Eileen Woestmann: „Die Einführung eines Kern- und Randzeitenmodells bedeutet nicht den Untergang der Qualität“

Zum Antrag der SPD-Fraktion zur Kita-Politik

Portrait Eileen Woestmann

Eileen Woestmann (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Herr Maelzer, ich habe Ihnen sehr aufmerksam gelauscht und auch auf die Uhr geschaut. Sie hatten 5 Minuten Redezeit. Ich hatte eigentlich gehofft, dass Sie die 5 Minuten nutzen, um Lösungen zu präsentieren,

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Ja, schau doch mal in den Antrag!)

weil Ihr Antrag ja „Eine andere Kita-Politik ist möglich“ heißt. Sie haben 4 Minuten 30 Sekunden darauf verwendet, darüber zu schimpfen, was die Landesregierung alles in ihrem Eckpunktepapier negativ gemacht hat. 30 Sekunden vor Schluss dachte ich dann: Jetzt kommen die Lösungen. – Dann haben Sie einen Satz darauf verwendet, und der lautete: Wir brauchen mehr Auszubildende, und die Träger müssen gestärkt werden.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Bei so schlechter Politik der Landesregierung brauche ich halt 10 Minuten Redezeit!)

Es ist eine total gute Forderung, zu sagen: Wir brauchen mehr Auszubildende. – Das ist auch etwas, was die Landesregierung in ihrem Eckpunktepapier festgehalten hat, nämlich, dass die Ausbildung gestärkt werden soll.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: 2027!)

Allerdings muss man anerkennen, dass wir einen Fachkräftemangel haben. Diesen Fachkräftemangel haben wir ja nicht nur im Kita-Bereich und im Sozial- und Erziehungsdienst. Vielmehr gibt es 200 sogenannte Engpassberufe, bei denen wir heute schon wissen, dass dort aufgrund des demografischen Wandels Menschen faktisch fehlen werden.

Ich glaube, dass die Lösung nicht so einfach ist, nur zu sagen: „Wir müssen ausbilden, ausbilden, ausbilden“, sondern denke, dass wir auch dafür sorgen müssen, dass es sich lohnt, diese Ausbildung zu machen, und dass der Beruf attraktiv bleibt.

Nun kann man sehr darüber streiten, was dazu beiträgt, ob ein Beruf attraktiv ist oder nicht. Ich bin der festen Überzeugung, dass das, was hier im Plenum immer wieder aufgeführt wird, nämlich, die Apokalypse des Kita-Systems herbeizureden, genau das Gegenteil dessen bewirkt, was wir eigentlich wollen: dass junge Menschen sich dafür entscheiden, Erzieherin oder Erzieher werden zu wollen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Im Eckpunktepapier ist die Ausbildungsoffensive ein sehr zentraler Punkt. Sie ist zweigeteilt, weil wir nicht nur mehr Auszubildende fördern wollen, sondern auch dafür sorgen wollen, dass sich die Praxisanleitung in den Betrieben verbessert, sodass Menschen besser dort ankommen können und ausgebildet werden, damit sie auch dem Beruf erhalten bleiben bzw. die Ausbildung zu Ende bringen. Das ist eine tatsächliche Investition in die Zukunft. Damit wird Qualität gesichert, und dadurch wird der Beruf auch langfristig attraktiv bleiben.

Der zweite Punkt, auf den Sie sehr intensiv eingegangen sind, ist die Frage nach einem Kern- und Randzeitenmodell. Auch hier die Apokalypse sondergleichen!

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Ich habe das Modell doch nicht vorgeschlagen!)

Die Einführung eines Kern- und Randzeitenmodells bedeutet nicht gleich den Untergang der Qualität. Ich halte es aber schon für richtig, sich auch die Frage zu stellen, ob dann, wenn morgens um 7:30 Uhr in einer Gruppe von normalerweise 25 Kindern zwei Kinder anwesend sind, der gleiche Personalschlüssel gelten muss wie dann, wenn um 9:00 Uhr alle 25 Kinder da sind, oder ob man den Einsatz von Personal so flexibilisieren kann, dass es dem Bedarf, den die Kinder in der Kita haben, gerecht wird.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zuruf von Dr. Dennis Maelzer [SPD])

Es ist ja auch so, dass nicht Hinz und Kunz auf unsere Kinder losgelassen werden, sondern wir weiterhin eine hohe pädagogische Qualität in den Einrichtungen haben. Wir haben Ergänzungskräfte. Das sind in der Regel Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger. Sie haben eine zweijährige Ausbildung absolviert und leisten eine tolle Arbeit. Sie sind den Kindern bekannt und vertraut und gehören zum Team dazu.

Eine Aufteilung in ein Kern- und Randzeitenmodell bedeutet nicht, dass Lern- und Betreuungszeiten eingerichtet werden. Natürlich lernen Kinder permanent spontan. Für Kinder ist Schuhe anziehen lernen, für Kinder ist einen Schmetterling zu beobachten lernen, für Kinder ist aus dem Wasserglas zu trinken lernen, und für Kinder bedeutet auch ein Buch vorgelesen zu bekommen lernen. Natürlich braucht es dabei eine pädagogische Begleitung. Diese wird es auch weiterhin geben, weil unsere Ergänzungskräfte genau wie unsere Fachkräfte wertvolle Arbeit leisten. Nichtsdestotrotz muss es weiterhin auch Erzieherinnen und Erzieher geben, die grundständig ausgebildet sind und die in der Kita eine zentrale Aufgabe übernehmen.

Unser Anliegen bei einem Kern- und Randzeitenmodell ist, dass diese Fachkräfte gebündelt eingesetzt werden können und über das spontane Lernen, die spontane Bildung, die bei Kindern permanent passiert, heraus gezielt Angebote machen können, um Kinder noch dezidierter zu unterstützen, wo es einen anderen Bedarf gibt.

Ich glaube, ich könnte hier noch eine ganze Weile weiterreden, aber das könnten wir wahrscheinlich alle. Deswegen ist es ein bisschen schade, dass wir dieses Mal nicht im Fachausschuss weiter darüber sprechen. Aufgrund dessen, was ich gerade ausgeführt hat, lehnen wir den Antrag ab. Ich bin mir sicher, dass es nicht das letzte Mal war, dass wir hier standen, um darüber zu diskutieren.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

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