Eileen Woestmann: „Die Prioritäten liegen bei den Kindern und Jugendlichen sowie deren Bildung“

Zum Haushaltsgesetzentwurf 2025 - Familie, Kinder und Jugend - zweite Lesung

Portrait Eileen Woestmann

Eileen Woestmann (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Ich habe, wie wahrscheinlich viele von uns, am Wochenende das Interview mit Angela Merkel im Spiegel gelesen und würde daraus gerne mit Erlaubnis des Präsidenten zitieren. Angela Merkel sagt:

„Dieses gegenseitige Übertrumpfen in vermeintlicher Klarheit halte ich nicht für eine politische Tugend. Es kann so viel Schlimmes passieren, dass ich die Superlative im Positiven wie im Negativen nicht vergeuden möchte.“

Wenn wir ehrlich sind, dann erleben wir hier im Parlament immer wieder das Gegenteil. Die Opposition spricht von einer Katastrophe, von Versagen, von Scheitern. Das stimmt aber nicht. Die Politik versagt nicht, weil sie nicht die maximale Forderung umsetzt.

Regieren bedeutet, die beste Lösung für die aktuellen Umstände unserer Zeit zu finden. Regieren bedeutet nicht, Luftschlösser zu bauen, sondern pragmatisch zu handeln. Ja, wir leben in schwierigen Zeiten, und die Haushaltslage ist extrem angespannt. Das lässt sich nicht von der Hand weisen.

Schauen wir nach Berlin. Dort ist die Ampel-Regierung am Haushalt gescheitert, und es wurden Ministerinnen und Minister entlassen. In Nordrhein-Westfalen ist es gelungen, einen Haushalt aufzustellen. Ja, es ist nicht der perfekte Haushalt. An einigen Stellen wird drastisch gekürzt. Das tut weh. Niemand von uns ist jedoch angetreten, um Mittel zu kürzen, sondern wir alle wollen gestalten. Wir haben Ideen, die wir umsetzen wollen, und das geht am besten, wenn man diese Ideen mit Geld unterfüttern kann. Aktuell ist das nicht möglich. Das wissen wir alle.

Dann kann man natürlich D-Day-Ablaufszenarien schreiben, die offenlegen, dass man lieber Richtungsentscheidungen für sich selbst und nicht für das Land treffen möchte. Wenn man sich aber dazu entscheidet, dass man als FDP lieber nicht regiert, als vermeintlich falsch zu reagieren,

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

dann stürzt man ein Land in eine politische Krise. Herr Hafke, ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob wir angesichts dessen Ihr Lob für unseren Haushalt gerade brauchen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Ein Land, das keinen Haushalt aufgestellt und verabschiedet hat, kann nicht gestalten, sondern nur den aktuellen Stand verwalten. Das ist aber nicht mein Anspruch an die Politik und an mein Handeln.

(Marcel Hafke [FDP]: Sprechen Sie mal zur Sache!)

Deshalb ist es gut, dass es uns als Koalition gelungen ist, einen Haushalt aufzustellen, der klare Prioritäten setzt. Diese Prioritäten liegen bei den Kindern und Jugendlichen sowie deren Bildung. Wir als Koalition sind uns gemeinsam mit der Landesregierung einig, dass junge Menschen in Nordrhein-Westfalen wichtig sind.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Natürlich könnte auch hier noch mehr Geld fließen. Wir haben mehr Ideen, die wir umsetzen wollen, und es könnte mehr gemacht werden; das ist gar keine Frage. Bei einem Sparhaushalt funktioniert das aber nicht. Dass und Jugendliche von den Einsparungen ausgenommen wurden, geschah in gemeinsamer Verantwortung von allen Ministerien, dem Ministerpräsidenten und uns als Koalition. Dafür bin ich sehr dankbar.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Blicken wir auf die einzelnen Punkte. Das Kita-System steht vor großen Herausforderungen; das ist nicht von der Hand zu weisen. Wir haben einen Fachkräftemangel, der in der täglichen Arbeit für die Eltern, für die Fachkräfte und natürlich für die Kinder deutlich spürbar ist. Wenn wir über die Frage von Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Frage von frühkindlicher Bildung sprechen, dann ist die Kita essenziell. Dafür ist es wiederum essenziell, dass wir ein verlässliches System haben.

(Christian Dahm [SPD]: Aber das ist es doch gar nicht!)

Die Dynamisierung steigt dieses Jahr um 9,51 % und fängt damit eine Kostensteigerung auf. Das ist gut, weil es bedeutet, dass die Summe von rund 400 Millionen Euro mehr jedes Jahr dauerhaft im System zur Verfügung steht.

Wir erhalten die Sprach-Kitas. Das ist ein Programm, das Sie vom Bund übernommen haben, weil es im Bund damals nicht gelungen ist, eine Priorität auf Kinder zu legen.

