herausfordernd ist, als queeres Paar einen Kinderwunsch umzusetzen. Es geht dann damit weiter, dass es Vorbehalte in der Kita gegen diese Familienform gibt und Kinder in der Schule Ausgrenzungserfahrungen machen.

Deswegen freue ich mich sehr, dass diese Familien in NRW eine höhere Sichtbarkeit bekommen, vor allem eine Ansprechperson, die sich für ihre Belange einsetzen wird, und dass 2026 endlich eine Landesfachstelle für Regenbogenfamilien gegründet wird.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Eine weitere Gruppe von Familien, die extrem unter Belastung steht, sind Alleinerziehende. Es ist gelungen, bei der Landesfachstelle Alleinerziehende Kürzungen zurückzunehmen. Wir alle wissen, dass Alleinerziehende vor großen Herausforderungen stehen und mit wie viel Kraft sie ihr Leben in Nordrhein-Westfalen gestalten. Gerade die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist für Alleinerziehende noch herausfordernder, weil es eben keine Partnerperson gibt, mit der man sich die Care-Arbeit teilen kann.

Ein anderer Punkt, auf den ich gerne eingehen möchte, ist: Wir wissen, dass nicht alle Kinder in Nordrhein-Westfalen den gleichen Start ins Leben haben, sondern es sehr darauf ankommt, welche Ressourcen ihre Eltern mitbringen. Dabei geht es noch nicht mal nur um die finanziellen Ressourcen, sondern vor allem um die persönlichen, also Dinge wie: Welche Erfahrungen haben Eltern in ihrem Leben gemacht, und wie wurde mit ihnen als Kindern umgegangen? „Elternstart NRW“ unterstützt Eltern dabei, dass sie gut in ihrer Elternrolle ankommen, dass sie im Austausch miteinander reflektieren können, in einem sicheren Raum Fragen stellen dürfen, und das Ganze unter pädagogischer Begleitung. Die 2025 vorgenommenen Kürzungen konnten zurückgenommen werden. Damit können jetzt wieder mehr Familien von diesem Angebot profitieren.

Das Gleiche gilt für die Familienerholung. Wir alle wissen, dass es Familien in diesem Land gibt, die es sich nicht leisten können, in den Urlaub zu fahren. Hier wurden die Kürzungen zurückgenommen, weil auch diese Familien genauso wie alle anderen Erholung brauchen und haben sollen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Dass die Kürzungen zurückgenommen werden konnten, zeigt, wie gut und wichtig es ist, dass wir Familien in den Blick nehmen, dass wir Familien in NRW konkret und wirkungsvoll unterstützen.

Wir nehmen aber nicht nur Familien in den Blick, sondern auch junge Menschen. Wir haben 2025 das Wahlalter von 16 auf den Weg gebracht. Das ist eine wirklich gute Nachricht.

Aber das Wählen alleine reicht uns nicht. Es gibt auch die Förderung des Kinder- und Jugendförderplans. Davon profitieren alle jungen Menschen in NRW, indem sie partizipieren und sich für unsere Demokratie einsetzen können. Das machen wir alle zusammen offensichtlich sehr richtig, da sich die AfD sosehr über diesen Kinder- und Jugendförderplan aufregt, dass sie ihn gerne abschaffen möchte. Das werden wir nicht tun. Ganz im Gegenteil, die Mittel werden weiter dynamisiert, und zusätzlich wird es 1 Million Euro für den Landesaktionsplan Jugendbeteiligung geben, damit dieser vor Ort in den Kommunen umgesetzt werden kann.

Weil wir auch die Kinder im Blick haben, die geflüchtet sind, wird es in der Titelgruppe 68 weiterhin Geld für die wichtige Aufgabe vor Ort geben, um Jugendliche mit Fluchterfahrung zu unterstützen.

