Eileen Woestmann: „Es geht darum, Gesellschaft zu sensibilisieren“

Zum Entwurf der Landesregierung für ein Landeskinderschutzgesetz - erste Lesung

Portrait Eileen Woestmann

Eileen Woestmann (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Wer ist eigentlich für Kinderschutz zuständig? Herr Maelzer hat gerade gesagt, das Parlament ist es nicht. Das ist richtig. Aber ist es eigentlich nur das Jugendamt und sonst keiner? Nein, das Jugendamt alleine kann es nicht richten.

Es braucht ein breites Netzwerk, um Kinderschutz zu leben. Dazu gehören an allererster Stelle die Eltern. Dann kommen Kitas, Schulen, Vereine, Ärzte, und wer eigentlich noch? Ketzerische Frage: Gehören wir nicht vielleicht alle dazu? – Ich würde sagen: Ja; denn unsere Verantwortung als Erwachsene ist es, das besondere Recht von Kindern und Jugendlichen auf Schutz und Versorgung sicherzustellen.

Die UN-Kinderrechtskonvention sichert Kindern unveräußerliche Rechte zu. Aber wenn ich jetzt fragen würde, welche besonderen Kinderrechte das sind, würden wahrscheinlich wenige eine Antwort wissen, außer man hat gerade Frau Ministerin Paul gelauscht, die einige Rechte ausgeführt hat. Genau deshalb ist es wichtig, dass es diesen Beauftragten für Kinderschutz und Kinderrechte gibt, der Kinderschutz und Kinderrechte prominent vertritt und sie bekannter macht.

Ich freue mich, dass Frau Ministerin Paul den Gesetzentwurf heute eingebracht hat. Es geht darum, Gesellschaft zu sensibilisieren. Wir reden viel über sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. Aber wir müssen anerkennen, dass sexualisierte Gewalt nur ein Teil von Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ist und körperliche und emotionale Gewalt teilweise einen größeren Anteil von Kindern betrifft.

Wir alle sind verantwortlich. Wir alle sind mit diesem Thema aber auch immer wieder überfordert. Wenn wir theoretisch darüber sprechen, was wir machen würden, wenn wir beobachten, dass ein Kind in der Bahn eine Ohrfeige bekommt, dann sind wir sehr klar. Wir würden das Jugendamt informieren, die Polizei anrufen, ansprechen und einschreiten.

Wenn wir aber in einer Situation sind, in der wir real beobachten, wie ein Kind von seinen Eltern verbal massiv angegangen wird, grob am Arm gerissen wird oder bei Kindern blaue Flecken wahrnehmbar sind, dann kommen wir an Grenzen. Ich habe bei meiner Arbeit als Sozialpädagogin viele Gespräche mit Menschen geführt, die genau das beobachtet haben, aber nicht wussten, was sie tun sollten, weil sie die Sorge hatten, etwas falsch zu machen.

Dabei stellen wir Erwachsene uns gerne oder vielleicht automatisch eher auf die Seite der Eltern, also der Erwachsenen. Deshalb ist es so wichtig, dass wir von staatlicher Seite ganz klar und unmissverständlich an der Seite von Kindern und Jugendlichen stehen. Genau das passiert mit dem Beauftragten, denn er verstärkt die Vernetzung, er ist für die Akteurinnen und Akteure ansprechbar, und er stellt die Kinderrechte und den Kinderschutz in den Mittelpunkt. Es wird eine enge Verknüpfung mit der Kinderschutzkommission geben, und das ist gut.

Ich würde aber gerne noch auf einen Punkt eingehen, den Herr Maelzer schon angesprochen hat und den Herr Hafke wahrscheinlich auch gleich ansprechen wird, nämlich die Frage der Durchgriffsrechte und der Kontrolle von Jugendämtern. Ich kann die Intention dahinter verstehen, weil wir alle nicht wollen, dass es Kinderschutzfälle gibt, aber ich glaube nicht, dass Kontrolle die Lösung ist.

(Marcel Hafke [FDP]: Aber ein Punkt!)

Ich sitze im PUA zu Lügde, und ich erkenne jede Woche in den Sitzungen, dass sich beim ASD etwas ändern muss. Allerdings glaube ich wie gesagt, nicht, dass Kontrolle die Lösung ist, sondern ich denke, dass wir eine andere Arbeitsweise in den Behörden brauchen.

Wir brauchen Leitungen, die ihre Teams zuverlässig und mit Kompass führen. Wir brauchen eine Fehlerkultur und eine Stimmung im Team, sodass man sagen kann: Ich glaube, dass ich mich geirrt habe. Ich muss noch einmal eine Beratung bekommen. Wir brauchen eine kollegiale Beratung auf Augenhöhe mit ausreichend Zeit. Wir brauchen Fortbildungen für die die Menschen, die im ASD arbeiten, damit sie handlungskompetent sind. Wir brauchen Supervisionen, um belastende Situationen verpacken zu können.

Genau diesen Aspekten der Qualitätsentwicklung wird mit §§ 6 bis 8 im Landeskinderschutzgesetz Rechnung getragen.

Ich freue mich, dass der Beauftragte die bereits bestehenden Kinderschutz- und Kinderrechtestrukturen in Nordrhein-Westfalen ergänzen und weiterentwickeln wird. Außerdem freue ich mich auf die Verbändeanhörung und das weitere Verfahren. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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