Dr. Ruth Seidl: „Niemand will den gläsernen Studierenden“

Antrag der CDU für einheitliche Matrikelnummern

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Dr. Ruth Seidl (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist in der Tat erstaunlich, dass die CDU-Fraktion ihren Antrag heute öffentlich zur Diskussion stellt und ihn nicht zurückgezogen hat. Dazu gehört schon eine ordentliche Portion Mut, Herr Berger – vor allem, wenn man weiß, wie vernichtend das Urteil der Sachverständigen in der Anhörung war. Sie können das jetzt natürlich schönreden und sagen, Sie könnten Kritik vertragen usw.
Ihre Vorstellung, mit einer einheitlichen Matrikelnummer seien eine stärker vernetzte Hochschule, weniger bürokratischer Verwaltungsaufwand oder sogar ein hochschulübergreifendes Studium zu realisieren, besteht doch, um es ganz vorsichtig auszudrücken, in vielerlei Hinsicht nicht den Praxistest. Darum ging es ja. Hohe Kosten, hoher Aufwand, datenschutzrechtliche Probleme, die Sie überhaupt nicht sehen, und keinerlei Nutzen – so lautete das vernichtende Urteil der Sachverständigen in der Anhörung.
Klar ist ebenfalls, dass die Studierendenmobilität, die Sie auch verbessern wollen, nicht auf die Landesgrenzen von Nordrhein-Westfalen beschränkt ist, sodass das Argument „Möglichkeiten des vereinfachten Hochschulwechsels“ nur durch eine bundesweite, wenn nicht sogar europaweite Identifizierung greifen könnte.
(Zuruf von den PIRATEN: Weltweite!)
– Oder weltweite.
Erst recht wird es beim Aspekt der Durchlässigkeit in der Lehre schwierig; denn dabei geht es vor allem darum, wie die Anerkennung zwischen der einen Hochschule und der anderen Hochschule zu organisieren ist. Diese Frage, die im Übrigen tief in die Autonomie der Hochschulen eingreift, kann zuallerletzt mit einer einheitlichen Matrikelnummer gelöst werden, Herr Berger.
Die von Ihnen propagierte einheitliche Matrikelnummer würde vor allem dazu führen, dass das Land in die Detailregelungen zur Einschreibung eingreifen müsste. Ausgerechnet Sie, Herr Berger, und die CDU, die immer ganz vorne stehen, wenn es um Hochschulfreiheit geht, verlangen jetzt eine einheitliche Matrikelnummer, die man allen Hochschulen überstülpen will. Den Hochschulen würde hier also ein Stück Autonomie weggenommen. Da sage ich: Nicht mit uns, liebe CDU-Fraktion.
Ganz zu schweigen von den datenschutzrechtlichen Bedenken, für die Sie in Ihrem Antrag in keinem Punkt eine Lösung aufzeigen! Niemand will doch den gläsernen Studierenden, den Sie hier erschaffen, Herr Berger.
Insofern hat Frau Lögering vom Landes-ASten-Treffen recht, wenn sie sagt:
„Das ganz große Thema ist der Datenschutz. Möchte man wirklich, dass das Essverhalten in der Mensa … über eine einheitliche Matrikelnummer mit der Person verbunden werden kann? Möchte man wirklich, dass die Noten … direkt an den Lehrstuhl weitergereicht werden können, an dem ich mich für eine SAK-Stelle bewerbe? Ich weiß nicht, ob ich als Studierende das wirklich möchte.“
Auch Herr Henkemeier hat für die Kanzlerinnen und Kanzler der Fachhochschulen in der Anhörung seiner Empörung deutlich Ausdruck verliehen. Er sagt – ich zitiere –:
„Mein Eindruck ist, in diesem Antrag wird ein Bild von Verwaltung und Verwaltungsprozessen dargestellt, das nicht mehr so ganz dem aktuellen Stand der Dinge entspricht. Das sage ich ganz unverblümt.
…, es gibt mittlerweile an fast allen Hochschulen in Nordrhein-Westfalen sogenannte Identity-Management-Systeme. Das ist ein Portal, welches genau das ausgleichen soll, was im Antrag der CDU beschrieben worden ist.
… wenn man über die Durchlässigkeit der Hochschulen und der Lehre redet, muss man zuerst einmal über ganz andere Dinge sprechen. Die Frage der einheitlichen Matrikelnummer ist da eher eine Randerscheinung.“
An anderer Stelle sagt er:
„Man muss sich wirklich überlegen, ob man das möchte und ob wir gerade im Bereich der Digitalisierung im Moment keine größeren Herausforderungen haben.“
Dem kann ich nur zustimmen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die CDU entlarvt sich mit diesem Antrag selbst. Denn das ist ja leider nicht der erste Aufschlag zum Thema „Digitalisierung“, der handwerklich so schlecht gemacht ist, dass die Expertinnen und Experten in unseren Anhörungen die Köpfe schütteln.
Dieser Antrag ist also zugegebenermaßen nett gemeint, aber eben nicht gut gemacht. Und das Thema „Digitalisierung“ ist eigentlich zu wichtig, um es lediglich populistisch zu bedienen. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)