Ein anderer, sehr klarer Schwerpunkt, den wir als Land setzen, betrifft den Kinderschutz und die Prävention. Das ist und bleibt zentral. Es fließen fast 100 Millionen Euro in den Kinderschutz. Damit gibt es Angebote für Fachkräfte, Kinder und Familien.

Im nächsten Jahr wird auch der oder die Beauftragte für Kinderschutz und Kinderrechte in Nordrhein-Westfalen eingeführt. Damit wird NRW eine zentrale Ansprechperson für dieses Thema bekommen und kann damit noch bessere und intensivere Vernetzung und Prävention sicherstellen. Denn wir alle wissen: Kinderschutz funktioniert vor allem dann, wenn Beteiligte miteinander anstatt nebeneinanderher arbeiten und wenn Multiprofessionalität als Ressource angesehen wird.

Damit kommen wir zum größten Streitthema dieses Jahres, nämlich den Kitas. Ich wage mal den Blick in die Glaskugel und sage vorher, das wird auch im nächsten Jahr das größte Streitthema in unserem Einzelplan bleiben. Vorab möchte ich sagen: Es fließen über 6 Milliarden Euro in die Kitas in Nordrhein-Westfalen.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Dann muss auch mal gut sein, ne?)

Das sind noch mal 430 Millionen Euro mehr als im letzten Jahr. Der Vorwurf, dass zu wenig Geld in die Kitas in NRW fließt, ist nun wirklich absurd.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Dazu kommt, dass das Land 90 Millionen Euro im Jahr 2026 freiwillig an die Träger über die Kindpauschalen zur Verfügung stellt.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Kürzung der Träger, sehr interessant!)

In den kommenden Jahren sind es dann 200 Millionen Euro Transformationskosten. Man muss ehrlicherweise sagen: Jemanden im Regen stehen zu lassen, würde anders aussehen.

Es ist ein guter Punkt und eine gute Errungenschaft, dass das Kita-Helfer:innen-Programm weiter bestehen bleibt und weiterentwickelt wird. Es geht darum, Potenziale zu heben, indem Kita-Helfer*innen, die in Kitas arbeiten, gefördert werden, indem sie möglicherweise eine Ausbildung machen können. Perspektivisch sollen die Kita-Helfer in die Kindpauschalen im KiBiz integriert werden. Damit soll Bürokratie abgebaut werden. So soll vor allem noch mehr Verlässlichkeit sichergestellt werden, denn wir alle wissen, dass die Kita-Helfer eine extrem wertvolle und wichtige Unterstützung in den Kitas in NRW sind.

Ein ähnlich wichtiges Programm, aber deutlich weniger bekannt, ist das Programm der Integrationshelferinnen. Da geht es darum, dass Menschen, die selbst geflüchtet sind, andere Menschen, die geflüchtet sind, unterstützen, sich in das Kita-System zu integrieren. Dieses Programm kann aufgrund der verbesserten Steuerschätzung erhalten bleiben. Ich finde, das ist ein sehr zentrales Programm, um Integration zu ermöglichen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Außerdem wird in Nordrhein-Westfalen weiter in Ausbildung investiert. Wir haben ein sehr breites Ausbildungssystem mit schulischer und praxisintegrierter Ausbildung. Wir haben da ein gutes System, und dafür wird weiterhin Geld zur Verfügung gestellt. Auch das ist eine gute Nachricht; denn wenn wir gegen den Fachkräftemangel ankämpfen wollen, müssen wir in Ausbildung investieren. Das ist vollkommen klar.

Mein letzter Punkt, auf den ich eingehen möchte: Wir bauen weiter Kitas in Nordrhein-Westfalen aus. Dafür werden – wie immer – 115 Millionen Euro über den originären Haushalt zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus gibt es zusätzlich 1,5 Milliarden Euro über den NRW-Plan. Ich finde, diese 1,5 Milliarden Euro für mehr Kitas in Nordrhein-Westfalen können sich definitiv sehen lassen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)