Dr. Ruth Seidl zum Bereich Innovation, Wissenschaft und Forschung

Landeshaushalt 2014 zweite Lesung

Dr. Ruth Seidl (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Freimuth, Herr Berger, wenn wir die Hochschulmittel aus dem Etat zum Hochschulpakt herausrechnen, der zurzeit 8 Milliarden € ohne Bundesmittel beträgt, dann steigt der Etat noch immer um rund 380 Millionen €. Das ist eine Steigerung um 5 %. Das ist Ihre erste Falschaussage.
Die zweite Falschaussage ist – das sagen Sie jedes Jahr –, dass wir den Topf der Qualitätssicherungsmittel angeblich nicht groß genug machen. Das zusätzliche Geld, also diese enormen Mittel, die jetzt in die Hochschulen fließen – davon sind 60 % für die Lehre und Studium vorgesehen –, sind um das 35-Fache höher als die Mittel, die in diesem QVM-Topf sind. Von daher haben die Hochschulen mehr Geld zur Verfügung als vorher für die Qualitätssteigerung von Studium und Lehre.
Die Haushaltsanträge der CDU, Herr Berger, und Ihre Einlassung, Frau Freimuth, machen deutlich, in welchem desolaten Zustand sich die Opposition hier im Landtag befindet. Es gibt keine klugen Konzepte, es gibt keine echten Gestaltungsalternativen und erst recht keine tragfähigen Gegenfinanzierungsvorschläge. – Nichts außer Gemopper an dieser Stelle!
Ich finde es fast ein wenig enttäuschend, dass Sie uns heute auch keine Haushaltsvorschläge vorlegen, die man hier ernsthaft diskutieren könnte. Ich will das gerne erläutern, Herr Berger. Es ist doch vollkommen anachronistisch, wenn man sich die bundesweite Entwicklung und die in Nordrhein-Westfalen ansieht, die Studiengebühren wieder heraufzubeschwören. Das haben Sie im letzten Jahr auch schon getan. Wo ist denn Ihr Antrag dazu? Es nimmt Ihnen doch niemand ab, dass Sie sich damit im kommenden Landtagswahlkampf profilieren wollen. Wenn Sie diesen Vorschlag zur Gegenfinanzierung Ihrer Haushaltsforderungen erst meinen, dann bringen Sie doch bitte einen entsprechenden Gesetzentwurf ein. Wo bleibt er denn?
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Dietmar Bell [SPD]: Trauen Sie sich!)
Ihr Kürzungsantrag über 250 Millionen € bei den Qualitätsverbesserungsmitteln bleibt ansonsten eine reine Luftbuchung, die nicht seriös ist. Und für sich genommen würde dadurch auch das Budget der Hochschulen für die Lehre enorm eingeschränkt.
(Karl Schultheis [SPD]: Das ist doch Blödsinn!)
Sie fordern weiterhin die schrittweise Kürzung – es wurde eben schon danach gefragt – von Landesförderprogrammen und landesgesetzlichen Leistungen um 20 %. Das tun Sie ganz pauschal bei diesem Haushalt. Da kann man nur raten, wo Sie hier den Rotstift ansetzen wollen. Wollen Sie, Herr Berger, wie Sie das schon einmal gemacht haben, die Mittel für die Studentenwerke kürzen? Das hieße dann weniger Beratungspersonal und weniger Mensen. Das haben Sie ja schon einmal gefordert. Oder wollen Sie vielleicht die Budgets der Hochschulen kürzen, wie die CDU das in Hessen und Sachsen-Anhalt gemacht hat? Oder wollen Sie wie im vergangenen Jahr – da waren Ihre Vorschläge deutlicher – die Mittel für die Frauenförderung und Genderforschung kürzen? Bitte schön, dann rücken Sie doch einmal ganz konkret mit Ihren Maßnahmen heraus.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Nadja Lüders [SPD])
Man fragt sich auch, was der von Ihnen vorgetragene Verzicht – das haben beide Redner angesprochen – auf die geplante Novellierung des Hochschulfreiheitsgesetzes in dieser Haushaltsdebatte zu suchen hat, Herr Berger. Der vermeintliche Abbau von Hochschulfreiheit, den Sie uns unterstellen – ich zitiere Sie –, unterminiere die Innovationskraft Nordrhein-Westfalens. Hier bleibt die Antwort auf der Strecke, wie viel in diesem Landeshaushalt eingespart würde, wenn das Hochschulzukunftsgesetz nicht umgesetzt würde. Das ist doch vollkommen lächerlich, Herr Berger.
Der Gesamtetat im Wissenschaftsbereich wächst in diesem Jahr auf fast 8 Milliarden €. Davon erhalten die Hochschulen über 4,8 Milliarden €, die Innovationsförderung in Höhe von knapp 730 Millionen € noch nicht eingerechnet. Über 1 Milliarde € für die Medizin kommt noch hinzu. Wer jetzt meint, hieraus erwachse auch keine größere Herausforderung für das Land und für die Hochschulen, der nimmt seine politische Verantwortung in diesem Parlament nicht ernst. Genau das erwarte ich aber von Ihnen.
