Dr. Volkhard Wille (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema „Nationalparke in NRW“ hat den Landtag schon häufig beschäftigt, und sicherlich ist es heute auch nicht das letzte Mal. Das zeigt, wie wichtig das Thema ist und wie viele Menschen es bewegt.
Der FDP-Antrag suggeriert, dass die Diskussion in allen Regionen schon beendet und abgeschlossen ist. Gerade als Abgeordneter aus dem Kreis Kleve lege ich Wert auf die Feststellung, dass dem nicht so ist. Ein Bürgerbegehren mit gegebenenfalls anschließendem Bürgerentscheid läuft derzeit, und der Respekt vor diesem Verfahren gebietet es, dieses abzuwarten. Auch von Ihnen als Abgeordnetem aus Ostwestfalen, Herr Lürbke, kann ich erwarten, dass Sie nicht vorschnell sagen: Verfahren einstellen und Neustart wagen. – Für alle Verfahren muss doch gelten, dass sie erst einmal abgeschlossen werden.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Gleichwohl ist die durch die FDP angestoßene Diskussion zu der Frage, wie Biodiversitätsschutz, Arten- und Naturschutz in NRW vorangebracht werden können, sinnvoll und richtig. Auch wenn Herr Kollege Lürbke gerade mit einer ziemlich polemischen Rede vieles von dem, was an guten Ansätzen auf der fachlichen Ebene in Ihrem Antrag steht, wieder eingerissen hat, möchte ich mich mit diesen Argumenten und mit den Vorschlägen, die Sie gemacht haben, etwas genauer auseinandersetzen.
Zuerst muss man sich in Erinnerung rufen, warum sich die schwarz-grüne Landesregierung auf die Einrichtung eines zweiten Nationalparks verständigt hat. Nationalparke sollen im Gegensatz zu anderen Schutzgebietskategorien natürliche, vom Menschen möglichst unbeeinflusste Lebensräume schützen und den dort vorkommenden Tier- und Pflanzenarten Lebensraum bieten. Von etwa 14.000 Arten im Wald sind zum Beispiel rund 33 % auf Totholz angewiesen. In einem Wirtschaftswald kommen diese Arten nicht vor.
Die Kollegen der FDP hören gerade nicht zu. Ich versuche, mich mit Ihren Punkten auseinanderzusetzen, und würde mich über Aufmerksamkeit freuen.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU – Norwich Rüße [GRÜNE]: Ja!)
Um stabile Populationen und genetische Diversität dauerhaft zu sichern, ist zudem eine gewisse Großflächigkeit dieser Gebiete notwendig. Deshalb hat sich auch die Völkergemeinschaft im Übereinkommen über die biologische Vielfalt auf ein weltweites Netzwerk von Schutzgebieten – unter anderem Nationalparke – geeinigt. Deutschland hat das immer unterstützt, und NRW stellt sich dieser Verantwortung, um unseren Beitrag dazu zu leisten.
(Beifall von den GRÜNEN und Dr. Ralf Nolten [CDU])
Jetzt zu Ihren Vorschlägen: Sie fordern die Aufwertung bestehender Naturschutzflächen.
Bestehende Naturschutzgebiete in NRW werden in der Regel mit Auflagen landwirtschaftlich und forstwirtschaftlich genutzt. Es geht um Feuchtwiesen im Münsterland und am Niederrhein, um Bachtäler und Wiesen in den Mittelgebirgen.
Die durch einen Nationalpark zu schützenden ursprünglichen, ungenutzten Lebensräume und die natürlichen Prozesse finden gerade nicht in Naturschutzgebieten statt. Die öffentliche Hand zahlt in den Naturschutzgebieten im Rahmen des Vertragsnaturschutzes erhebliche Mittel, um eine extensive, naturschutzverträgliche Nutzung von Kulturlandschaften zu ermöglichen.
Wenn man also die Ziele, die mit einem Nationalpark erreicht werden sollen, stattdessen in Naturschutzgebieten anstrebt, müsste man dort konsequenterweise die Nutzung einstellen. Und das ist weder fachlich sinnvoll noch in der Praxis machbar,
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
da es sich ganz überwiegend um Flächen im Privatbesitz handelt. Auch sind die NSGs in NRW mit einer durchschnittlichen Größe von ungefähr 90 ha relativ kleinflächig. Allerdings ist Großflächigkeit – deshalb machen wir Nationalparks – ist Voraussetzung, um Prozessschutz und Naturentwicklung zu gewährleisten. Dieser Vorschlag ist daher untauglich.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Zweitens. Sie schlagen die Aufforstung der Wälder vor. Der Schutz unserer Wälder und die Wiederbewaldung der aufgrund von Dürre und Kalamitäten geschädigten Waldflächen ist wichtig. Ob die Wiederaufforstung durch den Menschen oder durch die natürliche Wiederbewaldung eher zu klimastabilen Mischwäldern führt, werden wir erst in einigen Jahren oder Jahrzehnten wissen. Klar ist aber, dass eine gezielte Wiederaufforstung mit der natürlichen Naturentwicklung in einem Nationalpark unter Prozessschutz nicht zu vergleichen ist und auch nicht die gleichen Vorteile für die Artenvielfalt bietet.
Zur Einrichtung von Biosphärenreservaten: Bisher gibt es diese in NRW nicht. Es wäre möglich, aber das sind großflächige Kulturlandschaften, in denen mit einer naturnahen Bewirtschaftung gearbeitet wird. Auch hier gilt: Die mit einem Nationalpark verfolgten Ziele können damit nicht erreicht werden.
Zum Vorschlag zu Naturparken: Da geht es vor allen Dingen um Gebiete, in denen Öffentlichkeitsarbeit, Umweltbildungsangebote und Ähnliches entwickelt werden. Auch das sind Dinge, mit denen die Ziele eines Nationalparks überhaupt nicht erreicht werden. Das zeigt: Die von der FDP benannten Alternativen sind aus unserer Sicht nicht geeignet, die Anforderungen des Biodiversitätsschutzes in dem Maße zu erfüllen, wie es nur ein Nationalpark mit großflächiger Naturentwicklung und Prozessschutz kann.
Wir lehnen daher Ihren Antrag ab. Da Sie direkte Abstimmung beantragt haben, ist der Weg zur weiteren Diskussion im Fachausschuss leider, zumindest derzeit verbaut. Aber das kommt ja vielleicht später noch. – Vielen Dank.
(Beifall von der CDU und den GRÜNEN)