Eileen Woestmann: „Investitionen in unsere Kinder sind Zukunftsinvestitionen“

Zum Antrag der SPD-Fraktion (AKS) zur KiBiZ-Finanzierung

Portrait Eileen Woestmann

Eileen Woestmann (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Auch ich habe den Eindruck, dass die SPD an Wahrnehmungsstörungen leidet, denn Sie wollen nur sehen, lesen und hören, was Sie wollen. Sie behaupten in dem Antrag, alles sei darauf ausgerichtet, mit dem neuen KiBiz ausschließlich Einsparmöglichkeiten vorzusehen. Alles, was dazu passt, packen Sie darunter.

Dieses Mal geht es vor allem um die Buchungsschritte. Ich zitiere aus Ihrem Antrag:

„Engere Buchungsschritte werden dem System Geld entziehen. Das Land beziffert dabei nicht, was die differenzierten Buchungsmöglichkeiten in Fünferschritten für Einsparpotentiale bieten. Entweder kann es diese nicht beziffern oder will die Einsparungen im System nicht offenlegen.“

Ich stelle jetzt eine sehr steile These in den Raum: Vielleicht geht es bei den Buchungsschritten in Bezug auf die Kleineren gar nicht darum, Geld einzusparen, sondern man kommt einer Forderung nach, die immer und immer wieder an uns herangetragen wurde:

Bitte flexibilisiert die Buchungsschritte, damit beispielsweise auch 40-Stunden-Buchungen möglich sind. – Ehrlicherweise ist es tatsächlich so, dass kleinere Buchungseinheiten auch dazu führen können, dass mehr Kinder die Kita besuchen, weil es Eltern gibt, die sagen: Okay, bei 30 Stunden gebe ich mein Kind gerne in die Kita. Das passt für uns gut.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Die haben ihr Kind vorher nicht in die Kita gegeben?!)

Deswegen wird es nicht automatisch zu Einnahmeausfällen kommen, sondern es kann auch dazu führen, dass noch mehr Familien ihre Kinder in die Kita geben.

Natürlich – Herr Moor, da muss ich Ihnen eindeutig widersprechen – ändert sich der Bedarf an Fachkräften, je nachdem, wie viele Kinder in einer Kita in welchem Umfang sind. Wenn wir davon ausgehen, dass es hypothetisch eine Kita geben wird, in der nur noch Kinder betreut werden, die 30 Stunden gebucht haben, dann werden dort natürlich weniger Fachkräfte arbeiten müssen, als wenn auch Kinder die Kita besuchen, die 45 Stunden gebucht haben. Das bedeutet also, dass bedarfsgenaue Buchungsschritte vor allem auch dafür da sind, im Fachkräftemangel richtig nach Bedarf zu planen. Dementsprechend ist das eine richtige Entscheidung.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Um Fachkräfte zu sparen!)

Damit – um es sehr deutlich zu sagen – wird dem Kita-System aber kein Geld entzogen.

Herr Moor, bei folgendem Punkt würde ich Ihnen zustimmen: Die Kita-Finanzierung in Nordrhein-Westfalen ist super kompliziert. Gleichzeitig müssen wir uns auch die Komplexität des Kita-Systems, die unterschiedlichen Bedarfe und die Akteure anschauen. Wir haben eine Verantwortungsgemeinschaft von Land, Kommunen und Trägern. An dieser Verantwortungsgemeinschaft halten wir fest. Die Träger haben andere Bedürfnisse als die Beschäftigten und andere Bedürfnisse als die Eltern. Die Kinder haben noch einmal andere Bedürfnisse, und diese sollten meiner Meinung nach hier im Mittelpunkt stehen.

(Beifall von Dr. Julia Höller [GRÜNE] – Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Aber Sie werden keinem gerecht!)

Die aktuellen Kindpauschalen setzen sich aus Gruppenform und Buchungsumfang zusammen – plus eventuelle Inklusionsmittel. Ja, es gibt die Diskussion, ob eine Sockelfinanzierung besser ist oder ob die Kindpauschale mehr Vorteile hat. Es gibt für beides Pro- und Kontraargumente.