(Christian Dahm [SPD]: Welches Ministerium war das noch im Bund?)

Wir halten die Alltagshelferinnen und Alltagshelfer in den Kitas, um Erzieherinnen und Erzieher zu entlasten, damit sie ihre pädagogische Arbeit erledigen können. Das ist gut.

Wir stärken weiter Familienzentren.

Auch der Kita-Platzausbau kann voranschreiten, indem wir 115 Millionen Euro Kita-Investitionsmittel bereitstellen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Eine wirklich gute Nachricht ist, dass es endlich eine Einigung bei den BAG-JH-Mitteln gibt. Das war lange überfällig. Wir haben sie von der alten Landesregierung übernommen, weil es nicht möglich war, hier eine Einigung zwischen Landesregierung und Kommunen zu finden. Jetzt gibt es eine, und es fließt richtig viel Geld an die Kommunen für die U3-Plätze.

(Christian Dahm [SPD]: Aber das ist doch keine Wohltat! – Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Schauen wir uns den Familienbereich an.

(Christian Dahm [SPD]: Das ist der Anspruch, den die Kommunen seit Jahren haben!)

Ja, dort gibt es extrem bittere Kürzungen. Aber es ist durch intensive Gespräche und Verhandlungen gelungen, 2 Millionen Euro der Kürzungen zurückzunehmen. Damit sorgen wir dafür, dass niederschwellige Angebote für die Familienberatung gerade in den Familienzentren erhalten bleiben können. Das ist wichtig, weil Familien Unterstützung in ihrer vertrauten Umgebung brauchen. Familienberatung bedeutet Beziehungsarbeit. Das bedeutet auch, dass Familien, wenn sie größere Probleme haben, direkt in andere Beratungsstrukturen vermittelt werden können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Durch das Präventions- und Maßnahmenpaket wird auch Väterarbeit gestärkt. Ich finde das wichtig, weil wir starke Väter für starke Kinder brauchen. Väter brauchen eine andere Ansprache, um ihrer Rolle als Vater gerecht zu werden.

Des Weiteren bekämpfen wir Kinderarmut mit „kinderstark – NRW schafft Chancen“, um Netze in den Kommunen vor Ort enger zu knüpfen, damit Kinder nicht in Armut fallen. Fakt ist auch, dass Kinder vor allem dann nicht mehr in Armut leben, wenn wir sie nicht als kleine Arbeitslose betrachten. Deshalb wäre die Kindergrundsicherung so wichtig gewesen, auf die man sich aber auf Bundesebene nicht hat einigen können.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Gleichzeitig bekomme ich gerade sehr viele positive Rückmeldungen für den jugendpolitischen Bereich unseres Haushaltes. Es gibt dort keine Kürzung. Der Kinder- und Jugendförderplan wird weiter dynamisiert. Das ist ein starkes Zeichen.

Auch in der Titelgruppe 68, in der es explizit um die Arbeit von jungen Geflüchteten geht, findet eine Stärkung statt. Gerade wenn wir auf die steigende Terrorgefahr durch Islamismus schauen, stellen wir fest, dass Prävention extrem wichtig ist, damit sich junge Menschen eben nicht radikalisieren, sondern wir vorher anfangen.

Im Maßnahmenpaket zu Sicherheit, Migration und Prävention der Landesregierung wird es ein neues Landesprogramm mit dem Titel „Teilhabe, Demokratiebildung und Extremismusprävention für junge Geflüchtete“ geben. Das ist ausdrücklich zu begrüßen. Natürlich können wir uns diesem Thema innenpolitisch immer widmen und dann aktiv werden, wenn sich Menschen schon radikalisiert haben und möglicherweise auch Taten geschehen sind. Aber wir wissen doch alle, wie wichtig gerade in dem Bereich Prävention ist, damit junge Menschen aufgefangen werden, bevor sie straffällig werden.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Ich freue mich auch, dass es gelungen ist, Mittel einzustellen, um die Stelle des Beauftragten für Kinderschutz und Kinderrechte umzusetzen. Wir haben in Nordrhein-Westfalen ein sehr gutes Landeskinderschutzgesetz. Da sind wir Vorreiter für andere Bundesländer. Mit dem Einsetzen eines Beauftragten/einer Beauftragten setzen wir ein wichtiges Signal, dass wir in Nordrhein-Westfalen weitergehen und nicht beim Status quo stehen bleiben. Damit stärken wir den Kinderschutz und die Kinderrechte im Land und machen sie weiter bekannt.

Gleichzeitig stärken wir die Ausbildung von Fachkräften, indem wir eine Kinderschutzprofessur einrichten. Das sind gute Nachrichten.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Natürlich sprechen wir hier nicht von einem Wünsch-dir-was-Haushalt, absolut nicht. Aber die Mittel sind begrenzt. Ich finde, wir haben im Rahmen dessen, was möglich ist, das Beste herausgeholt. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)