Eileen Woestmann: „Es hängt nicht von dem Ring am Finger ab, ob man sich als Familie gut umeinander kümmert“

Zum Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung der Ausführungsgesetze zum SGB VIII in NRW

Portrait Eileen Woestmann

Eileen Woestmann (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Bevor ich auf das Ausführungsgesetz eingehe, würde ich gerne noch ein paar Sätze zum SGB VIII sagen. Das SGB VIII regelt die Kinder- und Jugendhilfe und ist damit die wichtigste bundesrechtliche Grundlage für Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland.

Sie betrifft alle Bereiche von Kindern, Jugendlichen, ihren Familien und damit auch viele Bereiche, über die wir in unserer täglichen Arbeit in Nordrhein-Westfalen diskutieren und streiten, wenn es um die Arbeit der Jugendämter – Maßnahmen wie Hilfen zur Erziehung, Inobhutnahmen usw. –, Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit oder auch um die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege geht.

Im Jahr 2021 wurde dieses Bundesgesetz umbenannt bzw. geändert und zu einem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz. Der Fokus liegt seitdem sehr auf der Stärkung von Kindern, Jugendlichen und jungen Volljährigen. Das ist zu begrüßen. Das Landesausführungsgesetz wird jetzt entsprechend angepasst und für Nordrhein-Westfalen konkretisiert.

Ich möchte gerne auf vier Punkte eingehen, die gerade auch schon Teil der Debatte waren. Das zeigt: Wir sind uns relativ einig, was in diesem Gesetz wichtig ist. Ich finde es sehr begrüßenswert, dass wir diese überfraktionelle Arbeit weiterhin fortführen werden.

Erstens möchte ich auf die Ombudsstellen eingehen. Immer wieder geraten Familien oder auch junge Menschen in Konflikt mit Jugendämtern und Entscheidungen, die Jugendämter treffen. Ich kenne es aus meiner Arbeit im Jugendamt, aber auch in der ambulanten Jugendhilfe sehr gut. Wenn ein Kommentar dazu erlaubt ist: Die Wahrnehmung von verschiedenen Akteur*innen können in dem Fall sehr unterschiedlich sein. Genau deswegen ist es total gut, wenn Ombudsstellen bei solchen Konflikten beraten, vermitteln und klären können. Diese sollen jetzt regional und überregional ausgebaut werden.

Zweitens möchte ich gerne auf die Frage nach den Jugendämtern eingehen. Aktuell müssen alle Kommunen mit einem Jugendamt dieses auch vorhalten. Das stellt die Kommunen teilweise vor große Herausforderungen. Aktuell ist es nicht möglich, die Aufgaben eines Jugendamtes wieder zurückzugeben. Es gibt sehr viele Rückmeldungen aus der Praxis, dass dies eine Schwierigkeit ist und geändert werden soll. Das greift das Ausführungsgesetz jetzt auf.

Bei der Debatte geht es überhaupt nicht darum, zu sagen, ein großes Jugendamt leiste gute und ein kleines Jugendamt keine gute Arbeit. Wir sind uns alle einig, dass es darum geht, dass es genug qualifiziertes Personal geben muss, um die Arbeit in den Jugendämtern tatsächlich sicherzustellen. Es geht nicht darum, zu sagen, die Größe sei entscheidend.

Wir alle wissen, dass die Aufgaben in den Jugendämtern immer komplexer werden. In Nordrhein-Westfalen existieren übrigens 186 Jugendämter. Im Parlament – in der KiSchKo und im PUA – wird immer wieder die Frage thematisiert, was Jugendämter eigentlich leisten müssen.

Drittens möchte ich gerne auf die Tatsache eingehen, dass sich das Ausführungsgesetz an die jugendlichen Lebenslagen anpasst. Es wird nicht nur an verschiedenen Stellen sprachlich aktualisiert, sondern die Lebenslagen der Jugendlichen werden neu in den Blick genommen. Dabei geht es vor allem darum, dass die Maßnahmen der Jugendhilfe –Jugendsozialarbeit, Kinder- und Jugendhilfe sowie Maßnahmen im Sinne von Hilfen zur Erziehung – die Lebenslagen von jungen Menschen berücksichtigen. Beispielsweise werden folgende Fragen behandelt: Liegt eine Einwanderungsgeschichte vor? Wie ist die sexuelle Orientierung oder die geschlechtliche Identität? Dabei sollen auch verschiedene Diskriminierungsformen verhindert werden.

Um ein Beispiel zu nennen: In Jugendhilfeausschüssen oder auch im Landesjugendhilfeausschuss soll ein paritätisches Geschlechterverhältnis gefördert werden.

Viertens möchte ich noch kurz auf die Pflegefamilien eingehen. Ich freue mich sehr, dass eine Pflegeerlaubnis zukünftig nicht nur für verheiratete Paare möglich ist , sondern auch nichtverheiratete Paare Pflegefamilien werden können. Wir alle wissen, dass in Nordrhein-Westfalen ein extremer Mangel an Pflegefamilien herrscht. Es ist sehr zu begrüßen, dass mit diesem Schritt mehr Familien Pflegeeltern werden dürfen. Es hängt nicht von dem Ring am Finger ab, ob man sich als Familie gut umeinander kümmert.

Ein weiterer Punkt ist, dass durch die Änderungen im Ausführungsgesetz die sozialpädagogischen Lebensgemeinschaften in Nordrhein-Westfalen erhalten bleiben können. Was tun sozialpädagogische Lebensgemeinschaften? Sie sind eine Form der Unterbringung im Rahmen einer stationären Maßnahme. Das heißt: Anstelle einer Unterbringung in einem Heim wird ein Kind in einer Familie untergebracht. Die Besonderheit im Vergleich zu einer Pflegefamilie liegt darin, dass einer der Elternteile eine pädagogische Ausbildung hat und dementsprechend die pädagogische Qualität bzw. die pädagogische Betreuung dort eine andere, nämlich eine höhere ist.

Ich freue mich, dass heute die erste Lesung zu dem Gesetz stattfindet, wir dann in den fachlichen Austausch treten und parlamentarisch vielleicht noch mal an der einen oder anderen Sache schrauben können. Zudem freue ich mich über die Zustimmung. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

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