Für die Sockelfinanzierung spricht, dass es eine bessere Planbarkeit für die Kita-Träger gibt. Gegen die Sockelfinanzierung spricht aber ehrlicherweise, dass es durchaus die Gefahr von Mitnahmeeffekten geben könnte und dass Plätze eben nicht voll ausgelastet werden, weil das Geld sowieso fließt. Dann wäre es weiterhin kompliziert – im Gegensatz zu der Vereinfachung, die Sie fordern –, weil zu dem Sockelbeitrag noch weitere Entgelte hinzukommen wollen. Die zitieren Sie auch in Ihrem Antrag.

Im Eckpunktepapier wird sich für die Einführung einer Kita-Formel ausgesprochen, die das Ganze immens vereinfachen würde, weil nur noch das Alter, der Betreuungsumfang und eventuelle Mehrbedarfe zurate gezogen werden.

Ich würde gerne noch etwas zur Frage der Dynamisierung bei der Finanzierung sowie zur Frage der Auskömmlichkeit der Kindpauschalen sagen. Wir debattieren immer wieder über die Höhe und über die Art und Weise der Dynamisierung. Ich sage mal so: Die Dynamisierung anhand der tatsächlichen Kosten ist eine extrem gute Ausgangsposition. Es ist nicht so, dass die Kita-Träger in NRW in den letzten Jahren im Regen stehen gelassen wurden. Es gab einen Energiekostenzuschuss, es gab Überbrückungshilfe und auch 2026 werden weitere Mittel für freiwillige Hilfen im Haushalt eingestellt werden. Auch im NRW-Plan gibt es weitere Mittel für die Kitas.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zuruf von Kirsten Stich [SPD])

Eine Dynamisierung in Höhe von 10 % ist nicht nichts und gerade in Zeiten von knappen Kassen wirklich viel Geld. Meine Kollegin Frau Quick hat es gerade schon gesagt: Nicht alleine die Höhe des Geldbetrags verbessert die Qualität, sondern gute Rahmenbedingungen, genug Personal, klare Standards und auch ein handhabbares System. Wenn alles nur pauschal finanziert wird, dann geht nicht nur Steuerung, sondern auch pädagogische Planung verloren.

Für uns ist vollkommen klar: Investitionen in unsere Kinder sind Zukunftsinvestitionen, aber in Zeiten knapper Kassen müssen wir weg davon, dass alle Kitas gleich viel Geld mit der Gießkanne bekommen, sondern es muss darum gehen, dass Kitas in herausfordernden Lagen mehr Ressourcen zur Verfügung stehen. Das ist richtig und wichtig. Deswegen ist es gut, dass Nordrhein-Westfalen als erstes Flächenland den Kita-Sozialindex einführen wird.

(Zuruf von Dr. Dennis Maelzer [SPD])

Das stärkt nämlich drei Parameter: Es stärkt die Chancengerechtigkeit von Kindern und gleicht Bildungsungerechtigkeiten aus. Es stärkt Familien, weil sie enger begleitet werden können und diese in den Kitas noch mehr Ansprechpersonen vorfinden, und ehrlicherweise stärkt es auch die Fachkräfte, wenn in herausfordernden Lagen mehr Fachkräfte arbeiten und damit eine Entlastung möglich ist.

Damit das zeitnah umgesetzt werden kann, gibt es die Idee, jetzt schon einen ersten Schritt zu gehen, nämlich die Familienzentren, Sprach-Kitas und plusKITAs weiterzuentwickeln, um auf der einen Seite Bürokratie abzubauen und auf der anderen Seite dafür zu sorgen, dass Einrichtungen gestärkt werden, damit das Geld so genutzt werden kann, dass es bei den Kindern und den Fachkräften gut ankommt.

Uns allen ist klar, dass in den Kitas der Grundstein für das weitere Leben gelegt wird. Gerade die Kinder, deren Start ins Leben von Herausforderungen geprägt ist, profitieren extrem von einem Kita-Besuch. Ich finde, es ist schon ein bisschen politisches Kalkül, was Sie hier als SPD immer wieder veranstalten, nämlich dass Sie zu jedem Plenum neue Anträge zur Frage nach dem KiBiz einbringen.

