Eileen Woestmann (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Lieber Jochen Ott, Sie sprechen von Zuversicht und fordern eine Politik der Zuversicht. Die Worte, die Sie wählen, lauten aber „Katastrophe“, „Versagen“, „Totalausfall“ und „Scheitern“. Ehrlicherweise sind das keine Worte der Zuversicht.
(Zuruf von Marcel Hafke [FDP]: Ja klar, das ist auch so!)
Wenn wir ganz ehrlich sind, haben wir in der aktuellen Zeit gemeinsam eine Verantwortung – die Opposition wie die Regierung –, den Menschen auch Zuversicht zu vermitteln.
(Jochen Ott [SPD]: Dann macht doch was! Ihr regiert doch! –Zuruf von Dr. Dennis Maelzer [SPD])
Ob da eine Globalabrechnung zu allem, was Ihnen offensichtlich nicht in den Kram passt, der richtige Ansatz ist, möchte ich doch sehr deutlich infrage stellen.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zuruf von der SPD)
2021 wurde der Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz ab dem Schuljahr 2026/2027 aufwachsend ab Klasse eins auf Bundesebene beschlossen. Damit wurde die leidige Debatte „Brauchen wir OGS eigentlich, oder ist es doch nur nice to have?“ endlich beendet und vom Bund Klarheit geschaffen. Das war richtig und gut.
Schon damals war aber klar, dass in diesem Rechtsanspruch nicht nur eine große Chance, sondern auch eine große Herausforderung steckt. Der Rechtsanspruch ist eine Chance, weil er für mehr Bildungsgerechtigkeit und mehr gemeinsames Lernen sorgt. Der Rechtsanspruch ist eine Chance, weil die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert werden kann. Mit dem Rechtsanspruch verfügen Kinder und ihre Familien über die politische Zusage für eine Betreuung von acht Stunden pro Tag an fünf Tagen pro Woche. Auch die Schließzeiten in den Ferien wurden auf ein verträgliches Maß reduziert.
Der Rechtsanspruch ist eine Chance, weil Schule und Jugendhilfe durch ihn gemeinsam neue Wege gehen.
(Dietmar Brockes [FDP]: Sie nutzen die Chancen ja nicht! – Zuruf von Frank Müller [SPD])
Dazu gehört, dass das kindliche Lernen ganzheitlich in den Blick genommen wird und wir zu einem gemeinsamen Bildungsverständnis kommen.
(Marcel Hafke [FDP]: Was machen Sie denn? Nichts machen Sie!)
Dafür müssen sich Haltungen ändern und anpassen. Es braucht eine gegenseitige Offenheit dafür, in multiprofessionellen Teams zu arbeiten, den Blick über das eigene Professionsverständnis hinaus zu weiten und die fortlaufende Bereitschaft, voneinander zu lernen.
(Marcel Hafke [FDP]: Was machen die Grünen denn?)
Im Zentrum dieses Prozesses muss immer der gemeinsame Blick auf das Kind stehen.
Ja, der Rechtsanspruch stellt uns auch vor Herausforderungen. Eine Herausforderung ist der Fachkräftemangel. Neben der medialen Berichterstattung zu dem Thema ist der Fachkräftemangel auch in den unterschiedlichen Gesprächen, die ich führe, immer wieder ein großes Thema. Wir wissen, dass diese Frage uns auch perspektivisch weiter begleiten wird.
Die Frage lautet: Wie schaffen wir es, Menschen für Ganztagschulen, Kitas und andere soziale Einrichtungen zu gewinnen und vorhandene Fachkräfte im System zu halten?
(Zuruf von Frank Müller [SPD])
Der Rechtsanspruch ist auch deshalb eine Herausforderung, weil die Voraussetzungen, unter denen die Kommunen arbeiten und aktuell OGS anbieten, sehr unterschiedlich sind.
(Dietmar Brockes [FDP]: Das haben wir schon zehnmal gehört! Es passiert nur nichts!)
Das reicht von pädagogischen Konzepten über die Bezahlung bis hin zu der Ausgestaltung der Räume. Diesbezüglich müssen wir der Realität ins Auge blicken und anerkennen, dass die Rahmenbedingungen einfach unterschiedlich sind. Genau deshalb ist es doch sinnvoll, dass das Land in Bezug auf die räumlichen Gegebenheiten die notwendige Flexibilität einräumt.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Natürlich stellt uns auch die Frage zur Finanzlage der Kommunen und des Landes vor Herausforderungen. Das können wir hier auch nicht wegdiskutieren. Eine Möglichkeit, die finanzielle Situation sowohl in den Kommunen als auch in den Ländern zu verbessern, wäre übrigens eine ehrliche Debatte über die Schuldenbremse. Dabei kann es nicht darum gehen, wahllos Geld für alles auszugeben. Allerdings braucht es Investitionen in Bildung, in Sozialinfrastruktur und somit auch in den Zusammenhalt in unserem Land. Dazu hat zumindest die FDP eine sehr klare Haltung.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Christin Siebel [SPD]: Und dann die Schuldenbremse aussetzen!)
