Dr. Ruth Seidl: „Für die Verbesserung des Studienangebots stehen mehr als eine Milliarde Euro zur Verfügung“

Aktuelle Stunde auf Antrag der CDU zu Hochschulen

Dr. Ruth Seidl (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch noch einmal zu Ihrer Erinnerung, Frau Freimuth: In der Tat ist G8 unter Rot-Grün beschlossen worden. Das haben wir damals als Wahloption beschlossen. Vielleicht erinnern Sie sich auch daran.
(Widerspruch von Klaus Kaiser [CDU])
Das heißt: Die Schulen hätten sich für G8 oder G9 entscheiden können.
Sie haben das 2005 anders umgesetzt. Die Schulen haben es anders machen müssen.
(Klaus Kaiser [CDU]: Nein, nein!)
Wir hätten heute ganz andere Zahlen gehabt, als die, die jetzt auf die Hochschulen zukommen.
Wir haben gestern auch über den Landeshaushalt 2013 für die Hochschulen diskutiert. Und wir haben bei nüchterner Betrachtung festgestellt, dass wir noch nie so viel Geld in die Hochschulen gesteckt haben wie heute.
(Dr. Stefan Berger [CDU]: Wir hatten noch nie so viele Studenten!)
Für die Ausweitung und Verbesserung des Studienangebots stehen – ich wiederhole es, weil das eine Riesenzahl ist – Mittel von mehr als 1 Milliarde € zur Verfügung.
Das sind zusätzliche Mittel, die wir in die Zukunft der jungen Menschen und erst recht in den doppelten Abiturjahrgang in diesem Jahr 2013 investieren. Dass Sie das nicht gern wahrhaben wollen und heute hier lieber ein Horrorszenario von überfüllten Hörsälen oder verschimmelten Seminarräumen aufmachen möchten
(Dr. Stefan Berger [CDU]: Wollen Sie das bestreiten? – Zuruf von Angela Freimuth [FDP])
– das gehört doch in die Schublade „Oppositionslyrik“ –, hat überhaupt nichts mit einer konstruktiven Aufgabenbewältigung von Ihrer Seite aus zu tun.
Ich habe mich bei Ihrem Vortrag, Herr Berger, gefragt: Was sind eigentlich Ihre guten Vorschläge, die Sie als Oppositionspartei noch anzubieten haben? Ich kann nur sagen: Ich habe nichts gehört; es gibt keine.
(Dr. Stefan Berger [CDU]: Studienbeiträge!)
Auf ganzer Linie Getöse und Plattitüden, die an Peinlichkeit nicht mehr zu überbieten sind.
(Beifall von den GRÜNEN)
So will ich Ihnen auch gleich den Wind aus den Segeln nehmen, was die Situation der mit einem NC belegten Studiengänge angeht, weil Sie das jetzt ständig vor sich hertragen.
Heute – hören Sie gut zu – haben 48 % der Fächer in Nordrhein-Westfalen einen Numerus clausus. Im Wintersemester 2006/2007 unter der Regierung Rüttgers/Pinkwart waren es noch 50 %.
(Gabriele Hammelrath [SPD]: Hört, hört!)
Während Pinkwart in seiner Amtszeit den Anteil der NC-Fächer – wir haben uns das genau angeschaut – so gut wie gar nicht senken konnte, ist es uns gelungen, ab 2010 trotz steigender Studierendenzahlen und der ersten Belastungen durch den Doppeljahrgang aus Niedersachsen den Anteil der zulassungsfreien Fächer sogar noch zu erhöhen.
Die Situation hat sich offensichtlich nicht verschärft.
(Zuruf von Dr. Stefan Berger [CDU])
Das wird noch einmal durch das Interview Ihres ehemaligen Wissenschaftsministers untermauert, das am 14. Januar 2013 im Bonner „General-Anzeiger“ zu lesen war. Denn er sagte – ich zitiere –:
„Ich teile die Einschätzung meiner Nachfolgerin, dass die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen gut auf den doppelten Abiturjahrgang vorbereitet sind.“
(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)
Das war Pinkwart in Bonn. Da kann ich nur sagen: So ein Pech, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, dass ausgerechnet Ihr ehemaliger Wissenschaftsminister uns als rot-grüne Landesregierung vor Angriffen Ihrer Partei in Schutz nimmt.
(Angela Freimuth [FDP]: Einen Aktionsplan sollten Sie auf den Tisch legen!)
Aber wo er recht hat, hat er recht.
Ich will hier nichts schönreden, liebe Kolleginnen und Kollegen. Natürlich wissen alle, dass der doppelte Abiturjahrgang eine riesengroße Herausforderung ist und es an den Hochschulen auch eng wird, genauso wie in Bayern und Niedersachsen, die den Peak der Studentenwelle schon überschritten haben und deren Studierende wir übrigens im vergangenen Jahr teilweise mitbetreut haben.
