Dr. Ruth Seidl: „Ziel muss es sein, den für Bildung und Wissenschaft notwendigen Wissenszugang unter fairen Bedingungen zu gewährleisten“

Antrag der Piraten zur VG Wort

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Dr. Ruth Seidl (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir freuen uns sehr darüber, dass in die derzeit untragbare Situation an den Hochschulen wieder Bewegung gekommen und es der Landesregierung gelungen ist – das sage ich ausdrücklich –, mit allen Verhandlungspartnern eine tragfähige Übergangslösung zu verabreden. Zudem haben KMK, HRK und VG Wort vereinbart, in den nächsten Monaten eine für alle Beteiligten praktikable und sachgerechte Lösung zu erarbeiten. Ich denke, vor diesem Hintergrund werden wir mit unseren Entschließungsantrag der aktuellen Entwicklung gerecht.
Mit dem ursprünglich geplanten neuen Rahmenvertrag zur digitalen Nutzung von Veranstaltungsunterlagen drohte an den Hochschulen – das haben jetzt auch schon mehrere Vorredner gesagt – unweigerlich der Rückfall ins analoge Zeitalter. Insbesondere hatte es bereits zahlreiche Ankündigungen gegeben, der Empfehlung der Hochschulrektorenkonferenz zu folgen und digitale Angebote wie Lernplattformen oder Online-Semesterapparate einzustellen. Das hatte dann bizarre Formen angenommen. Zum Beispiel forderte die Universität Paderborn die Studierenden auf, die relevanten Dateien noch schnell herunterzuladen, denn bis Ende des Jahres würden die Server abgeschaltet.
Tatsache ist: Alle Hochschulen in Deutschland gehören zu den Nutzerinnen von Publikationen der durch die VG Wort vertretenen Autorinnen und Autoren. Es werden zwar immer wieder alternative Nutzungen diskutiert; aber diese reichen nicht aus, um die bisherige Qualität der Lehre aufrechtzuerhalten – ein Grund mehr, um das Thema Open Access insbesondere in der Wissenschaft noch einmal auf die Agenda zu setzen und auch langfristig zu diskutieren.
Ziel muss es sein, den Studierenden auch zukünftig alle Unterlagen für Lehrveranstaltungen digital zur Verfügung zu stellen. Das reduziert den Papierverbrauch, erspart den Studierenden Zeit und Geld und ermöglicht den Lehrenden eine breitere Literaturauswahl für ihre Seminare.
Da sich der neue Rahmenvertrag in den letzten Wochen als wirklich absolut praxisuntauglich erwiesen hat, ist es insofern richtig, dass Kultusministerkonferenz, Hochschulrektorenkonferenz und VG Wort für die Zeit ab dem 1. Januar eine Übergangslösung schaffen wollen, die die Beibehaltung der bisherigen pauschalen Vergütung vorsieht.
Es ist ebenfalls ausdrücklich zu begrüßen, dass ein neuer Rahmenvertrag, der ab Oktober 2017 gelten soll, sicherstellen wird, dass es eine unbürokratische Lösung für Hochschulen, Studierende und Lehrende geben wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, für Wissenschaft, Forschung und Lehre stecken enorme Potenziale in der Digitalisierung. Um diese Chancen nutzen zu können, bedarf es endlich eines bildungs- und forschungsfreundlichen Urheberrechts. Denn bessere Forschungs- und Wissenszugänge sind wichtige Zukunftsmotoren für unsere Volkswirtschaft und auch Wissensökonomie.
Doch noch immer bestehen urheberrechtliche Hindernisse, die den Zugang zu Wissenschafts- und Bildungsmaterialien erschweren. Eines dieser Hindernisse besteht darin, dass bis heute eine umfassende Bildungs- und Wissenschaftsschranke im deutschen Urheberrecht fehlt. Es wurde eben angesprochen. Wir arbeiten von hier aus gemeinsam daran, denke ich, und hoffen, dass das dann auch in Berlin umgesetzt wird. Sie würde es Lehrenden, Lernenden und Forschenden erleichtern, publizierte Werke jedweder Art für den wissenschaftlichen Gebrauch grundsätzlich genehmigungsfrei und ohne Einschränkungen zu nutzen.
Ziel muss es sein, den für Bildung und Wissenschaft notwendigen Wissenszugang unter angemessenen und für alle Seiten fairen Bedingungen zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund bitte ich um Zustimmung auch zu unserem Antrag. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)