Eileen Woestmann: „Damit würde auch das System entlastet, und man würde den Eltern und den Kindern gerechter werden“

Zum Antrag der FDP-Fraktion zur Kinderbetreuung

Portrait Eileen Woestmann

Eileen Woestmann (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Wir stehen bei der Frage der Kitas vor großen Herausforderungen. Die Finanzierung der Kitas ist im Plenum und im Ausschuss ein wiederkehrendes Thema. Der Fachkräftemangel stellt eine extreme Herausforderung dar. Die Verlässlichkeit für Eltern und Kinder ist aktuell nicht so gegeben, wie wir alle uns das wünschen. Bei den Erzieherinnen und Erziehern sind die Belastung und der Krankenstand so hoch wie nie.

Eigentlich müsste man sagen, dass wir uns in einer Situation befinden, in der wir alle daran interessiert sein sollten, Lösungen zu finden.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Ja! – Weiterer Zuruf von der SPD)

Ich habe jedoch den Eindruck, dass Sie als Opposition nicht ernsthaft daran interessiert sind, eine Lösung zu finden, sondern es unter Umständen sogar ganz gut finden, dass es so ist, wie es jetzt ist,

(Zuruf von der SPD)

weil Sie versuchen, daraus politisches Kapital zu schlagen. Dabei wird auch deutlich, dass es Ihnen gar nicht um die Kinder, die Eltern oder die Erzieherinnen geht, sondern vor allem um sich selbst.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Wenn ihr aufgebt, machen wir das! – Weiterer Zuruf von der SPD: Welche Arroganz!)

Wenn man einmal hochrechnet, liebe FDP, wie viel Sie in Ihrem Antrag mit den Maßnahmen fordern, kommt man auf mindestens 1 Milliarde Euro mehr für die Kitas im System – für ein weiteres beitragsfreies Kita-Jahr, für die Abfederung der Tarifkostensteigerung und für den Ausgleich der Inflation.

(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

Das alles sind Punkte, die ohne Frage richtig und wichtig sind und teilweise auch in unserem Koalitionsvertrag stehen.

(Zuruf: Ah!)

Wäre die finanzielle Situation in der Landeskasse eine andere, wäre vieles auch leichter.

(Marcel Hafke [FDP]: Hätte, hätte, Fahrradkette!)

Gut wäre übrigens auch, wenn der Finanzminister im Bund, Herr Lindner, nicht laut darüber nachdenken würde, die Mittel für das KiTa-Qualitätsgesetz

(Henning Höne [FDP]: Bingo!)

nicht über 2024 hinaus weiterzuführen.

Diese 1 Milliarde Euro mehr ist auch deswegen spannend, weil wir hier vor einigen Stunden darüber diskutiert haben,

(Simon Rock [GRÜNE]: Ja, eben noch diskutiert!)

dass die Landesregierung auf Antrag der FDP bitte keine neuen Schulden aufnehmen soll und die aufgrund der geringeren Steuereinnahmen fehlenden 1,2 Milliarden Euro aus dem Haushalt tilgen soll.

(Beifall von den GRÜNEN)

Liebe FDP, machen Sie eigentlich auch Vorschläge, was wir einsparen können und worauf wir verzichten sollen?

(Zuruf von der FDP: Ja!)

Vizepräsident Christof Rasche: Der Kollege Hafke hat den Wunsch nach einer Zwischenfrage.

Eileen Woestmann (GRÜNE): Selbstverständlich.

Vizepräsident Christof Rasche: Wunderbar. – Bitte sehr.

(Simon Rock [GRÜNE]: Kommt jetzt etwas Sachdienliches?)

Marcel Hafke (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegin, vielen Dank für die Möglichkeit, eine Zwischenfrage zu stellen. Im Kinderbildungsgesetz ist das Wunsch- und Wahlrecht verankert, das alle Fraktionen teilen. Staatssekretär Bahr hat ein anderes Modell vorgeschlagen und möchte das Wunsch- und Wahlrecht einschränken. Mich würde in diesem Zusammenhang interessieren, ob Sie hier und heute in der Lage sind, dem 35-Stunden-Kernbetreuungsmodell eine Absage zu erteilen.

Eileen Woestmann (GRÜNE): Es ist schön, dass Sie diese Frage stellen. Wenn Sie mir weiter gelauscht hätten, hätten Sie die Antwort auch bekommen.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Aha!)

