Dr. Ruth Seidl (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Mittelstand ist das Rückgrat der nordrhein-westfälischen Wirtschaft. Nur dank der vielen kleinen Unternehmen konnte die NRW-Wirtschaft die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise überstehen. Wir sind uns einig, dass es deshalb umso wichtiger ist, die Vielfalt und Leistungsfähigkeit des Mittelstandes zu erhalten und zu fördern. 99,5 % aller Unternehmen in Nordrhein-Westfalen sind KMU. Solche Betriebe stellen 80 % aller sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse und bilden 83 % der Auszubildenden aus.
(Beifall von den GRÜNEN)
Jetzt kommt der entscheidende Satz: Arbeitsplätze, Wachstum und Innovationen entstehen nämlich genau hier.
Deshalb freuen wir uns, dass kleine und mittelständische Unternehmen in der Tat in den vergangenen Jahren bei den Aufwendungen für Forschung und Entwicklung enorm aufgeholt haben. Frau Birkhahn, insofern kann ich Ihnen nur zustimmen, zumindest was die Analyse Ihres Antrags angeht. Ich kann Ihnen auch zustimmen, wenn Sie sagen, dass die Akquise von Fördermitteln für die KMU eine besondere Herausforderung darstellt und wir als Land die Aufgabe haben, entsprechende Unterstützungsstrukturen zu liefern.
Vor diesem Hintergrund habe ich Ihren Aufforderungskatalog an die Landesregierung aufmerksam gelesen. Dabei fällt allerdings auf, dass Sie nicht auf der Höhe der Zeit sind, was die vorhandenen Strukturen und die derzeitigen Aktivitäten der Landesregierung angeht. Das ist ein wenig enttäuschend. Es ist im Übrigen auch schade, dass Sie sich bei Ihrem Beitrag heute überhaupt nicht auf die inhaltlichen Punkte dieses Antrags bezogen haben und wir damit gar nicht direkt in die Auseinandersetzung gehen können.
Lassen Sie mich einige der von Ihnen in Ihrem Antrag angesprochenen Punkte zusammenfassend beantworten. Aus unserer Sicht gibt es eben keine Überschneidungen der Förderprogramme von Bund und Land. Wenn Sie sich die Programme angucken und gegeneinander abwägen, erkennen Sie : Das BMWi unterstützt kleine und mittelständische Unternehmen bei Technologieprojekten mit geringem Fördervolumen. Die Beteiligung an den Innovationswettbewerben des Landes setzt in der Regel eine Kooperation zwischen Unternehmen und Hochschulen voraus.
Bei den Innovationsgutscheinen im Landesprogramm „Mittelstand.innovativ!“ wird das FuE-Projekt nicht vom Unternehmen, sondern von der beauftragten Hochschule oder Forschungseinrichtung durchgeführt. Die FuE-Förderung in NRW ist im Übrigen grundsätzlich technologieoffen. Das haben Sie in Ihrem Antrag bestritten. Eine Benachteiligung bestimmter Forschungs- und Wirtschaftszweige kann deshalb nicht unterstellt werden. Das hätten Sie heute auch erst einmal belegen müssen.
In Bezug auf das Thema Fachkräftemangel möchte ich Sie auf folgende Initiativen hinweisen – das war der dritte Punkt in Ihrem Antrag –: Wir haben das „Neue Übergangssystem Schule – Beruf“ initiiert. Wir haben die Studiengebühren abgeschafft. Noch nie hatten wir so viele Studienanfängerinnen und Studienanfänger wie heute. Die Ausweitung der dualen Studiengänge in Kooperation zwischen Wirtschaft und Fachhochschulen ist zu nennen. Hinzu kommt die „Fachkräfteinitiative NRW“, die attraktivere Rahmenbedingungen – Stichwort: Vereinbarkeit von Familie und Beruf – für das Personal in den Unternehmen sichert. – Allein diese Dinge machen eine ganze Menge aus, um dem Fachkräftemangel in Nordrhein-Westfalen zu begegnen.
Auch die Frage der Netzwerke ist nicht neu. Ich kann nur auf die Förderung der 16 Landescluster, auf die „InnovationsAllianz“, das Programm „Mittelstand.innovativ!“ und die vielen Transferstellen an den Hochschulen verweisen. Die Forderung nach Vernetzung von Unternehmen und Forschung ist im Übrigen ein zentraler Bestandteil des Rahmenprogramms „Fortschritt NRW“, in dem es um Forschung und Innovation für nachhaltige Entwicklung in Nordrhein-Westfalen geht.
Im Übrigen ist es in diesem Zusammenhang paradox, dass ausgerechnet die CDU-Fraktion im Rahmen der Haushaltsberatungen die hierfür zur Verfügung stehenden 10 Millionen € komplett streichen wollte; denn hier geht es um Forschung und Entwicklung in regionalen Innovationsnetzwerken. Diese bilden den Rahmen, in dem Unternehmen, Wissenschaft und Verbraucher gemeinsame und nutzenübergreifende Lösungen für regionale Herausforderungen entwickeln können.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das Innovationsnetzwerk „Energie Impuls OWL e. V.“ ist nur ein Beispiel für ein solches Netzwerk. Insofern hinkt Ihr Antrag auch hier hinter den Maßnahmen der Landesregierung weit hinterher.
Last but not least: Um herauszufinden, wie sich der Mittelstand Jahr für Jahr entwickelt, brauchen wir weder ein Expertengremium noch einen weiteren Bericht. Dazu liegen schon genügend wissenschaftliche Erhebungen und Statistiken vor, die regelmäßig fortgeschrieben werden. Außerdem haben wir erst vor Kurzem das auch von Ihnen im Grundsatz begrüßte Mittelstandsgesetz im Landtag verabschiedet. Ein wesentlicher Bestandteil ist neben der Mittelstandsverträglichkeitsprüfung von Initiativen der Landesregierung auch der Mittelstandsbeirat. Dieser kann auf besondere mittelstandrelevante Problemstellungen hinweisen und dem Parlament dazu einen Mittelstandsbericht vorlegen. Genau dieses Instrument ist dazu geeignet, um Problemlagen, die die Entwicklung von KMU wirklich hemmen, zu beseitigen.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Dr. Seidl, Ihre Redezeit.
Dr. Ruth Seidl (GRÜNE): Das Geld für einen weiteren Fortschrittsbericht können wir uns vor diesem Hintergrund sparen. Unter dem Strich bringt uns Ihr Antrag keine neuen Erkenntnisse. Aber wir sind gerne bereit, die Diskussion im zuständigen Ausschuss weiter zu vertiefen. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)