Mit der wachsenden Studierendennachfrage und auch der Unterschiedlichkeit der Studierenden wächst die Verantwortung der Hochschulen gegenüber der Gesellschaft. Mit einem solch riesigen Etat wächst die Pflicht einer stärkeren Transparenz gegenüber dem Parlament als Haushaltsgesetzgeber und gegenüber den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern sowieso.
Wer, wenn nicht die Hochschulen, sollten bei der Frage nach moderner demokratischer Mitbestimmung an der Spitze der Bewegung stehen?
(Dr. Stefan Berger [CDU]: Nicht die Hochschulen!)
Es geht doch nicht um ein Zurück zur Detailsteuerung, wie Sie uns das immer vorwerfen, sondern es geht darum, strategische Ziele zu formulieren und in der Umsetzung Raum zu lassen für hochschulindividuelle Lösungen.
(Zuruf von Dr. Stefan Berger [CDU])
Darum geht es.
Wenn Sie hier von einer Einschränkung der Autonomie sprechen, dann ist dies nichts anderes als dummes und fast schon böswilliges oppositionelles Getöse.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Dr. Stefan Berger [CDU])
Ich komme zu einem weiteren Haushaltsantrag, in dem Sie den Wunsch aus der Region OWL aufgegriffen haben, eine eigene medizinische Fakultät in Bielefeld zu etablieren. Das haben wir in den Ausschüssen auch schon rauf und runter diskutiert. Sie wissen genau wie wir, Herr Berger, dass das Ergebnis zweier Expertenanhörungen sehr deutlich war, sich auf ein Kooperationsmodell zwischen den Universitäten Bochum und Bielefeld sowie den Kliniken in Ostwestfalen zu einigen. Das war die überwiegende Meinung der Mehrheit der Vertreterinnen und Vertreter in dieser Anhörung. Dieses haben wir dann organisatorisch und finanziell auf den Weg gebracht. Damit werden kostengünstig und schon in wenigen Jahren zusätzliche Medizinerinnen und Mediziner auf qualitativ hohem Niveau für OstWestfalenLippe ausgebildet.
Die von Ihnen geforderte Einrichtung einer eigenständigen Medizinischen Fakultät würde alleine 140 Millionen € Baukosten und jährliche Mehrausgaben von 45 Millionen € verursachen.
(Zuruf von der CDU)
Mit Ihrem Gegenfinanzierungsvorschlag, die Mittel für das Forschungsprogramm – das ist der größte Witz – „Fortschritt NRW“ zu kürzen, könnten Sie nicht einmal eine halbe Medizinische Fakultät betreiben, geschweige denn bauen. Soweit die Seriosität Ihrer Haushaltsanträge.
(Zuruf von Dr. Stefan Berger [CDU])
Die Begründung für die Streichung der Mittel für die Initiative „Fortschritt NRW“ ist ohnehin haarsträubend. Bei aller Wertschätzung, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP: Wer heute noch nicht weiß, vor welchen großen gesellschaftlichen Herausforderungen wir unsere politischen Konzepte entwerfen müssen, der gehört einer politischen Generation von vorgestern an. Mit den Mitteln aus „Fortschritt NRW“ werden sowohl Projekte als auch Strukturen der Forschung für Nachhaltigkeit gefördert. Es handelt sich um eine Förderplattform, die im Übrigen die Voraussetzungen schafft, an den aktuell in die gleiche Richtung weisenden Förderprogrammen des Bundes und der EU zu partizipieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit den Konzepten von vorgestern können eben nicht die Probleme von morgen gelöst werden. Während Herr Pinkwart zu Ihrer Regierungszeit noch die vierte Generation des Hochtemperaturreaktors erforschen wollte, stellen wir uns den Herausforderungen des Klimawandels und der Energiewende.
Wir wissen auch, dass ökologische, ökonomische und soziale Innovationen zusammengedacht werden müssen, wenn es um einen qualitativ ausgerichteten Fortschrittsbegriff geht. Ein besonderer Schwerpunkt von „Fortschritt NRW“ liegt deshalb auf umsetzungsorientierten, auf technische und soziale Systeminnovationen ausgerichteten Forschungsvorhaben.
Lieber Herr Berger, Ihre Anträge zum Haushalt 2013 sind weder ein seriöser Beitrag zur Einlösung der Schuldenbremse noch tragen sie auch nur ansatzweise dazu bei, die Hochschulen bei der Bewältigung ihrer gesellschaftlichen Aufgaben zu unterstützen.
Der Mittelaufwuchs im Wissenschaftshaushalt beträgt 6,5 % gegenüber dem Vorjahr. Das zeigt, Wissenschaft und Forschung genießen im Landeshaushalt oberste Priorität. Der weitaus überwiegende Teil dieser zusätzlichen Mittel dient der Stärkung von Studium und Lehre an den Hochschulen sowie deren Sanierung und Ausbau.
Wenn uns die Hochschulen jetzt sagen – das war die große Herausforderung in 2013 –, dass sie den doppelten Abiturjahrgang hervorragend bewältigt haben, so ist das für uns ein sehr schönes Signal und eine Bestätigung dafür, dass wir die Haushaltsmittel im Sinne der jungen Menschen, die in diesen Jahren an unseren Hochschulen einen Studienplatz gefunden haben, zielgerichtet eingesetzt haben. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)