Kommen wir zu den Kitas und den Herausforderungen zurück. Woher kommt eigentlich die Idee mit den 35 Stunden, und was wurde auf diesem Betreuungsgipfel genau gesagt?

Herr Hafke, ich habe Sie bei dieser Veranstaltung nicht gesehen, und ich nehme an – das haben Sie gerade auch bestätigt –, dass Sie Ihr Wissen aus Zeitungsberichten bzw. aus der Kleinen Anfrage von Herrn Maelzer haben.

(Marcel Hafke [FDP]: Nein! – Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Fakt ist, dass Herr Staatssekretär Bahr nicht gesagt hat, die Landesregierung sehe die alleinige Lösung

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Nicht die alleinige!)

in der Reduzierung der Betreuungszeit auf 35 Stunden, sodass damit alle Probleme gelöst wären.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Es kommt noch schlimmer!)

Demgegenüber hat er auf eine Studie – jetzt bitte zuhören; jetzt kommt die Information, die wichtig ist –

(Beifall von den GRÜNEN – Marcel Hafke [FDP]: Jetzt kommt die Absage!)

der Bertelsmann Stiftung hingewiesen.

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Ich glaube nicht, dass Sie in irgendwelche Prozesse eingebunden sind!)

– Darf ich weitersprechen?

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Klar!)

– Danke schön. – Im Rahmen dieser Studie der Bertelsmann Stiftung wurde im Dezember 2023 geschaut, wie die verschiedenen Bundesländer aufgestellt sind, und berechnet, wie viele Stunden pro Kind in der Kita mit den aktuell vorhandenen Fachkräften zur Verfügung gestellt werden können. Die Bertelsmann Stiftung kommt dabei für Nordrhein-Westfalen auf sieben Stunden täglich. Damit könnte das Fachkräfteprobleme in NRW gelöst werden.

(Marcel Hafke [FDP]: Keine Antwort auf meine Frage!)

– Dazu komme ich noch; bitte ein bisschen Geduld. – Zunächst komme ich zum Wunsch- und Wahlrecht. Beim Ländermonitoring der Bertelsmann Stiftung gaben 2021 nur 5 % der Eltern an, dass sie sich für ihr Kind – egal ob U3 oder Ü3 – eine Betreuung im Umfang von 45 oder mehr Stunden wünschen würden. Dennoch werden in NRW aktuell 40 % der U3-Kinder und über 50 % der Ü3-Kinder 45 Stunden oder mehr in den Kitas betreut. Diese Diskrepanz ist frappierend.

Wie kann das sein? Mir wird aus mehreren Kommunen berichtet, dass Eltern sehr klar geraten wird, einen 45-Stunden-Platz zu buchen, wenn sie einen Kita-Platz haben wollen. Wenn wir aber ehrlich sind, ist es doch gerade in Zeiten des Mangels sinnvoll, die Plätze nach dem tatsächlichen Bedarf der Eltern und des Kindes zu vergeben. Damit würde auch das System entlastet, es würde verantwortungsvoller mit Personalressourcen umgegangen, und man würde den Eltern und den Kindern gerechter werden.

(Beifall von den GRÜNEN – Marcel Hafke [FDP]: Ach, so macht ihr die 35 Stunden!)

Für mich heißt das, dass wir über den Bedarf der Eltern auch im Sinne des SGB VIII ergebnisoffen und nicht im Sinne einer pauschalen Reduzierung der Stunden sprechen müssen. – Damit haben Sie die Antwort auf Ihre Frage. – Außerdem bedarf es offensichtlich anderer Steuerungsmechanismen für die Träger.

Wir brauchen also eine gute Lösung. Dafür müssen wir aber verschiedene Ideen diskutieren können. Das Wiederholen von Maximalforderungen, egal von welcher Seite, wird uns in der aktuellen Situation nicht weiterbringen

(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist eine Maximalforderung?)

und wird diesem ernsten Thema auch nicht gerecht. Was wir brauchen, ist die Bereitschaft, auch mal out of the box zu denken, Kompromisse einzugehen und lösungsorientiert zu handeln.

Der Überweisung des Antrags in den Fachausschuss stimmen wir zu. – Ich danke Ihnen für die Debatte.

(Beifall von den GRÜNEN)

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