(Ina Blumenthal [SPD]: Weil es wichtig ist!)

Sie wissen, dass das KiBiz bald kommen wird. Es wäre doch wirklich schön, wenn wir darüber sprechen.

Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Frau Kollegin, entschuldigen Sie, dass ich Sie an dieser Stelle unterbreche. Es besteht der Wunsch einer Zwischenfrage der Abgeordneten Stich. Würden Sie die zulassen?

Eileen Woestmann (GRÜNE): Ja.

Kirsten Stich (SPD): Danke, Frau Woestmann, dass Sie die Frage zulassen. Sie hatten vor geraumer Zeit davon gesprochen, dass es einen Sozialindex für Kitas geben soll. Meine erste Frage wäre zunächst einmal: Wann soll das denn kommen? Und zweitens: Mit welchen Ressourcen?

Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Frau Kollegin, eine Frage.

Kirsten Stich (SPD): Entschuldigung. Danach frage ich noch einmal.

Eileen Woestmann (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Präsident, und vielen Dank, Frau Kollegin, für die Frage. Der Kitasozialindex wird aktuell von der Landesregierung auf den Weg gebracht und soll dann, sobald er fertig ist, umgesetzt werden.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Und das ist wann? – Kirsten Stich [SPD]: Schaffen Sie das noch in dieser Legislatur?)

Ich bin dafür, dass wir den Entwurf des KiBiz abwarten. Der wird, wenn er dann im Landtag ist, intensiv beraten werden können. Ich bin mir sicher, dass wir im Ausschuss die entsprechenden Debatten führen werden. Dementsprechend werden wir Ihren Antrag heute ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt

Eileen Woestmann (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Das war doch mal ein bezeichnender Beitrag von Ihnen, Herr Dr. Maelzer. Ich bin auch froh darum, weil für alle hier im Saal sehr deutlich geworden ist, dass es der SPD ehrlicherweise gar nicht mehr um Inhalte geht.

(Zuruf von der SPD: Oh! – Christina Schulze Föcking [CDU]: Ja! – Justus Moor [SPD]: Ach so!)

Ging es in Ihrer Rede um Familien? Ging es in Ihrer Rede um Kinder? Ging es in Ihrer Rede um Kitas? Nein, das war alles nicht der Fall.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Ja! Genau darüber haben wir gesprochen! – Zuruf von Sebastian Watermeier [SPD])

Es ging um eine Generalabrechnung und den Versuch, mit möglichst viel Dreck zu werfen, in der Hoffnung, dass irgendwas hängen bleibt,

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Sie empfinden das Gebaren Ihrer Ministerin als Dreck?)

und das vor allem in der verzweifelten Hoffnung, dass der Abwärtstrend der SPD in Nordrhein-Westfalen in irgendeiner Weise gestoppt werden kann.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ganz im Ernst: Jeder Einzelne von uns allen kann sich aussuchen: Bin ich Teil der Lösung oder Teil des Problems?

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Sie haben sich falsch entschieden!)

Wir als Schwarz-Grün haben für uns sehr klar, dass wir Teil der Lösung sind.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Ach!)

Daran arbeiten wir. Ich stehe hier nicht und sage …

Präsident André Kuper: Frau Woestmann, ich muss Sie kurz unterbrechen. Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage aus den Reihen der SPD. Lassen Sie sie zu?

Eileen Woestmann (GRÜNE): Nein.

Präsident André Kuper: Nein.

(Tim Achtermeyer [GRÜNE]: Er hat auch lange genug geredet! – Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Ich wollte gar nichts!)

Eileen Woestmann (GRÜNE): Wir haben uns sehr klar dafür entschieden, dass wir an der Lösung arbeiten. Ich stehe hier nicht und sage, dass es jeden Tag einfach ist, dass Lösungen vom Himmel fallen, dass wir nicht auch streiten und diskutieren und immer wieder miteinander den Dialog suchen. Aber wir arbeiten jeden Tag an Lösungen, und wir werden nicht hier stehen und so populistisch werden, wie Sie es gerade gewesen sind. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zuruf von der SPD: Oh! – Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Wart ihr ja gestern schon!)

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