Aber wir nehmen auch zur Kenntnis, dass uns alle Hochschulen sagen: Es wird eng, wir müssen manchmal improvisieren, aber wir sind im Großen und Ganzen auf den doppelten Abiturjahrgang gut vorbereitet.
So Aloys Krieg, der Prorektor für Lehre der RWTH – ich zitiere –:
„Wir sind wirklich gut vorbereitet und relativ optimistisch, dass wir das gut hinkriegen.“
Übrigens: Auch bei den Fachhochschulen, die Sie eben zitiert haben, gibt es neben verhaltenem Optimismus durchaus Lob für die Vorbereitungen der Landesregierung auf den doppelten Abiturjahrgang.
In einem Interview der „Rheinischen Post“ vom 23. Januar dieses Jahres sagt der Präsident der Fachhochschule Niederrhein, Herr von Grünberg, auf die Frage, ob die Hochschulen für den doppelten Abiturjahrgang gut gerüstet sind – ich zitiere –:
 „Ja, wir haben im Rahmen des Hochschulpaktes wirklich außerordentlich viel Geld bekommen, und das Geld ist rechtzeitig gekommen; insofern gilt der oft gescholtenen Politik einmal ein großes Lob. Damit konnten wir erheblich mehr Professuren einrichten: Ausgehend von 215 Professoren im Jahr 2010 haben wir derzeit 250 Professoren, Ende 2013 sind es dann gar 262 Professoren. Und wir bauen sehr viel. Dazu gehört etwa das Modulgebäude im Krefelder Süden für 15 Millionen Euro. Baubeginn ist Frühjahr 2013 … Wir haben aktuell 12 600 Studenten und rechnen für 2013 mit 13 400 Studenten – die Kapazität ist da, um ihnen ein vernünftiges Studium zu ermöglichen.“
Das ist ein Beispiel von vielen Rückmeldungen, die uns derzeit bei unseren Hochschulbesuchen erreichen.
(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier wird doch sehr deutlich, dass die Hochschulen im Großen und Ganzen sehr sachlich, sehr unaufgeregt mit den wachsenden Studierendenzahlen umgehen, weil sie in der Tat gut und langfristig vorgearbeitet haben.
Das Wissenschaftsministerium begleitet die Hochschulen eng bei der Bewältigung des doppelten Abiturjahrgangs in einem landesweiten Monitoring-Verfahren zum Austausch über den jeweils aktuellen Stand der Vorbereitungen, auch unter Einbeziehung der Studentenwerke.
Die Zielvereinbarungen über die Aufnahme zusätzlicher Studierender im Jahr 2011 wurden eingehalten, und auch für die Jahre 2012 bis 2015 werden die vereinbarten Ziele aller Voraussicht nach erfüllt werden. Viele Hochschulen planen sogar den Aufbau von weiteren zusätzlichen Studienmöglichkeiten. Für 2013 sind es 6,3 % über der vereinbarten Zahl. Das heißt, grobe Planungsmängel sind hier also keineswegs erkennbar.
Im Ergebnis planen die Hochschulen den Kapazitätsaufwuchs analog zu den bisherigen Fächergruppen, wobei die Zahl der zusätzlichen Studienanfängerinnen, insbesondere in den Ingenieurwissenschaften, wo wir auch mehr Plätze brauchen, deutlich steigen soll.
Vor diesem Hintergrund wäre es schön, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, wenn wir die anstehenden Herausforderungen auf einer sachlich seriösen Grundlage diskutieren könnten. Es wäre auch hilfreich, wenn Sie uns – ich sage das jetzt noch einmal – konstruktiv unterstützen könnten bei den Verhandlungen mit dem Bund, der sich bislang hartnäckig geweigert hat, den Finanzdeckel des Hochschulpakts aufzuheben.
Natürlich muss man an dieser Stelle den Bund immer wieder benennen. Denn er ist schließlich der Partner im Hochschulpakt. Wenn wir in Nordrhein-Westfalen unsere Hausaufgaben machen, dann muss der Bund das gleichermaßen tun.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wir stellen den Hochschulen im Jahr 2013 mit dem Hochschulpakt 820 Millionen € zur Verfügung. Damit können Sie ihre Kapazitäten deutlich ausweiten und zusätzliches Lehrpersonal einstellen. Dies führt unmittelbar wieder zu höheren Zulassungszahlen, unabhängig davon, wie viele NC-Studiengänge es gibt.
Also: Das Märchen von den Massen von Studierenden, die wegen des doppelten Abiturjahrgangs draußen vor den Türen der Hochschulen bleiben, gehört eher in die Kategorie „Trivialliteratur“
(Dr. Stefan Berger [CDU]: In einem Jahr reden wir noch einmal darüber!)
und ist sachlich nicht nachvollziehbar. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)