Fakt ist, dass Nordrhein-Westfalen an der Umsetzung des Rechtsanspruchs arbeitet. Die fachlichen Grundlagen geben den Kommunen und den Trägern jetzt schon eine Perspektive bzw. eine Richtung für die weitere Ausgestaltung der Arbeit vor.
(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Das hatten die doch vorher auch schon!)
Das Trägermodell bleibt erhalten. Aktuell in der OGS arbeitende Menschen werden das auch über das Jahr 2026 hinaus tun können. Außerschulische Partner*innen werden weiterhin in die Gestaltung von OGS eingebunden. Es wird außerdem keine Vorgaben für bauliche und räumliche Standards geben.
Wenn man richtig liest und in den Ausschüssen zuhört, dann versteht man, dass die fachlichen Grundlagen ein erster Baustein in diesem großen Prozess sind und dass an weiteren Umsetzungsregeln gearbeitet wird. Wer sich hier hinstellt und sagt, die fachlichen Grundlagen seien alles, was vom Land komme, hat das ein bisschen falsch verstanden.
(Beifall von den GRÜNEN – Andrea Busche [SPD]: Wie sollen wir das denn verstehen?)
Fakt ist, dass mit den fachlichen Grundlagen seitens der Landesregierung der Rahmen gezeichnet wird, mit dem die nächsten Schritte auf Landesebene erarbeitet werden. Hierdurch wird klargemacht, dass an weiteren Umsetzungsregelungen gearbeitet wird.
Sie kritisieren diesen Zwischenschritt, aber seien Sie doch mal ehrlich: Wenn die Landesregierung keine fachlichen Grundlagen veröffentlicht hätte, hätten Sie kritisiert, dass es viel zu lange bis zu der Ausgestaltung des Ganztagsanspruchs dauere. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Vizepräsident Christof Rasche: Entschuldigung, es liegt der Wunsch nach zwei Zwischenfragen vor. Möchten Sie noch?
Eileen Woestmann (GRÜNE): Wie bitte?
Vizepräsident Christof Rasche: Es liegen zwei Zwischenfragen vor, einmal aus der Fraktion der SPD und einmal aus der Fraktion der FDP. Würden Sie diese annehmen?
Eileen Woestmann (GRÜNE): Ja.
Vizepräsident Christof Rasche: Dann starten wir bei der Fraktion der SPD.
Frank Müller (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Vielen Dank, Frau Kollegin. Ich habe in beiden Ausschusssitzungen sogar sehr gut zugehört aber es wurde einfach nichts zu den nächsten Schritten gesagt. Vielleicht sind Sie einfach besser informiert als wir und können uns sagen, welcher Schritt der nächste sein wird und warum sie das Wort „Gesetz“ so scheuen wie der Teufel das Weihwasser.
Vizepräsident Christof Rasche: Bitte sehr.
Eileen Woestmann (GRÜNE): Vielen Dank für die Frage. Die Landesregierung arbeitet weiter an der Umsetzung des Rechtsanspruchs im Offenen Ganztag
(Lachen von Marcel Hafke [FDP])
und bringt Umsetzungsregeln auf den Weg.
(Beifall von der CDU und den GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Woher wissen Sie das eigentlich? – Zuruf von Sven Wolf [SPD])
Vizepräsident Christof Rasche: Vielen Dank. – Jetzt kommt Kollegin Müller-Rech aus der Fraktion der FDP. – Bitte sehr.
Franziska Müller-Rech (FDP): Vielen Dank, Frau Kollegin, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Ich möchte sie präzisieren und hoffe, dass Sie denselben Satz nicht noch einmal vortragen.
Die ganz konkrete Frage an Sie lautet: Werden Sie Ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag halten und ein OGS-Gesetz vorlegen?
Eileen Woestmann (GRÜNE): Die Landesregierung arbeitet an einer Umsetzung des Rechtsanspruchs und wird Umsetzungsregeln vorlegen.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Zuruf von Franziska Müller-Rech [FDP]: Wow! – Zurufe von der SPD: Oh! – Henning Höne [FDP]: Mein Gott, ist das peinlich! – Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Dafür sind die doch da! – Weitere Zurufe)