Eileen Woestmann: „Dass die Finanzierungssystematik in unserem Gesundheitssystem, vorsichtig ausgedrückt, kränkelt, wird an diesem Beispiel abermals deutlich“

Zum Antrag der SPD-Fraktion zur Gesundheitsversorgung von Familien

Portrait Eileen Woestmann

Eileen Woestmann (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Familien – das ist uns allen bewusst – leisten viel für unser Land. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist eine Herausforderung, und zwar nicht nur, wenn man eine optimale Betreuung für sein Kind gefunden hat. Denn Kinder, so großartig, wundervoll, bereichernd und liebenswert sie auch sind, führen dazu, dass alles ein bisschen unplanbarer und spontaner wird.

Gerade in den letzten zwei Jahren, während der Coronapandemie, mussten die Familien in unserem Land immer wieder die Erfahrung machen, dass sie mit den Herausforderungen alleingelassen worden sind. Kitas und Schulen wurden geschlossen, auch weil man es nicht besser wusste. Eltern – dabei vor allem Mütter – mussten plötzlich nicht nur ihre Rolle als Eltern ausfüllen, sondern gleichzeitig Erzieherinnen, Lehrerinnen, Trainerinnen und zusätzlich auch noch Arbeitnehmerinnen sein. Das hat viele Familien an den Rand der Belastbarkeit getrieben, teilweise auch darüber hinaus.

Aber Familie ist nicht nur da, wo Kinder sind. Auch pflegende Angehörige haben in den letzten beiden Jahren unter enormem Stress gestanden. Die permanente Angst, das potenziell tödliche Virus mit nach Hause zu bringen und damit den engsten Familienangehörigen zu gefährden, ist eine Belastung, die zusätzlich zu der Pflege Kapazitäten bindet.

Familienkuren sind hilfreich, um aus dieser chronischen Überlastung aussteigen zu können, auch wenn es nur für eine begrenzte Zeit ist. Sie helfen dabei, zur Ruhe zu kommen, sprichwörtlich einen Tapetenwechsel zu erleben und neue Impulse und Anregungen mit nach Hause zu nehmen.

Ich komme nun zu Ihrem Antrag. Sie weisen zu Recht auf einen Missstand hin. Dass die Finanzierungssystematik in unserem Gesundheitssystem, vorsichtig ausgedrückt, kränkelt, wird an diesem Beispiel abermals deutlich.

(Thorsten Klute [SPD]: Ja, los, dann zustimmen!)

Dass nun eine zusätzliche Belastung aufgrund der gestiegenen Gas‑ und Energiekosten auf die Kliniken zukommt, hilft dabei sicher nicht weiter.

Aber die besagte Finanzierungssystematik ist eine Aufgabe des Bundes. Bevor Sie jetzt wieder sagen, die Zukunftskoalition zeige nur mit dem Finger nach Berlin:

(Thorsten Klute [SPD]: Ist ja so! – Weitere Zurufe von der SPD)

In diesem Fall ist das absolut richtig, weil wir offensichtlich wissen, wie die Zuständigkeiten geregelt sind.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Reichen Sie diesen Antrag doch einmal bei Ihrer Bundestagsfraktion ein. Dann kann sich dieses Themas auch angenommen werden,

(Zuruf von Thorsten Klute [SPD])

auch wenn ich höre, dass im Gesundheitsministerium des Bundes bereits an einer Änderung des SGB IX gearbeitet wird, um genau das, was Sie hier in NRW fordern, umzusetzen. Laut meiner Information geht es dabei darum, dass die Rehabilitationsträger einen einmaligen Zuschuss an die Leistungserbringer in den Bereichen der medizinischen Rehabilitation und der beruflichen Rehabilitation sowie an Werkstätten für Menschen mit Behinderung auszahlen, um die steigenden Kosten für Gas und Energie abzufangen. Vielleicht hören Sie einfach mal bei Ihrem SPD-Minister Lauterbach nach. Der Kontakt müsste ja schnell herzustellen sein.

In diesem Zusammenhang könnten Sie auch anregen, dass Krankenkassen und Leistungsträger über angemessene Tagessätze in Kuren für Familien und Menschen in Pflegeverantwortung beraten.

(Thorsten Klute [SPD]: Das ist Teil des Antrags!)

Über die langfristigen Konzepte der Kuren können wir uns sicherlich in den Ausschüssen noch austauschen. Hierfür müssen aber auch die Kostenträger mit an den Tisch. Denn wenn ich richtig informiert bin, entscheiden die Kostenträger, also Rentenversicherung und Krankenkasse, in den Kliniken mit über die Ausgestaltung des Angebots.

Noch ein Satz zu dem Brief, den viele Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete von einer Klinik, die sehr konkret wird, bekommen haben: So wichtig es ist, diese Klinik zu erhalten, allein ein Zuschuss bei den Energiekosten wird leider nicht dafür sorgen, dass ein neuer Träger gefunden wird.

Nur damit ich hier nicht falsch verstanden werde: Kuren sind gerade nach diesen belastenden Zeiten der Pandemie eine wichtige Stütze für Familien, um Kraft und Energie zu tanken. Aber auch NRW hat keine Gelddruckmaschine im Keller stehen,

(Josef Neumann [SPD]: Was? Das ist ganz neu!)

sodass sämtliche Aufgaben des Bundes übernommen werden könnten, für die die Ampelkoalition noch keine Lösung gefunden hat. – Vielen Dank.

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