Dr. Volkhard Wille (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da wir uns in den nächsten Monaten sicherlich noch mehrfach mit mineralischen Rohstoffen und Baustoffen beschäftigen werden, möchte ich zuerst einige grundlegende Bemerkungen machen.
In Nordrhein-Westfalen wurden 2021 laut IT.NRW rund 58 Millionen Tonnen Kies, Sand und Ton gefördert. Es gibt Kommunen in NRW – der Kollege Bergmann hat es eben schon gesagt –, deren Gebiet bis zu einem Drittel abgegraben ist bzw. planmäßig in den nächsten Jahren abgegraben werden soll. Das belastet die betroffenen Menschen, wertvolle landwirtschaftliche Böden verschwinden, und die ökologischen Auswirkungen sind immens, da das Grundwasser freigelegt wird und Natur und Heimat zerstört werden.
Wir müssen uns immer wieder vor Augen führen: Kies und Sand sind endliche Ressourcen. Es sind wertvolle Rohstoffe, die es sparsam zu nutzen gilt und die nicht nur uns, sondern auch noch den folgenden Generationen zur Verfügung stehen sollten.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Auf der anderen Seite brauchen wir große Mengen von Baustoffen für das Bauen von Häusern, Straßen, Brücken, Schienen und Radwegen. Hier stellt sich jetzt die entscheidende Frage: Können wir nicht anders und besser bauen? Benötigen wir dafür vor allem neu gewonnene Rohstoffe? Oder können wir stattdessen vermehrt auf recycelte Baustoffe setzen?
Die Antwort darauf ist: Ja, das können wir, und zwar bereits jetzt. Wir können vermehrt altes Material neu aufbereiten, Bauschutt recyceln und wiederverwenden. Die technischen Möglichkeiten stehen uns zur Verfügung.
Mit Förderung des Landes NRW wurden in den letzten Jahren von innovativen Unternehmen neue technische Verfahren wie das Nassrecycling entwickelt, das einen wesentlich höheren Prozentsatz des anfallenden Bauschutts zu hochwertigen Baustoffen aufarbeiten kann. Europas größte Bauschuttrecycling-Anlage, die dieses Jahr den Regelbetrieb aufgenommen hat, steht mitten in NRW, in Hünxe – was für eine Chance!
Was die Recycling- und Baubranche braucht, sind gute Rahmenbedingungen, um ihre Technik in der Breite zu etablieren. Es ist möglich: Bauen in gleicher Qualität mit weniger Verbrauch endlicher Ressourcen.
Nun zum FDP-Antrag. Ich finde es schon recht mutig, ohne nähere Informationen zur Ausgestaltung der im Koalitionsvertrag erwähnten Rohstoffabgabe hier schon auf Basis ganz vieler Annahmen so einen Antrag vorzulegen, der natürlich dann auch viel Falsches enthält.
(Zuruf)
Das Schreckgespenst, dass sich zum Beispiel durch eine Rohstoffabgabe für Sand und Kies das Bauen verteuert würde, ist schlicht unzutreffend. Recyclate sind schon heute günstiger als frisch abgebauter Primärrohstoff wie Sand und Kies, und beim konsequenten Einsatz von Recyclingmaterialien kann deshalb das Bauen in vielen Bereichen sogar günstiger werden. Natürlich werden auch in Zukunft noch die Primärrohstoffe Sand und Kies abgebaut, aber dann hoffentlich nur noch für den absolut notwendigen Anteil, der nicht durch Recyclate gedeckt werden kann.
Es ist falsch, dass, wie die FDP in ihrem Antrag behauptet, schon heute die Recyclingpotenziale ausreichend genutzt werden. Sie ignorieren die eben erwähnten technischen Fortschritte der letzten Jahre. Was einige Lobbyverbände gern unterschlagen: Von den im Jahr 2020 bundesweit erfassten 220 Millionen Tonnen mineralische Bauabfälle wurden 97 Millionen Tonnen, fast die Hälfte, in übertägigen Abgrabungen verschüttet.
Das heißt: Diese Bauabfälle wurden auch verwendet, um Kiesabgrabungen zu füllen. Das gilt statistisch als verwertet, ist aber wirklich keine Nutzung als Recyclingmaterial.
Mit dem eben erwähnten Nassrecycling können erhebliche zusätzliche Anteile der mineralischen Reststoffe schon jetzt zu hochwertigen Baustoffen aufbereitet werden und der Kreislaufwirtschaft im Bausektor zum Durchbruch verhelfen.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Klar ist, dass auch die Anpassung einiger technischer und formaler Vorschriften notwendig ist, um dem Einsatz von Rezyklaten auf breiter Front zum Durchbruch zu verhelfen. Teilweise ist das schon erfolgt, und wir werden das konsequent fortsetzen.
Die bisherigen Rahmenbedingungen haben aber gerade nicht ausgereicht, um diesen Switch zum zirkulären Bauen zu erreichen. Sonst wären nämlich nicht diese Restmengen von Bauschutt in den Seen verklappt worden.
Mit dem marktwirtschaftlichen Instrument dieser Umweltlenkungsabgabe folgen wir den Forderungen aus Wissenschaft und Gesellschaft und ergänzen das Instrumentarium von Ordnungsrecht und Förderprogrammen. Erst der kluge Mix dieser Instrumente führt zum Erfolg.
Vizepräsident Christof Rasche: Lieber Herr Kollege, es liegt eine Zwischenfrage des Kollegen Brockes vor.
Dr. Volkhard Wille (GRÜNE): Immer her damit.
Vizepräsident Christof Rasche: Dann mal los.
Dietmar Brockes (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident und Herr Kollege Wille, dass Sie die Zwischenfrage zulassen.
Haben Sie zur Kenntnis genommen, dass sich in unserem Antrag neun von elf Punkten auf den besseren Einsatz von Recyclingmaterial beziehen und wir darauf den Schwerpunkt gelegt haben und somit die Einführung eines Kieseuros wirklich unnötig machen?
Vizepräsident Christof Rasche: Dr. Wille.
Dr. Volkhard Wille (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Kollege. Ich habe vor allem den folgenden Satz gelesen:
„Ein weiterer Ausbau der Stoffkreisläufe ist durch eine zusätzliche Abgabe nicht erreichbar“
Das widerspricht einfach der Faktenlage.
Natürlich werden viele der Punkte, die Sie aufführen, von uns unterstützt und umgesetzt. Sie stellen dieses Instrument aber in keiner Weise infrage.
(Beifall von den GRÜNEN)
So verleihen wir aus unserer Sicht dem Gemeinwohl durch den dringend notwendigen Ressourcenschutz stärkeres Gewicht. Wir werden dem NRW-Bausektor einen innovativen Schub geben, der sich in vielerlei Hinsicht positiv auswirken wird.
Der FDP-Antrag wirkt auf mich gedankenlos und unverantwortlich gegenüber den kommenden Generationen. Der Überweisung in den Fachausschuss zur weiteren Diskussion stimmen wir aber natürlich zu. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)